Studio, Top-Story, VFX, Virtual Production, Virtual Reality: 15.07.2021

Mixed Reality: LED-Wand statt Greenscreen

Das Bayerische Staatsministerium für Digitales fördert den Aufbau eines Mixed-Reality-Studios in den Bavaria Studios mit 2,7 Millionen Euro.

BaviPro-Demo, © Arri
Statt Greenscreen steht im Hintergrund eines Mixed-Reality-Studios eine gebogene LED-Wall, die mit in Echtzeit animierten Grafiken bestückt wird. Die Perspektive des Hintergrunds wird ebenfalls in Echtzeit in Abhängigkeit von der Kameraposition angepasst.

Wird in Studios statt Greenscreen künftig eine riesige LED-Wall installiert? Müssen Schauspieler, die sich in virtuellen Welten bewegen, künftig nicht mehr nur in einer grünen Studiohölle agieren, sondern sehen im Studio schon die Szenerie, und deren Licht spiegelt sich auf ihren Gesichtern wider? Das gibt es schon und es wird Mixed Reality genannt. In einem solchen Studio werden wieder fertige Szenen direkt in der Kamera aufgenommen — inklusive Hintergrund.

Diese Technologie steht aber bisher überwiegend nur großen US-Filmproduktionen wie in der Serie »The Mandalorian« zur Verfügung. Auch Dark Bay in Babelsberg (Meldung) hat ein solches Mixed-Reality-Studio errichtet. Noch haben solche Installationen aber eher einen Pionier- und Experimentiercharakter, die Technologie steht im Grunde noch ziemlich am Anfang.

Das Bayerische Staatsministerium für Digitales fördert das Projekt BaViPro, erläuterte Staatsministerin Judith Gerlach bei einer Presseveranstaltung bei der Bavaria.

Das Ganze zu optimieren und nicht nur bei ganz hohen Budgets umsetzen zu können, ist das Ziel von »BaViPro« — ein Projekt, das vom Bayerischen Staatsministerium für Digitales gefördert wird. Dabei unterstützt der Freistaat den Aufbau einer neuartigen LED-Bühne in den Bavaria Studios in Geiselgasteig bei München mit 2,7 Millionen Euro.

Das Mixed-Reality-Projekt wird in den nächsten rund zwei Jahren realisiert durch das Konsortium »BaViPro« bestehend aus Arri, den Bavaria Studios & Production Services und den deutsch-amerikanischen Eyeline Studios Munich.

 


Dr. Johannes Steurer von Arri erklärt, wie Mixed Reality funktioniert und welche Pläne das Förderprojekt BaViPro verfolgt.
 
BaviPro-Demo, © Arri
Im Studio haben die Darsteller einen realistischen Hintergrund, auf den sie reagieren können.
Technischer Hintergrund

In einem Mixed-Reality-Studio ist kein Greenscreen installiert, sondern eine fest eingebaute LED-Wand. Deren Bildqualität und Leuchtkraft reichen aus, um das umzusetzen, was man in Greenscreen-Studios macht — nur eben nicht mit aufwändiger Postproduction, sondern direkt in der Kamera. Dabei kann die Kamera auch bewegt werden und der Hintergrund passt sich entsprechend an. Der Hintergrund wird also nicht nachträglich eingestanzt, sondern im Studio wird in Echtzeit eine fotorealistische, animierte Hintergrundgrafik dargestellt. 

BaviPro-Demo, © Arri
Für die passenden Echtzeitgrafiken sind mit der Kameraposition synchronisierte Engines nötig.

Die LED-Bühnen-Technik ermöglicht es somit, reale Umgebungen oder auch virtuelle Welten im Studio fotorealistisch abzubilden und ins Studio zu holen. Im Vorfeld müssen die notwendigen Aufnahmen der Umgebung oder die virtuellen Szenerien produziert werden. Die LED-Stage ermöglicht dann die Navigation innerhalb der Szene. Orientierung und Perspektiven können angepasst werden. Somit stellt eine LED-Stage ein hochflexibles Tool für die Filmproduktion dar.

