Top-Story, Trend, Veranstaltung, eSports: 09.11.2017

Medientage München 2017: Aktuelle Trends im Überblick

Unter dem Motto »Media. Trust. Machines – Vertrauen in der neuen Mediengesellschaft« setzten sich mehr als 7.000 Kongress- und Messebesucher während der Medientage München 2017 mit aktuellen Trends auseinander. Einige davon greift dieser Beitrag auf.






Virtual, Augmented und Mixed Reality
Virtuelle Experimente mit Zukunftsperspektive
Medientage 2017
Großes Thema: Virtual-Reality-Anwendungen und 360-Grad-Videos.

Spätestens seit dem vergangenen Jahr sind Virtual-Reality-Anwendungen und 360-Grad-Videos im Mainstream angekommen – der richtige Zeitpunkt also für eine kritische Analyse zum Thema Virtual Reality (VR). Mit diesem Hinweis begann Prof. Christian Malterer, Fachbereichsleiter für Digital Film Design an der Mediadesign Hochschule in Berlin, seinen einleitenden Vortrag in einer Experten-Diskussion zum Thema Immersion. Malterer vertrat die These, dass immersive Medienerlebnisse schon immer das Ziel eines jeden Mediums gewesen seien – auch ein Buchautor wolle schließlich, dass seine Leser vollständig in der Welt seiner fiktiven Figuren versinken. Insofern seien immersive Erlebnisse weniger von der Technologie als von einer guten Story abhängig.

In Panels und Vorträgen wurden die Virtual-Reality-Anwendungen thematisiert.

Der Experte schilderte gelungene Anwendungsbeispiele von Virtual Reality, darunter den Illusion Walk in Berlin — und weniger gelungene, wie den VR-Shop des chinesischen E-Commerce-Marktführers Alibaba.

Malterer zeigte auch die Bemühungen einzelner Anbieter, VR-Spiele zu Gemeinschaftserlebnissen zu machen und die Nutzer damit aus ihrer sogenannten »Happy Isolation« zu befreien.

Medientage 2017
Lutz Knappmann Head of Editorial Innovation, Süddeutschen Zeitung Digitale Medien.

Lutz Knappmann, Head of Editorial Innovation von Süddeutsche Zeitung Digital Medien, beschrieb im Anschluss die VR-Projekte, die von der SZ-Redaktion bislang realisiert wurden. Es seien acht verschiedene Reportagen in 360-Grad-Optik gedreht worden, die Nutzer über die VR-App der Süddeutschen Zeitung ansehen könnten.

Den Auftakt bildete im Juli 2016 eine VR-Reportage von der Messe Bauma, wo die Reporter den Zuschauern einen ungewohnten Blick in die größten Baumaschinen der Welt boten. Es folgten Filme über die Favelas in Rio de Janeiro, über ein Rettungsboot für Flüchtlinge auf dem Mittelmeer und eine Orchesterprobe mit den Münchner Philharmonikern.

Größten Zuspruch habe bislang das VR-Video über die zukünftige Architektur und Ausstattung von drei Münchener S-Bahnhöfen der neuen S-Bahn-Stammstrecke gefunden. Knappmann wertete dies als Beleg dafür, dass Menschen VR-Reportagen nicht nur wegen der Technik konsumieren würden, sondern wegen der Storys, die sie persönlich beträfen.

Der TV-Programmanbieter Arte zählt ebenfalls zu den klassischen Medienunternehmen, die schon frühzeitig mit VR-Anwendungen experimentiert haben. Nach Angaben von Kay Meseberg, Head of VR/360 bei Arte, hat sich der Sender bereits 2014 dazu entschieden, seinen Zuschauern entsprechende Angebote zu unterbreiten. Dahinter stehe die Überzeugung, dass VR für das Fernsehen eine Plattform mit großer Zukunftsperspektive sei. Meseberg stellte in seinem Vortrag den aktuellen VR-Trend in einen historischen Kontext und betonte, dass schon seit vielen Jahrzehnten mit 360-Grad-Perspektiven experimentiert werde. 

Die Technik ist da: Willkommen in der immersiven Medienwelt

Welche Bedeutung sogenannte immersive Ausspielkanäle wie Virtual, Augmented und Mixed Reality für ihr jeweiliges Business haben, wurde bei einer Panel-Diskussion von Digital-Experten deutlich. Noch befinde man sich bei diesen realitäts-nachbildenden Anwendungen in der Anfangsphase, doch die Technik sei inzwischen weit fortgeschritten. Nun gelte es vor allem, den Nutzern echten Mehrwert zu bieten. An potenziellen Kunden bestehe kein Mangel, berichtete Maik Herrmann, Client Service Director von Publicis Pixelpark.

