Broadcast, Live, Site-Report, Sport, Tech-Talk, Top-Story: 08.03.2018

EVS: Synonym für Live-Produktion

EVS ist in der Live-Produktion eine feste Größe und entwickelt seit vielen Jahren Server-, Slomo- und Live-Produktionssysteme für die höchsten Ansprüche in diesem Markt. film-tv-video.de hat das Headquarter in Belgien besucht und Einblicke in das Unternehmen und die neuesten Trends der Live-Sportproduktion erhalten.






Dritter Trend: künstliche Intelligenz
EVS
Künstliche Intelligenz wird in der Produktion wichtiger.

Künstliche Intelligenz (auch KI oder AI genannt), lernfähige Algorithmen, kognitive Funktionalität und Deep Learning: Das sind Schlagworte, die man in jüngster Zeit immer häufiger hört und die aus einem Bereich stammen, in dem es um zumindest bedingt lernfähige Systeme geht, die autonome Entscheidungen treffen, komplexe Prozesse automatisieren oder menschliches Verhalten imitieren.

Wer sich damit noch nicht befasst hat, wähnt dieses Thema oft weit weg: In Wahrheit ist das mittlerweile auch in Bereichen Realität oder zumindest realistisch, an die man vielleicht nicht gleich denkt — auch in der TV-Technik.

EVS befasst sich intensiv damit, auch in Zusammenarbeit mit der Universität Liège. Die folgenden Beispiele zeigen, wie nah und greifbar hierbei erste konkrete Ergebnisse sind.

Automatisierte Produktion
Live-Sportproduktion gilt als eine der Königsdisziplinen im Broadcast-Bereich.

Die Live-Produktion gilt vielen als Königsdisziplin der Produktion: hier muss jeder Handgriff sitzen. Mit höchster Präzision und enormer Geschwindigkeit arbeiten Kameraleute, Ü-Wagen-Besatzungen, Regisseure und Redakteure daran, den jeweiligen Event optimal und live zu übertragen.

Künstliche Intelligenz kann aber auch in diesem Umfeld greifen und Produktionsszenarien könnten sich in Zukunft rasch verändern. Dank Deep Learning sind Computer mittlerweile in der Lage, Daten aller Art und Informationen wie Bilder oder auch Videoaufnahmen zu analysieren und auszuwerten, Muster zu erkennen und auf dieser Basis bestimmte Aufgaben selber zu erledigen. Dabei werden die Computer-Systeme mit jedem Schritt besser – ähnlich wie ein junger Mensch, der Dinge erlernt und seine Fertigkeiten dann im Laufe der Zeit immer weiter optimiert.

Auf dieser Basis lassen sich wiederkehrende Abläufe automatisieren. Das können Teilaufgaben einer TV-Produktion sein, aber das kann möglicherweise auch noch weiter gehen.

EVS, Vounckx
Johan Vounckx leitet das Innovation Lab bei EVS.
Automatic Framing

AI könnte in der Broadcast-Welt beispielsweise interessant werden, wenn es darum geht, Clips automatisiert zu loggen, oder wenn der Computer bei Sportaufnahmen automatisiert erfassen soll, was die Spieler in der jeweiligen Szene tun.

Bei EVS beschäftigt sich im Innovation Lab eine ganze Abteilung mit dieser Thematik. »Die Ergebnisse einiger unserer Tests waren sehr vielversprechend«, sagt Johan Vounckx und erklärt, dass EVS hier ganz unterschiedliche Ansätze verfolge.

Sehr viel verspricht sich der Hersteller von »Automatic Framing« – wenn beispielsweise aus 4K-Ausgangsmaterial unterschiedlichste Ausschnitte generiert werden – etwa für mobile Endgeräte. Um zu testen, wie gut das funktionieren könnte, selektierten Studenten bei Fußballspielen den jeweils wichtigen Bildausschnitt und anschließend wurde die Vorgehensweise der Studenten analysiert. Schon nach einer Lernphase von nur zehn Spielen konnte dann die von EVS hierfür verwendete Software selbst den jeweils passenden, optimalen Bildausschnitt definieren und sehr ordentliche Ergebnisse erzielen.

EVS
Im Innovation Lab entwickelt EVS neue Einsatzmöglichkeiten von KI.

»Nach einer Lernphase von gut 100 Spielen sind die Ergebnisse kaum noch von der Arbeit eines Menschen unterscheiden«, erklärt Johan Vounckx, SVP Technology Innovation.

So vielversprechend diese Resultate sind: Aus der Sicht von Johan Vounckx kommt es beim Einsatz von AI auch ganz entscheiden darauf an, wie die künstliche Intelligenz ausgestaltet werde und welche Arbeitsschritte man in welcher Form automatisieren wolle. »Wir sehen darin eine Unterstützung und Entlastung für die Menschen, die mit diesen Themen befasst sind.«

EVS, Vounckx
Johan Vounckx betont, das KI auch bei Analyse-Systemen eine wichtige Rolle spiele.
Automatic Tracking und Spielanalyse

Eine zunehmend wichtige Rolle spielt künstliche Intelligenz auch bei Analysesystemen, die in der Lage sind, in unterschiedlichen Sportarten den Spielverlauf zu verfolgen und in kritischen Spielsituationen zu helfen, die Regeln korrekt auszulegen.

Für das Referee-System Xeebra etwa plant EVS noch in diesem Jahr eine tiefere AI-Integration als bisher anzubieten, die weit darüber hinausgeht, etwa Abseitslinien korrekt zu ermitteln und einzublenden.

Dabei experimentiert das Innovationsteam bei EVS auch mit einer Auswertung auf Basis geometrischer Formen, was den Aufwand für die Kalibrierung stark reduzieren würde und die Positionierung der Kameras, die Signale für die Referee-Systeme liefern, vereinfacht.

Schnitt, Kameraführung und mehr

Bei der IBC im vergangenen Jahr gab es ein Panel, bei dem Profis aus der Sportproduktion diskutierten, welche Aufgaben künstliche Intelligenz in der Sportproduktion künftig sonst noch übernehmen könnte. Dort wurde unter anderem darüber gesprochen, dass Computer mit Hilfe von AI etwa auch einen ersten Highlight-Schnitt umsetzen könnten. Auch die Arbeit von Kameraleuten kam zur Sprache — und letztlich auch ein komplett automatisierter Live-Schnitt. Werden Bildregisseure und Highlight-Editoren damit überflüssig? Werden Kameras per KI ferngesteuert?

EVS
Produktion ohne Menschen? Genau das soll KI eben nicht tun.

Aus der Sicht der Diskussionsteilnehmer steht das eigentlich nicht an — und auch EVS verfolgt hier einen anderen Ansatz: Man könnte bestimmte Aufgaben automatisieren und so bleibe für den wirklich kreativen Part der Produktion mehr Zeit.

Ebenfalls denkbar: die Produktionen in unteren Ligen oder in Randsportarten, die weniger Zuschauer haben und damit auch nur schlechter vermarktet werden können, werden automatisiert. AI könnte hier helfen, solche Produktionen überhaupt wirtschaftlich realisieren zu können. »Es geht nicht darum, Jobs überflüssig zu machen, sondern mehr Raum für die kreative Arbeit zu schaffen — und darum, mehr Sportveranstaltungen für mehr Zuschauer verfügbar zu machen«, resümiert Nicolas Bourdon.

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