Die technische Realisierung erfordert eine Vielzahl neuer, innovativer Technologien, die für die LED-Stage angepasst, erweitert oder auch neu entwickelt werden müssen. Zum Einsatz kommen dabei etwa Realtime Engines, die sonst bei der Entwicklung von Computer- und Konsolenspielen verwendet werden. Um einen reibungsfreien Ablauf zu ermöglichen, müssen große Datenmengen in Echtzeit prozessiert werden. Dies erfordert entsprechend leistungsstarke Rechenkapazitäten und die dafür abgestimmte Software.

Das Bayerische Staatsministerium für Digitales fördert den Aufbau einer neuartigen LED-Bühne in den Bavaria Studios in Geiselgasteig bei München mit 2,7 Millionen Euro.
Was will BaViPro?

Ziel des Projekts BaViPro ist es, neueste Techniken aus der Film- und Medienbranche miteinander zu kombinieren, zu optimieren und zu erweitern. Damit soll am Standort bei der Bavaria eine Produktionsumgebung für Filme entwickelt werden, die über den bisherigen Stand der Technik hinausgeht. Das Projekt soll bis Mitte 2023 abgeschlossen sein. Insgesamt werden Projektkosten von rund 5,4 Millionen Euro veranschlagt. Die Abwicklung der Förderung erfolgt durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, finanziert durch das Bayerische Staatsministerium für Digitales.

Dr. Johannes Steurer, Arri.

Das Forschungsprojekt soll aber nicht nur für High-End-Produktionen wichtige Erkenntnisse liefern, sondern ganz generell die Grundlagen schaffen, dass die neue Technik zu einem wichtigen Produktionswerkzeug in Deutschland werden kann. Man wolle die momentanen Möglichkeiten so weiterentwickeln, dass man die neue Technologie auch ohne absolute Spezialisten am Set einsetzen und nutzen könne. Das erfordere allerdings noch Entwicklungsarbeit, so Dr. Johannes Steurer, Senior Principal Future Technologies Arri.

Er erklärt: »Mit der neuen Arri Solutions Group bieten wir ganz­heit­liche Lösungen für die weltweite Film- und Medienindustrie, darunter das Design von Mixed-Reality-Studios. Im Förderprojekt BaViPro integrieren wir die Kamera- und Beleuchtungsprodukte von Arri in ein innovatives, praxistaugliches Mixed-Reality-System.«

»Die Wunschpartner Bavaria und Eyeline ergänzen unser Wissen in idealer Weise durch ihre Expertise im Produktionsalltag und in der ‚virtuellen Dimen­sion‘. Wir freuen uns sehr darauf, gemeinsam diese neue LED-Studiotechnik am Standort Bavaria zu etablie­ren und unsere Lösungskompetenz für Kunden in aller Welt auszubauen. Unser Dank gilt dem Freistaat Bayern für die weitsichtige Unterstützung dieses ehr­geizigen Projekts.« 

Bavaria-Studios-GF Friedhelm Bixschlag, Arri-Experte Dr. Johannes Steurer, Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach,  Bavaria-Film-CEO Dr. Christian Franckenstein.
Erste Produktionen geplant

Einer der ersten Filme, der am Ende des Projekts mit der neuen Technik bei der Bavaria in Geiselgasteig gedreht werden soll, kommt von Michael »Bully« Herbig, der in der Technologie »die größte Entwicklung seit Greenscreen« sieht und begeistert ist von den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.

Bei einer Pressekonferenz in den Bavaria Studios stellten die Beteiligten das Projekt vor.

Die Vorteile, die sich durch diese Form der Produktion ergeben, liegen auf der Hand: Schauspieler können sich besser auf eine Situation einlassen, weil sie sehen, wie die gesamte Szene am Ende aussehen wird. Sie blicken automatisch in die richtige Richtung, was viele Wiederholungen einer Szene beim Dreh reduzieren dürfte. Teure Reisekosten an exotische Locations können sich so ebenfalls vermeiden lassen. Ein weiterer wichtiger Punkt: die »Best hour« hört im Studio nicht auf und kann bei Bedarf auch einen ganzen Tag dauern, weil eben nicht mehr draußen gedreht werden muss, sondern im Studio, wo sich der Hintergrund dauerhaft einblenden lässt. Auch Wetterprobleme beim Dreh kann man so umgehen. 

