5G, Intercom, Konferenztechnik, Wireless: 20.01.2021

Nach 2030: »Kulturfrequenzen« im Funkloch?

Wie werden UHF-Frequenzen in Zukunft verteilt? Es gibt weiteren Diskussionsbedarf und Initiativen.

© DFL
Breitband-Perspektive oder rote Karte für verkabelte Schiris: »Kulturfrequenzen« werden in vielen Bereichen benötigt.

Ein Teil des UHF-Bandes war seit sehr langer Zeit stets reserviert für »Programme Making and Special Events«: Durchsage- und Reportagefunk, drahtlose Mikrofone, Kameras und weiteres — kurz PMSE genannt. Auch DVB-T2 HD und die Radioastronomie tummeln sich im Funkbereich zwischen 470 und 694 MHz. Nachdem schon 2010 und 2015 dem Fernsehen und dem Produktionsfunk umfangreiche Ressourcen verloren gingen, droht jetzt weitere Ungemach.

Xplorer ist ein drahtloses Intercom-Terminal
Intercom wird heutzutage in sehr vielen Bereichen benötigt — besonders auch in Zeiten von Remote-Produktionen.

Gegen eine Umwidmung des restlichen UHF-Bandes zwischen 470 und 694 MHz formiert sich nun aber Widerstand: Weder der Mobilfunk noch die öffentlichen Einsatzdienste brauchen diese »Kulturfrequenzen«, argumentieren parteiübergreifend sechs Bundestagsabgeordnete und die Initiative »SOS – Save Our Spectrum«.

Stand des Frequenzspektrums von 2015. Wie soll es weitergehen?

Gegen eine rein wirtschaftliche Argumentationsweise stehen handfeste Gründe, die »Kulturfrequenzen« über die bisherige Garantie bis 2030 hinaus für die bisherigen Nutzungen festzuschreiben. PMSE fasst den gesamten Produktionsfunk mit Ton und Bild von Film und Fernsehen zusammen, ebenso die Funkstrecken für Mikrofone, Monitore und ähnliches, die im Theater, bei Konzerten, Konferenzen, Gottesdiensten, Sport-Events und ähnlichem benutzt werden. Zur Verlängerung dieser Zweckbindung soll sich die Bundesregierung, so eine überparteiliche Gruppe von sechs Bundestagsabgeordneten, noch vor den Wahlen im September 2021 bekennen. Das Ganze soll auch als klares Wort aus Deutschland in Vorbereitung der internationalen Frequenz-Konferenz 2023 gelten, auf der die Frequenzverwendung neu diskutiert werden soll.

Sechs MdBs: Bisherige UHF-Nutzung über 2030 hinaus fortschreiben

In Deutschland waren 2018 bis zu 1,5 Mio. Funkstrecken laut »SOS – Save Our Spectrum« zeitgleich im Einsatz.

Die MdBs Gustav Herzog (SPD), Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen), Anke Domscheit-Berg (Die Linke), Doris Achelwilm (Die Linke), Thomas Hacker (FDP) und Christian Jung (FDP) erinnern parteiübergreifend in einem gemeinsamen Gastbeitrag auf netzpolitik.org unter anderem daran, dass den aktuellen Nutzern ohnehin nur noch ein geringer Anteil des UHF-Bandes verblieben ist. Denn die UHF-Frequenzen oberhalb von 694 MHz wurden 2010 und 2015 in zwei Auktionen unter den Mobilfunk-Anbietern verteilt. Im Ergebnis wurden öffentliche Institutionen und Unternehmen zu Investitionen in eigentlich unnötige Neuanschaffungen (Meldung) zu Umrüstungen eines Teils der Funktechnik gezwungen.

PMSE gehört zum Grundbedarf — nicht nur bei der Produktion für Film und Fernsehen.

