Branche, Report, Top-Story, Trend: 13.08.2014

4K-Special: Braucht man spezielle 4K-Objektive?

Darüber, ob man für optimale 4K-Qualität auch spezielle 4K-Objektive braucht, oder ob das alles nur Marketing-Geblubber ist, gibt es ganz verschiedene Meinungen. Dieser Artikel versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, ohne einer Ideologie anzuhängen oder zu weit in Physik und Optik einzutauchen.

Derzeit gibt es einen ungewöhnlichen Objektivtrend im Produktionsmarkt: Es werden wieder verstärkt Optiken aus dem Filmbereich genutzt, die schon 30, 40 oder noch mehr Jahre auf dem Buckel haben. Das gilt besonders im szenischen Bereich, hier aber für HD-, wie für 4K-Produktionen. Woran liegt das und ist das überhaupt sinnvoll?

Der Hintergrund liegt darin, dass viele Kameraleute einen »anderen Look« erzielen wollen. Schaut man von der technischen Seite auf dieses Bestreben, besteht eines der Probleme darin, dass sich der gesuchte Look nicht notwendigerweise mit Messwerten dingfest machen lässt. So wird oft von einem kalten, zu scharfen oder »zu digitalen« Bildeindruck neuer Kameras gesprochen, den man brechen wolle. Besonders bei der Aufnahme von Hautpartien, wünschen sich viele Anwender eine weichere, wärmere, softere Bildwiedergabe. Außerdem geht es in vielen Fällen um das Aussehen der bewusst unscharfen Bildbereiche: Das »Bokeh« soll weich und harmonisch aussehen, es soll die wichtigen, scharf wiedergegebenen Bildelemente isolieren, sie aber dennoch ins Gesamtbild einbetten und nicht wie ausgeschnitten wirken lassen.

Das sind lauter ästhetische Kriterien, die man nicht mit ein oder zwei Messwerten erfassen kann – und das macht die Sache komplex.

Um den von vielen Anwendern angestrebten Look zu erreichen, werden nun also ältere Filmobjektive vor moderne Digitalkameras geschnallt und es gibt auch das Re-Housing, also den Einbau alter Linsensysteme in moderne Objektivgehäuse (siehe NAB-Video).

Ergibt das alles einen Sinn? Beschneidet man damit nicht die Bildqualität und macht die Bilder technisch gesehen schlechter als es möglich wäre? Möglicherweise: Aber geht es letztlich bei der Filmproduktion nicht ohnehin um die künstlerische Gestaltung von Bildern, zumindest wenn man von szenischen Produktionen spricht? Und kann man überhaupt pauschal behaupten, nur mit speziellen 4K-Objektiven sei auch optimale 4K-Qualität zu erreichen?

Größenverhältnisse

Grundlegend gilt natürlich, dass das Objektiv vom Mount und vom Bildkreis her zur jeweils verwendeten Kamera passen muss.

Einen direkten Zusammenhang zwischen 4K-Fähigkeit und Mount gibt es nicht, dennoch weisen die meisten 4K-Kameras und die meisten auf diesen Markt zielenden neuen Objektive einen PL- oder EF-Mount auf. Einige Kameras sind wahlweise mit PL– oder mit EF-Mount verfügbar und auch die Objektivhersteller sind teilweise flexibel und überlassen dem Kunden die Wahl, ob er die Objektive mit PL-, EF- oder einem anderen Mount haben/nutzen will.

Ein weiterer Aspekt besteht dabei darin, dass das Thema 4K zwar nicht zwingend mit dem Einsatz eines einzelnen, großen Sensors in der Kamera verbunden ist, dass in der Realität aber die meisten 4K-Kameras auch SLS-Kameras (Single Large Sensor) sind. Viele Kamerahersteller orientieren sich bei der Sensorgröße von SLS-Kameras derzeit ungefähr am Super-35-Bildfenster. Das misst 24,89 mm x 18,66 mm (siehe auch Artikel »Alles 4K«).

Überwiegend wird man also im professionellen 4K-Bereich mit Objektiven arbeiten, die einen EF-Mount oder einen PL-Mount aufweisen und einen Bildkreis ausleuchten, der für S35 ausreicht. Da aber die Sensorgrößen der Kameras nicht genormt sind, muss man jeweils genau schauen – und am besten vorab selbst testen – ob das jeweilige Objektiv auch tatsächlich das Bildfenster der jeweiligen Kamera komplett ausleuchtet. Viele ältere Filmobjektive sind relativ genau auf einen Bildkreis von etwas mehr als 27 mm Durchmesser ausgerichtet, während die meisten aktuellen Objektive einen größeren Bildkreis von bis zu 31,5 mm Durchmesser ausleuchten.