Dr. Franckenstein, CEO Bavaria Film.
Die Partner

Bavaria Film CEO Dr. Christian Franckenstein betont: »Unser Bestreben ist es, den Medienstandort Geiselgasteig weiter zu einem modernen Bewegtbild-Campus auszubauen. Dazu gehören frühzeitige Investitionen in digitale Innovationen, wie jetzt die LED-Bühnen für fiktionale Produktionen. Wir danken dem Freistaat Bayern für die Förderung dieses zukunftsgerichteten Projekts, das wir gemeinsam mit unseren Partnern Arri und Eyeline Studios Munich auf den Weg bringen. Zusammen stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Bayern. Alle Filmschaffenden laden wir ein, mit uns gemeinsam passende Projektideen zu entwickeln und umzusetzen.«

Franckenstein ergänzt, dass die Bavaria Studios in den vergangenen zwei Jahren eine Renaissance der Studionutzung erlebt hätten. Corona habe diese Entwicklung weiter verstärkt, und von der neuen Technologie erhofft man sich einen weiteren digitalen Push. 

Dr. Johannes Steurer (links) und Stefan Trojansky auf dem LED-Panel .

Stephan Trojansky, CEO Eyeline Studios Munich, der während der Pressekonferenz aus Los Angeles zugeschaltet wurde, ergänzte: »Nach den Innovationen in ScanlineVFX und Flowline verfolgen wir als neues Projekt mit Eyeline Studios Munich das Ziel, den gesamten Filmproduktionsprozess, beginnend von ersten Layouts bis hin zum finalen Produkt, durch innovative digitale Technologie zu unterstützen. Unsere Plattform wird alle traditionellen physikalischen Prozesse am Set mit digitalen, in Echtzeit dargestellten fotorealistischen Welten verbinden und die Feinabstimmung aller technischen Komponenten ermöglichen.«

»Dies wird den kreativen Filmemachern der Zukunft völlig neue gestalterische Möglichkeiten eröffnen und das Filmschaffen flexibler, schneller, vernetzter und letztlich auch effizienter machen. Wir danken dem Freistaat Bayern und dem Staatsministerium für Digitales für die Unterstützung des sehr innovativen Projektes ‚BaViPro‘, welches uns ermöglicht, gemeinsam mit unseren Partnern Arri und Bavaria Studios erneut hier am Standort die für diesen nächsten Schritt der Filmherstellung benötigten komplexen technischen Rahmenbedingungen zu entwickeln.«

Geplanter Ablauf des Projekts

In den kommenden Monaten wird es nun darum gehen, das Prototypenstadium zu verlassen, erläutern die Partner. Es gelte, alle Technikkomponenten zu synchronisieren, aber auch eine korrekte Echtzeit-Farbabstimmung zwischen LED im Hintergrund und realer Szene im Vordergrund zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielt auch das Kamera-Tracking. Weiter müssen Kameras, Scheinwerfer und auch Requisiten so ins Prozedere integriert und aufeinander abgestimmt werden, dass ein stimmiges Gesamtbild entsteht, das die Illusion eines echten Bildes für den Zuschauer nicht zerstört. 

Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Digitales.
Die Politik fördert und freut sich

Die Bayerische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, bilanziert: »Bayern ist einer der international führenden Film- und Medienstandorte. Um bei der massiven Digitalisierung in der Filmbranche weiterhin vorne dabei zu sein, investiert das Digitalministerium mit diesem hochmodernen LED-Studio in echte Zukunftstechnologie. Bayern kann sich so auch weiterhin als Branchenführer und innovativer Taktgeber positionieren und sichert gleichzeitig Arbeitsplätze. In Bayern werden nicht nur Science-Fiction-Filme gedreht — bei uns wird auch Film-Zukunft produziert.«

 

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