Für die Breitband-Ziele des Bundes seien weitere Funkfrequenzen überhaupt nicht erforderlich, sondern glasfaserbasierte Infrastrukturen zu priorisieren. Aus Sicherheitsgründen sei »eine vollständige Abhängigkeit von den Mobilfunkkonzernen und den sozialen Netzwerken im Interesse der Meinungsvielfalt und einer funktionierenden Demokratie zu verhindern«, schreiben die Politiker. »Gleichzeitig verdienen der Rundfunk und die Kultur- und Kreativwirtschaft eine Perspektive für das dann folgende Jahrzehnt.« Den terrestrischen Rundfunk wolle man langfristig erhalten und »die kleinen und mittelständischen funktechnischen Betriebe und auch die Rundfunkveranstalter« schützen.

In diesem Sinne wird an einen Beschluss des Bundesrates von 2019 erinnert: »Die langfristige, national und europäisch koordinierte Frequenzplanung mit ausreichendem und störungsfreiem Frequenzspektrum für Nutzer drahtloser Produktionsmittel in Kultur, Bildung, Forschung, Wissenschaft, Sport und Kirchen muss gewährleistet bleiben.«

Sichere Netze für Polizei und andere — aber nicht auf UHF

Die Initiative »SOS – Save Our Spectrum« sieht das UHF-Restband unterdessen auch durch den Staat selbst gefährdet — namentlich durch den Funk von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Diese sicherheitsrelevanten Dienste arbeiten im digitalen Tetra-Bündelfunk (»Terrestrial Trunked Radio«). Die dafür zugewiesenen Frequenzen zwischen 380 und 410 MHz seien nicht ausreichend. UHF kam ins Visier von BOS, nachdem der gewünschte 450 MHz-Bereich der Energiewirtschaft zugesprochen wurde.

Initiative »SOS – Save Our Spectrum«.

Während der UHF-Restbereich für die Kultur essenziell und unersetzlich ist, sei dieser für die BOS-Dienste schlicht »untauglich«. Argumentiert wird mit dem Fehlen jeglicher Funktechnik für den UHF-Bereich zwischen 470 und 520 MHz. Die notwendige Bandbreite sei bei Datenübertragungen vom Einsatzort zur Zentrale (Uplink) nicht gewährleistet.

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5G statt UHF — eine Alternative für breitbandigen Funk von Sicherheitsdiensten.

Viel attraktiver für BOS sei etwa das »Network Slicing« der Infrastrukturen des 4G- und 5G-Mobilfunks. Dort sind schnelle und sichere breitbandige Kapazitäten zu günstigen Kosten und ohne Investitionen in neue Infrastruktur verfügbar. Hingegen würde ein eigenes Breitband-Netz nicht nur »exorbitante Investitionen« und hohe Gerätekosten mit sich bringen, argumentiert SOS. Zudem würden solche Netze die Anforderungen bei Spitzenlasten »nicht ansatzweise erfüllen können«. Dafür reiche »bereits ein Unfall auf der Autobahn mit mehreren Sicherheitsdiensten wie Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, THW vor Ort«, erklärt SOS, geschweige denn wäre der Kommunikationsbedarf im Fall von Anschlägen, Amoklauf oder ähnlichem zu bewältigen.

Dokumente:

Die Initiative »SOS – Save Our Spectrum« unterstützt die Produktions- und Veranstaltungswirtschaft als Lobby gegen die politische Strategie einer einseitigen Mobilfunk-Förderung. SOS veröffentlichte Mitte Januar 2021 den Beitrag »Polizei und Feuerwehr brauchen sinnvolle Kommunikationsnetze – aber dafür nicht die Kulturfrequenzen«. Auch ein Grundsatzpapier steht zum Download.
Der Artikel der 6 MdBs wurde unter der Schlagzeile »Die Zukunft der Rundfunk- und Kulturfrequenzen muss im Parlament verhandelt werden« auf Netzpolitik.org am 28. Dezember 2020 veröffentlicht.
  Entschließung des Bundesrats zur Gesamtstrategie für den Mobilfunk und Stellungnahme der Bundesregierung (DrS 67/19). Infos zu PMSE der Bundesnetzagentur und der EU. Frühere Beiträge von film-tv-video.

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