Medientage 2017
Michael Zawrel, Senior Product Manager Mixed Reality & HoloLens, Microsoft Deutschland; Torsten Hoffmann, Co-Founder Virtual Content Group; Maik Herrmann, Client Service Director, Publicis Pixelpark / BVDW; Thomas Hallet, WDR Programmbereich Internet, Innovation Lab; Stephan Heininger, Leiter Virtual Reality, Deutsche Telekom; David Bomphrey, Director of Strategic Partnerships, EMEA, Jaunt VR; Kristian Kerkhoff, Managing Partner Demodern; Bolela Likafu, Vorstand Erster Deutscher Fachverband für Virtual Reality (EDFVR).

Neue Studien prognostizierten bis 2020 etwa 4,25 Milliarden Endverbraucher, die immersive Inhalte auf ihren Devices rezipieren könnten. In der Werbung gebe es bereits zahlreiche Beispiele, doch Herrmann schränkte ein: »Was fehlt, ist die Nachhaltigkeit. Wir verdienen damit noch kein Geld – wir sind noch in einer frühen Marktphase«.

Medientage München 2017
Thomas Hallet, WDR Programmbereich Internet, Innovation Lab.

Wie Inhalte für den Endverbraucher umgesetzt werden können, dokumentierte Thomas Hallet vom WDR-Innovation Lab mit dem WDR-Angebot »Kölner Dom in Virtual Reality«. Das mit dem Grimme Online Award 2017 ausgezeichnete Projekt ermöglicht dem Nutzer unter anderem eine Zeitreise. So kann er beispielsweise virtuell die Nachkriegszeit rund um den Kölner Dom erleben. Sein Sender müsse sich für solche Projekte eine besondere Agilität aneignen, sagte Hallet. Es brauche andere Qualifikationen, ein anderes Teamwork. Es ergäben sich neue Fragestellungen etwa bei der Usability und bei der Verbreitung der Inhalte.

Vor allem in der Rolle des Verbreiters von immersiven Inhalten sieht sich die Deutsche Telekom. Stephan Heininger, Leiter des Bereichs Virtual Reality, berichtete, dass das Unternehmen auch selbst im Bereich 360 Grad aktiv sei. »Es muss den Nutzern Spaß machen, es muss ihnen einen Mehrwert bringen«, sagte Heininger. Noch sei man in der »Awareness-Phase – die Monetarisierungs-Phase kommt später«. Allerdings sei es durchaus eine Hürde für die Nutzer, die entsprechende VR-Brille aufzusetzen.

Vielfältige Erfahrungen mit Virtual Reality hat bereits David Bomphreys Firma Jaunt VR gesammelt. Der Director of Strategic Partnerships erwähnte die Bereiche News, Sport, Entertainment und Branded Content als besonders interessant. VR biete viele Möglichkeiten des Storytellings und eigne sich sehr gut dafür, eine emotionale Bindung mit dem Nutzer herzustellen. Allerdings sei es »zehnmal schwieriger, immersive Inhalte zu produzieren als ein normales Video«.

Auf langjährige Erfahrungen in diesem Segment kann auch Torsten Hoffmann, Co-Founder at Virtual Content Group VCG, verweisen. Hoffmann konstatierte, dass die Technik immer besser und günstiger werde: »Macht euch keine Sorgen um diese Headsets – es werden Milliarden von allen großen Companys in bessere Hardware investiert, das ist keine Hürde!«. Seine Firma VCG biete beim Thema VR die ganze Wertschöpfungskette an. Was nach seinen Beobachtungen nicht funktioniere, sei Virtual Reality im Studio, also bei TV-Shows, oder im Low-Budget-Bereich.

Kristian Kerkhoff, Managing Partner der Digitalagentur Demodern, zeigte, wie sich der Nutzer in einer virtuellen Wohnumgebung seine Möbel bei Ikea interaktiv zusammenstellen kann. Für Dräger, einen Anbieter von Sicherheitstechnik, produzierte seine Agentur ein VR-Erlebnis, bei dem der Nutzer interaktiv und spielerisch in etwa sieben Minuten die Funktionsweise der Dräger-Produkte bei einem Unfall auf einer Ölplattform kennenlernen kann.

Medientage 2017
Bolela Likafu, Vorstand Erster Deutscher Fachverband für Virtual Reality (EDFVR).

Michael Zawrel, Senior Product Manager Mixed Reality & HoloLens bei Microsoft Deutschland, platzierte mit der Mixed-Reality-Brille HoloLens einen Astronauten im virtuellen Raum und ließ das Auditorium daran teilhaben.

In Bezug auf die Nutzer hielt Zawrel es für besonders wichtig, »die technologischen Einstiegshürden zu senken«. Doch was wird sich durchsetzen: Augmented oder Virtual Reality? Auf diese Abschlussfrage von Moderator Bolela Likafu, Vorstand Erster Deutscher Fachverband für Virtual Reality, antworteten die Teilnehmer der Panel-Diskussion übereinstimmend: Es werde eher eine Mischung von beiden geben. Zawrel prognostizierte, »dass wir in ein paar Jahren überhaupt nicht mehr von AR oder VR sprechen werden. Es wird Geräte geben, die einfach alles können.«

Virtual Reality stellt neue Anforderungen an das Storytelling
Medientage 2017
VR und AR können auch für Werbungtreibende äußerst interessant sein, was bei einer Experten-Diskussion deutlich wurde.

Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) sind nicht technische Spielereien, die nur von Gamern intensiv genutzt werden. Sie können auch für Werbungtreibende äußerst interessant sein, was bei einer Experten-Diskussion im Rahmen der Medientage München 2017 deutlich wurde.

Aleksandra Solda-Zaccaro von der Geschäftsleitung der Agentur Territory schilderte die positiven Erfahrungen, die sie mit entsprechenden Anwendungen im Auftrag von Kunden bislang gemacht habe. So habe ihre Agentur für DB Mobil, das Kundenmagazin der Deutschen Bahn, eine AR-Anwendung entwickelt, die den Comedian Jan Böhmermann als »lebendes Titelbild« inszenierte. Für den Kunden TÜV Süd seien komplexe Dienstleistungen über 360-Grad-Videos verständlich inszeniert worden.Und auch die Automarke Lamborghini, die bislang eine Zeitschrift produzieren ließ, investiert in Virtual Reality. Über eine entsprechende App konnte man den Sportwagen virtuell nicht nur sehen, sondern auch fahren und den Sound seines Motors hören.

Bislang befinde man sich beim Content Marketing, das auch AR- und VR-Welten integriere, allerdings erst am Anfang, so die übereinstimmende Ansicht der Diskussionsteilnehmer. Patrick Breitenbach, Head of Brand Consulting & Strategic Innnovation von ZDF Digital, gab an, dass man mit eher dokumentarischen VR-Aufnahmen wie Mount-Everest-Expeditionen, einem Rundgang durch das Weiße Haus mit dem Präsidenten-Ehepaar Obama oder journalistischen Reportagen aus Krisengebieten den größten Zuspruch erhalten habe.

Medientage 2017
Christian Gersmeier Director Strategic Marketing, ProSiebenSat.1 Media; Holger Koenig Geschäftsführer, Königsfilm; Goran Minov Innovation Manager, Deutsche Bahn; Aleksandra Solda-Zaccaro Geschäftsleitung, Territory München.

In erster Linie eigneten sich VR-Videos für Aufnahmen aus Gegenden, die der Zuschauer sonst nicht betreten könne, weil sie zu schwer zu erreichen oder zu gefährlich seien oder eine Reise dorthin schlicht zu teuer sei. Christian Gersmeier, Director Strategic Marketing bei ProSiebenSat.1 Media, erinnerte daran, dass Virtual-Reality-Produktionen völlig neue Anforderungen an das Storytelling stellten. Anders als in anderen Medien müsse das Drehbuch mehrdimensional angelegt sein, weil VR-Inhalte dem Nutzer durch dessen höchst individuelle Nutzung die unterschiedlichsten Perspektiven und Zugangsmöglichkeiten bieten müssten. Gleichzeitig dürfe man Rezipienten durch die vielen technischen Möglichkeiten nicht überfordern und müsse durch Einstellungen und Schnitt eine virtuelle Reise strukturieren.

Ähnlich argumentierte Solda-Zaccaro: »VR und AR sind ein vollkommen anderer Kanal als das, was wir bisher kannten. Das Storytelling bekommt eine völlig neue Bedeutung.« Ein Problem bei der werblichen Nutzung stellt nach Meinung der Diskussionsteilnehmer der bisherige Mangel an belastbaren Daten über die Erfolge und Wirkung von VR-Videos und 360-Grad-Filmen dar. Patrick Breitenbach wies darauf hin, dass es stets die erste Hürde sei, den Kunden, die bislang keine Erfahrung mit Virtual Reality gemacht haben, die neuen Möglichkeiten nahezubringen. Beim ZDF habe man deshalb einen Showroom eingerichtet, wo Kunden interaktive Anwendungen testen könnten. Die meisten ließen sich dann für entsprechende Projekte begeistern.

Trotz erster Erfolge und positiver Erfahrungen wurde im Laufe der Diskussion deutlich, dass VR, AR und 360-Grad-Videos noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Alle Experten attestierten VR- und AR-Applikationen indes ein großes Potenzial. Anders als die 3D-Technologie könne Virtual Reality, so unterstrich Gerstmeier, tatsächlich die nächste Evolutionsstufe des Fernsehens darstellen.

Seite 1: Wachstumsmarkt E-Sports
Seite 2: Virtual, Augmented und Mixed Reality
Seite 3: Sport künftig nur noch im Pay-TV?
Seite 4: Deloitte Media Consumer Survey: Zukunft Bewegtbild
Seite 5: Potenziale von Sprachassistenten
Seite 6: Mit 5G in die Medienökonomie 4.0

Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller, red

Bildrechte
Medientage München (15), Nonkonform (10), Archiv

Schlagwortsuche nach diesen Begriffen
Top-Story, Trend, Veranstaltung, eSports