Grass Valley: Kamera-Talk in Breda
Im holländischen Breda entwickelt, wartet und modifiziert Grass Valley seine Broadcast-Kameras. film-tv-video.de hat den Standort besucht.
Markttrends und –tendenzen
Beschleunigung des Wandels
Blickt man im Bewegtbildmarkt auf die großen technischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte zurück — etwa die Einführung des Tonfilms, des Schwarzweiß- und schließlich des Farbfernsehens, sowie von HD — erkennt man, dass die Zeitabstände zwischen diesen Meilensteinen immer kürzer wurden.
Klaus Weber konstatiert, dass diese Beschleunigung des technischen Wandels für die Marktteilnehmer nicht ohne Folgen bleibe. Für die Kunden von Grass Valley etwa führe sie dazu, dass sie aus technischer Sicht immer flexibler werden müssten. Nur dann sei es möglich, effizient auf die Veränderungen des Marktes zu reagieren.
UHD/4K: Viele Neuerungen im Windschatten
Aktuell sieht Klaus Weber in UHD/4K einen entscheidenden Markttreiber, weil hinter diesem Begriff letztlich ein ganzes Bündel unterschiedlicher Entwicklungen steht, das über die reine Auflösungssteigerung hinausgeht.
Die höhere Auflösung ist natürlich ein sehr wichtiger Aspekt, zumal UHD/4K aufgrund der höheren Auflösung 8x mehr Bandbreite als HD benötigt. Das ist nach Webers Meinung auch der größte Hemmschuh, der einer schnellen Einführung von UHD/4K in der Live-Produktion und im klassischen Broadcast-Markt im Weg steht und zu Verzögerungen führt.
Eigentlich ist HDR ein separates Thema, das man auch unabhängig von der Auflösung betrachten und einführen könnte. So gibt es etwa in den USA einen kleinen Trend in Richtung 1080p-HDR. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Kombination eine deutlich sichtbare Bildverbesserung bringt, aber keine höhere Bandbreite in der Übertragung erfordert — und für die US-Kabelnetzbetreiber ist das ein wichtiger Aspekt.
Im Markt werde HDR aber ansonsten meist eng mit UHD/4K assoziiert, erklärt Klaus Weber. In der Kombination sorgen UHD/4K und HDR nicht nur für mehr, sondern auch für »bessere Pixel« veranschaulicht Klaus Weber, dass HDR-Bilder innerhalb einer vorgegebenen Signalrange mehr Kontrast liefern – oder plakativ gesagt: schwärzeres Schwarz und weißeres Weiß.
Mit UHD/4K werden auch bessere, vielfältigere Farben verbunden, die sich mit Hilfe eines erweiterten Farbraums realisieren lassen – technisch als Wide Color Gamut (WCG) umschrieben. Das bringt neue Farbräume mit sich, und die Wandlung zwischen bestehenden und erweiterten Farbräumen kann ebenfalls eine Hürde darstellen, die es in der Live-Produktion zu bewältigen gilt.
Ein weitere Parameter ist HFR, also High Frame Rate, der aus Sicht von Klaus Weber ebenfalls unter das Dach von UHD/4K gehört: die Aufzeichnung mit höheren Frameraten. Der Vorteil bei der Wiedergabe von Bildsequenzen, die mit mehr Bildern pro Sekunde aufgezeichnet wurden, besteht darin, dass diese Bild weniger flimmern, plastischer wirken und mehr Bewegungs- und Detailauflösung bieten. Doch auch hier gilt: HFR-Bilder erfordern höhere Bandbreiten — und das hat, wie all die anderen, genannten Parameter, Auswirkungen auf die Produktion.
Als letztes kommt noch die Überlegung hinzu, ob man nicht auch mit höherer Quantisierung arbeiten sollte: 10, 12 oder 16 Bit über die gesamte Produktionskette wären natürlich ebenfalls ein Qualitätsgewinn.