Wählt man unter diesem Aspekt das falsche Objektiv, kann es – auch wenn rein mechanisch alles passt – zu Abschattungen in den Randbereichen und zu verschiedenen, auch deutlich sichtbaren Abbildungsfehlern kommen.

SD- und HD-Videoobjektive

Allein schon wegen der im 4K-Bereich am weitesten verbreiteten Mounts und Größenverhältnisse, scheiden klassische Videoobjektive in der Regel für die Verwendung an 4K-Kameras aus. Das ist eigentlich auch besser so, denn diese Objektive wurden, besonders wenn sie schon älter sind, für Aufnahmesysteme mit geringerer Auflösung konzipiert — und dafür teilweise absichtlich so konstruiert, dass die optische Leistung oberhalb der jeweiligen Systemgrenze rasch abfällt. Das hat neben Kostenaspekten auch den Grund, dass früher verwendete Bildwandler teilweise Farb- oder Moiré-Störungen produzierten oder andere Probleme aufwiesen, wenn sie sozusagen mit »zu guten« Objektiven kombiniert wurden.

Aber es gibt schließlich Adapter und Sonderfälle: So wird man sich etwa schwertun, ein 100fach-Zoomobjektiv mit PL- oder EF-Mount zu finden. Möchte man ein Objektiv mit diesem Brennweitenbereich aber einsetzen, um etwa ein Fußballspiel in 4K aufzuzeichnen, wird man wohl oder übel ein HD-Objektiv mit Adapter nutzen und möglicherweise daraus resultierende Einbußen bei der Bildqualität akzeptieren müssen. Das wurde schon verschiedentlich bei Pilotproduktionen realisiert — mit durchaus beachtlichen, respektablen Ergebnissen.

Fotoobjektive

Hochwertige Fotoobjektive erreichen und übertreffen durchaus die Anforderungen, die 4K in puncto Auflösung und Kontrastwiedergabe an ein Objektiv stellt. Schließlich bieten etliche der teureren Fotoapparate heute schon mehr als 4K an Auflösung und dazu müssen ja auch die Objektive passen.
Von den rein optischen Leistungen her gibt es also im Fotobereich durchaus Objektive, die man auch für 4K-Bewegtbildaufnahmen nutzen kann. Der Vorteil besteht darin, dass diese meistens auch noch einfacher und günstiger zu haben sind und im Markt in größerer Zahl und Staffelung verfügbar sind.

Aber es gibt auch Nachteile: Die Abbildungsfehler solcher Objektive, die bei der Standbildfotografie weniger stören oder sich leicht von der Kameraelektronik korrigieren lassen, können bei Bewegtbildaufnahmen störend sichtbar werden. Verzerrungen etwa stören bei Schwenks oft viel stärker als bei einem Standbild. »Focus Breathing« oder »Atmen«, also kleine Veränderungen des Bildausschnitts beim Scharfstellen, stören in der Fotografie in der Regel nicht, beim Filmen können sie aber ästhetisch unschön sein und durchaus auch für technische Probleme in der Postproduction sorgen.

Außerdem entsprechen Ergonomie und Funktionalität von Fotoobjektiven oft nicht dem, was im Bewegtbildbereich üblich ist. Das fängt bei der Position und Art von Beschriftungen an und geht über die Größe und Lage von Zahnkränzen weiter. Bei Cine-Objektiven sind zudem üblicherweise die Drehwinkel der Einstellringe für Schärfe, Blende und Brennweite wesentlich größer als bei Fotoobjektiven, außerdem müssen diese Ringe extrem gleichmäßig laufen, weil sie in der Regel manuell bedient werden und jedes Anlaufruckeln störend wäre.

Beim Filmen mit Zooms ist es außerdem sehr vorteilhaft, wenn die Objektive keines oder nur ganz geringes Ramping aufweisen, also die maximale Öffnung am weitwinkligen und Tele-Ende des Brennweitenbereichs möglichst gleich ist — was viele Fotoobjektive nicht erreichen.

Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass Fotoobjektive im Betrieb oft relativ laute Geräusche produzieren, wenn Blende, Schärfe und Brennweite motorisch eingestellt werden.

Das Handling kann also auch bei Fotoobjektiven, die von der Abbildungsleistung gut im 4K-Bereich verwendbar wären, ein Nachteil sein.

