Medientage München 2017: Aktuelle Trends im Überblick
Unter dem Motto »Media. Trust. Machines – Vertrauen in der neuen Mediengesellschaft« setzten sich mehr als 7.000 Kongress- und Messebesucher während der Medientage München 2017 mit aktuellen Trends auseinander. Einige davon greift dieser Beitrag auf.
Deloitte Media Consumer Survey: Zukunft Bewegtbild
Wie sieht die Zukunft von Bewegbildangeboten aus den Bereichen Fernsehen und Internet aus? Linear verbreitete TV-Formate und neue Video-on-Demand Dienste, die ort- und zeitunabhängig genutzt werden können, würden auch künftig gleichberechtigt nebeneinander bestehen.
Wenn die Wünsche und Bedürfnisse der Mediennutzer weiterhin im Fokus der Sender, Streaming-Dienstleister und Over-the-top-Anbieter (OTT) stünden, würden auch in den kommenden Jahren alle Distributionswege gleichermaßen genutzt. Ein Kannibalisierungseffekt sei zu vernachlässigen, weil den Zuschauern und Nutzern insgesamt mehr Zeit für den Medienkonsum zur Verfügung stehe.
Alle Teilnehmer der Panel-Diskussion über die Zukunft von Bewegtbild-Angeboten, die im Rahmen der Medientage München 2017 in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Deloitte stattfand, bestätigten, dass das momentan einzig denkbare Szenario eine Koexistenz der Systeme und Geschäftsmodelle sei.
Zuvor hatte Alexander Mogg, Partner für die TMT-Industrien Telekommunikation, Medien und Technologie bei Deloitte, die Ergebnisse des aktuellen Media Consumer Surveys präsentiert. Deloitte erhebt seit elf Jahren regelmäßig Daten zur Mediennutzung der 14- bis 75-Jährigen in Deutschland. Die Ergebnisse seien, so schilderte Mogg, in einigen Teilen überraschend gewesen.
Die Studie hatte sich erstmals mit der Mediennutzung in Familien befasst. Dabei hätten sich vier Archetypen von familiären Konstellationen ergeben. Die Gruppe der Young Professionals befinde sich in der Phase des Eintritts ins Berufsleben und sei sehr medienaffin. Die klassische Familie sei bereits wirtschaftlich und sozial gefestigt. Die dritte Gruppe werde in der Studie als Empty Nesters bezeichnet und umfasst ältere Paare, deren Kinder bereits das elterliche Umfeld verlassen hätten. Zur Gruppe der Single Seniors zählten schließlich Menschen, die alleinstehend, aktiv und aufgeschlossen ihren Lebensabend verbrächten. Überraschend an der Untersuchung sei gewesen, dass die Nutzung linearer Medienangebote in allen vier Gruppen dominiere. Selbst 77 Prozent der Young Professionals nutzten demnach lineare Angebote. Der Wert steige bei den Empty Nesters auf 97 Prozent. Erstaunlich sei zudem gewesen, dass alle Archetypen ein großes Interesse an sogenannten Short Forms gezeigt hätten.
Kurze Video-Clips, die insbesondere über soziale Online-Netzwerke verbreitet werden, erzielten hohe Akzeptanzwerte bei allen Befragten. Gleichzeitig hätte die Studie ergeben, dass der Wunsch, Video-on-Demand Angebote zu nutzen, bei den älteren Zielgruppen nur marginal ausgeprägt sei. Die Frage, die sich unmittelbar aus den Ergebnissen des Media Consumer Surveys ergebe, sei also die nach der neuen Realität im Medienkonsum, lautete Moggs Schlussfolgerung. Anders formuliert: Werden lineare Formen unterschätzt – dafür digitale nonlineare Angebote überschätzt?
Während der anschließenden Diskussion gingen die Experten auf dem Podium unter anderem der Frage nach, in welchem Maße sich die verschiedenen Formen der Verbreitung monetarisieren ließen. Eun-Kyung Park, Geschäftsführerin der AdFactory (ProSiebenSat.1 Group), berichtete, dass alle Aktivitäten, die ihr Haus vorantreibe, auf einem starken klassischen TV-Sender aufbauten. Pro-SiebenSat.1 schaue gelassen in die Zukunft und sehe keinen gegenseitigen Verdrängungswettbewerb. »Wir platzieren beispielsweise Serienformate zunächst im Online-Bereich und senden sie anschließend im Free-TV. Das funktioniert aber genauso gut andersherum.« Die Frage sei lediglich, welchen Content man erzeugen müsse, um damit relevant auf dem Werbemarkt sein zu können. Mittelfristig sehe sie eine organische Verschmelzung der beiden Säulen der Verbreitung.
Diese Einschätzung teilte auch Olaf Herzig. Der Chief Sales Officer von Brandboost by Divimove bestätigte, dass auch jüngere Zielgruppen weiterhin lineare TV-Angebote nutzten, die um Social Media erweitert würden. Man könne nicht grundsätzlich sagen, dass die Zukunft aus rein nichtlinearen Formaten bestehen würde. Vielmehr werde es eine Vielzahl von Anbietern geben, die sich dem Wettbewerb stellen müssten. Das gelte sowohl für die TV-Branche als auch für Online-Anbieter.
Weil sein Unternehmen den Werbekunden inzwischen eine hoch professionelle Plattform, eine nahezu 100-prozentige Verfügbarkeit und ein markensicheres Webeumfeld bieten könne, würden dort nun auch entsprechende Werbebudgets platziert. Eine lückenlose technische Verfügbarkeit ist auch für DAZN vorrangig, um Kunden zu gewinnen. Der Marketing Director des Video-on-Demand-Anbieters, Benjamin Reininger, zeigte sich zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren das Modell seines Streaming-Dienstes für Sport-Events auch wirtschaftlich erfolgreich sein werde. Das Konzept sei über Ländergrenzen hinweg verfügbar und könne in seiner Leistungsfähigkeit und hinsichtlich der Rechtesituation skaliert werden. Erfolgreich im Mediengeschäft sei auch künftig der, der Kooperationen eingehe, lineare und nicht-lineare Formen verbinde und so Inhalte optimal auf allen verfügbaren Kanälen ausspielen könne.
Der Erfolg von Amazon setze sich aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zusammen, erläuterte Dr. Christoph Schneider. Der Geschäftsführer von Amazon Video Germany verwies darauf, dass sein Unternehmen im Bereich Video mehrgleisig fahre. Durch Kooperationen mit öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland oder internationalen Produktionsfirmen gelinge es, die Kunden des Bezahl-Angebots Amazon Prime umfassend und in bester Qualität zu bedienen. Das Unternehmen berücksichtige dabei zunehmend den Wunsch der Abonnenten nach lokalen Formaten, also Serien oder Filmen, die einen Bezug zu ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit hätten.
Auf die abschließende Frage nach einer Vision für den Markt des Bewegtbildes zeigten die Experten während der Medientage München 2017 ebenfalls Einigkeit: Die Angebote würden in jedem Fall internet-basiert sein. Das treffe auch für lineare Formen zu. Darüber hinaus werde es zu einer weiteren Fragmentierung der Inhalte und Kanäle kommen. Letztlich behielten alle Angebote ihre Daseinsberechtigung, solange sie sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientierten. »Die Menschen haben einfach mehr Zeit, um Medieninhalte zu konsumieren – jeder kann also seinen Platz finden«, resümierte Park.
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