HDR in der Live-Produktion
»Das Thema HDR kommt aktuell aus der Kinofilmproduktion. Dabei wird oft vergessen, dass die Live-Produktion, die ja einen großen Anteil im Broadcast-Markt ausmacht, in einigen Aspekten ganz andere Anforderungen mitbringt, als eine Kinofilmproduktion«, erklärt Klaus Weber. Damit hebt er darauf ab, dass man in der Kinoproduktion die Verhältnisse am Drehort meist viel besser kontrollieren kann und dass man viel Zeit in der Postproduction darauf verwenden kann, das Beste aus dem Rohmaterial herauszukitzeln.
Dennoch sieht Weber HDR auch in der Live-Produktion als erstrebenswert an: Im Unterschied zu höherer Auflösung oder höheren Frameraten liefert HDR-Technik in vielen Fällen sehr eindrucksvolle Bilder, die auch der unbedarfte Zuschauer sofort als hochwertiger einstuft.»
Im Live-Bereich muss man — etwa in einem Stadion — oft mit den vorhandenen Gegebenheiten klar kommen, was die Lichtverhältnissse betrifft. Man muss zudem reagieren können, wenn sich die Verhältnisse ändern — und zwar in Echtzeit. Daraus hat sich eine ganz eigene Arbeitsweise entwickelt, die in den kino-orientierten Systemen nicht abgebildet ist«, fasst Klaus Weber zusammen. »Es gibt also ganz klar einen Bedarf an besonderen HDR-Kameras und Workflows für die Live-Produktion.«
»In der Live-Produktion wäre es letztlich ein Rückschritt, wenn man mit fest in der Kamera vorgegebenen Gammakurven arbeiten müsste. Man will stattdessen den Look mit Funktionen wie Stretch, Press, Knie und anderen Funktionen, flexibel verändern und die Kurve ganz nach Bedarf verbiegen können — am besten on-the-fly, im Live-Betrieb. Nur so kann man in der Live-Produktion die bestmöglichen Bilder erzeugen.«
Das Ganze muss in der Kamera, ganz am Anfang der Produktionskette passieren, denn nur hier hat man noch den vollen Spielraum. »Moderne Kameras bieten hier noch eine Quantisierung von 34 Bit, da hat man alle Möglichkeiten«, erklärt Klaus Weber. »Ist das im weiteren Signalverlauf erstmal reduziert und kodiert, kann man bei weitem nicht mehr so viel optimieren.«
HDR: welcher Standard?
HDR-Produktionen lassen sich aus der Sicht von Grass Valley im Grunde sogar vergleichsweise leicht umsetzen. Allerdings müsse man sich im Vorfeld über einige Punkte im Klaren sein, wenn man Überraschungen vermeiden wolle.
Wie genau die Umsetzung von HDR auf technischer Seite erfolgen soll, darüber gibt es von der ITU eine Empfehlung namens BT.2100-0. Darin sind zwei Möglichkeiten aufgezeigt, wie man aus Sicht der ITU HDR-Bilder produzieren soll: mit einem Verfahren namens Perceptual Quantization (PQ) oder mit Hybrid Log-Gamma (HLG).
Nach der Einschätzung von Klaus Weber bietet HLG gerade in den dunkleren Bildbereichen mehr Headroom, kämpft aber mit Nachteilen in helleren Bildbereichen. Zudem liefere HLG im Vergleich zu PQ einen geringeren Dynamikumfang — und sei somit möglicherweise weniger zukunftssicher.
Kurzum: Es gebe bei beiden Verfahren Vor- und Nachteile. Was man aber definitiv vermeiden sollte, sei es, die beiden Verfahren in einem Workflow zu kombinieren. Klaus Weber erläutert: »Bei Live-Produktionen sollte man HDR-Konvertierungen vermeiden, weil sich dadurch die individuellen Schwächen des jeweiligen HDR-Verfahrens verstärken.«
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