Tech-Talk, Top-Story, Trend, Unternehmen, Video: 26.03.2018

Grass Valley: Kamera-Talk in Breda

Im holländischen Breda entwickelt, wartet und modifiziert Grass Valley seine Broadcast-Kameras. film-tv-video.de hat den Standort besucht.




HDR: welcher Workflow?

Bei typischen Live-Produktionen wird die Videokurve in den unterschiedlichen Helligkeitsbereichen in Abhängigkeit der Lichtsituation angepasst, um etwa beim Fußball bessere Bilder zu erhalten. Dazu gibt es in den Kameras mehrere Einstellmöglichkeiten wie Knee, Slope, Gamma Level, Gamma Kurve, Black Stretch, Black Press, etc. »Bei einer HDR-Produktion können Sie das aber nicht in gleicher Weise tun« erläutert Klaus Weber. Deshalb brauche es hier andere Abläufe.

Klaus Weber, Principal Camera Solutions & Technology, Grass Valley, Porträt
»Bei Live-Produktionen sollte man HDR-Konvertierungen vermeiden, weil sich dadurch die individuellen Schwächen des jeweiligen HDR-Verfahrens verstärken.«

Bei den ersten HDR-Testproduktionen wurde meist mit einem parallelen SDR/HDR-Workflow gearbeitet: Man nutzt bei jeder Kamera zwei OCPs, eins für HDR, eins für SDR. Das hat den Vorteil, dass beide Signale unabhängig voneinander und somit auch optimal für den jeweiligen Verbreitungsweg aufgezeichnet werden konnten. Allerdings erfordert diese Produktionsweise auch annähernd doppelt so viele Ressourcen bei Mitarbeitern und Hardware.

»Langfristig ist das keine praktikable Lösung«, sagt Klaus Weber, ebenso wenig wie ein Film-Workflow, bei dem man alles aufzeichnet, was in der Postproduktion gebraucht werden könnte. »Das scheidet für Live-Anwendungen aus Zeitgründen ebenfalls aus.«

Klaus Weber folgert, dass sich daher in der Praxis eine native 10-Bit-HDR-Produktion durchsetzen werde. Man produziert ein HDR-Signal, optimiert das Signal in der Kamera hierfür. Wenn man auch ein SDR-Signal braucht, führt man am Ende der Signalkette ein SDR-Down-Mapping durch.

Test-Cases für diese beiden Workflows gibt es mittlerweile eine ganze Reihe – mit teilweise sehr beeindruckenden Bildern. Die Live-Produktion in HDR ist also heute schon möglich, Grass Valley hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Produktionsfirmen schon diverse HDR-Live-Produktionen realisiert, von der Balletaufführung bis zum Actionsport-Event.

Neuerungen mit hohem Praxisbezug

Neben so grundsätzlichen, sich wandelnden Technologien, wie sie bisher ausgeführt wurden, gibt es bei den Broadcast-Kameras auch Entwicklungen und Trends auf einer ganz anderen Ebene. Aus der Praxis inspiriert und konsequent auf Marktveränderungen abgestimmt, hat Grass Valley etwa seine Basisstationen, an die Broadcast-Kameras angeschlossen werden, in zwei Elemente aufgespalten.

Grass Valley, Cradle
Intelligente Dockingstation für Basisstationen: Die Cradle von Grass Valley kann unterschiedliche Basestations aufnehmen.

Das ist zum einen die Cradle: Sozusagen eine Dockingstation, die man fest verkabeln und stets an Ort und Stelle im Studio oder Ü-Wagen belassen kann. Die Cradle kostet rund 10 % einer kompletten Basisstation. Die sehr viel teurere Elektronik der Basisstation schiebt man erst dann in die Cradle, wenn man sie tatsächlich benutzen will, also aktuell eine Produktion ansteht. Das erlaubt es, jede Produktion individuell zu gestalten. »Alle vorgenommenen Einstellungen sind im Cradle gespeichert, was beim Wechsel der Basisstation enorme Zeitvorteile bringt«, erläutert Stefan Weidner.

Klaus Weber ergänzt, dass Grass Valley mittlerweile rund ein Drittel mehr Cradles als Basisstationen verkaufe – ein Beleg dafür, dass der Markt diese Flexibilität auch tatsächlich nutzt.

Grass Valley, XCU UXF
Mit der XCU UXF präsentierte Grass Valley eine IP-SDI-Basisstation, die sowohl Baseband-, 12G-SDI- und IP-Funktionalität in einem Hybrid-Device unterbringt.

Mit der XCU UXF ging Grass Valley noch einen Schritt weiter und präsentierte eine IP-SDI-Basisstation, die sowohl Baseband-, 12G-SDI- und IP-Funktionalität in einem Hybrid-Device unterbringt. »Das hat den Vorteil, dass der Kunde sukzessive auf IP migrieren kann«, erläutert Weber.

Damit ist ein weiterer Trend angesprochen: In der Live-Produktion entwickelt sich der Markt stetig in Richtung IP. Ganz praktisch bedeutet das auch, dass zwischen Kamera und Basisstation bei Bedarf viele, viele Kilometer liegen können.

Für den Trend zu IP gibt es es handfeste Gründe, sagt Klaus Weber: »Komplexe Live-Produktionen etwa, bei denen hohe Bandbreiten und flexible Strukturen gefordert sind, lassen sich ohne IP-Technik nur schwer und teilweise gar nicht realisieren. Wir haben IP-Funktionalität in Kameras und Basisstationen so umgesetzt, dass wir etwa Remote Production in bisher unerreichter Form realisieren können.«

Partnerschaften

Grass Valley kooperiert auch in verschiedenen Bereichen mit anderen Unternehmen, um praxisnahe, bessere Lösungen für die Anwendungsfälle der Kunden zu ermöglichen.

So bietet der Kamerahersteller einen Kit für externe Wireless-Entwickler an, auf dessen Basis dann kompaktere, direkt in den Kamerakopf integrierte Wireless-Kamerasysteme entstehen können.

Mo-Sys, Kran
Positions- und Bewegungsdaten von Mo-Sys-Systemen können ins IP-Kamerasignal integriert werden.

Eine Partnerschaft mit Mo-Sys hingegen erlaubt eine bessere Tracking-Lösung, wie man sie etwa in virtuellen Studios benötigt: Die Technik, um die exakte Position einer Kamera feststellen zu können, kann direkt in die Kamera integriert und die entsprechenden Daten ins IP-Kamerasignal integriert werden. Das erlaubt nicht nur kompaktere Lösungen, sondern ist für den Anwender auch viel einfacher zu handhaben, als zwei getrennte unabhängige Systeme zu nutzen und synchronisieren zu müssen.

Net Insight, Nimbra
Nimbra-Systeme können direkt aus dem IP-Kamerasignal das Videosignal extrahieren.

Im Zusammenspiel mit NetInsight entstand ein System für die Remote Production: Nimbra-Systeme extrahieren dabei direkt aus dem IP-Kamerasignal das Videosignal und können es dank J2K-Kompression mit 10% der ursprünglich nötigen Bandbreite übertragen.

eLicensing

Grass Valley gehörte zu den ersten Herstellern im Broadcast-Markt, die eLicensing einführten. Mittlerweile ist diese Funktionalität in alle Kameras der LDX-Reihe integriert. Das bedeutet im Kern, dass sich bei jeder Kamera dieser Linie zusätzliche Funktionalität temporär freischalten lässt: Man zahlt etwa nur dann für 4K, wenn man diese Funktionalität auch nutzt. »Das ist ein Vorteil, dem unsere Kunden gerne zusprechen«, so Klaus Weber.

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