35-mm-Filmobjektive

Wieso nicht vorhandene Filmobjektive verwenden, um in 4K zu produzieren? Die gibt es schon lange im Markt, sie haben sich bei den Rental-Anbietern längst amortisiert, können also auch vergleichsweise günstig angemietet werden. Außerdem bieten sie den von vielen gewünschten, soften Look.

35-mm-Film erreicht nach landläufiger Auffassung 6 bis 8K Auflösung: Was an Objektiven dafür gut genug war, das sollte eigentlich auch für 4K ausreichen, so die Logik dahinter.

Das ist prinzipiell sicher nicht falsch, aber es gibt ein paar Aspekte, die man berücksichtigen sollte. Einer davon ist der, dass es in den vergangenen 50 Jahren auch bei den Objektiven eine permanente Weiterentwicklung gab. Sicher nicht so rasch und sprunghaft wie im Elektronikbereich, aber eben doch signifikant. Mehr Rechnerleistung bei der Konstruktion, neue Maschinen in der Produktion und neue Materialien für die Objektive selbst — etwa bei der Vergütung — haben Spuren hinterlassen.

Insofern sprechen die meisten Experten davon, dass die hochwertigeren unter den Objektiven, die vor dreißig oder zwanzig Jahren auf den Markt kamen, durchaus ausreichende Auflösung und Kontrast bieten, um im 4K-Bereich eingesetzt zu werden. Was älter ist, bringt Abstriche mit sich – die können künstlerisch gewünscht sein, aber man sollte eben damit rechnen.

Ein Aspekt dabei: Die maximale Abbildungsleistung in puncto Auflösung und Kontrast bieten die meisten älteren Filmobjektive nur dann, wenn man sie nicht mit maximal geöffneter Blende nutzt, sondern um zwei bis drei Blendenstufen abblendet. Bei diesen und höheren Blendenwerten erreichen tatsächlich sehr viele ältere Filmobjektive die für 4K nötige Auflösung – selbst in den Randzonen. Das dafür notwendige Abblenden wird zudem heutzutage dadurch wieder kompensiert, dass digitale Kameras viel lichtempfindlicher sind, als die früher meistverwendeten Filmemulsionen. Dennoch bedeutet es, dass man möglicherweise mit älteren Objektiven mehr Licht braucht, als mit neueren.

Moderne Digital-Objektive

Auch wenn man prinzipiell sicher auch viele ältere Objektive für 4K-Produktionen einsetzen kann, hat es auch Vorteile, auf neuere Objektive zu setzen. Damit sind in diesem Artikel Cine-Objektive gemeint, die in den vergangenen ungefähr zehn Jahren in den Markt eingeführt wurden. Praktisch alle diese Objektive eignen sich auch für 4K-Produktionen — so sagen es zumindest zahlreiche Hersteller und unabhängige Spezialisten.

Gegenüber älteren Filmobjektiven haben die neueren Vorteile, die aus der fortschreitenden technischen Entwicklung resultieren. Das gilt etwa beim Thema chromatische Aberration, einem optischen Effekt, der im Bild zu Farbsäumen an Objektkanten führen kann. Hier hat sich in der Objektiventwicklung und -fertigung viel getan: Bei sehr hochwertigen Objektiven sind heutzutage Materialien und Beschichtungen der einzelnen Linsen eines Objektivs so aufeinander abgestimmt, dass keine oder nur minimale Farbsäume sichtbar sind. Das ist deshalb wichtig, weil bei der Vorführung in 4K solche Fehler deutlich mehr auffallen.

Auch der »Fall Off«, also der Helligkeitsabfall zu den Bildrändern hin, ist bei modernen Objektiven deutlich geringer ausgeprägt, als bei älteren. Das Gleiche gilt auch für das oben schon beschriebene Focus Breathing und das geringe oder vollkommen eliminierte Ramping. Auch in puncto Streulichtvermeidung innerhalb der Optik können neue Konstruktions- und Produktionsmethoden deutliche Vorteile bieten.

Weitere Aspekte liegen darin, dass nur moderne Objektive mit den modernen digitalen Kameras kommunizieren können und auf diesem Weg Objektivdaten als Metadaten mit dem Bildmaterial gespeichert werden können, was für die Postproduction essenziell sein kann.

Ein anderer Gesichtspunkt besteht in der Konstruktionsweise: Bei älteren Objektiven ist es üblich, dass die Lichtstrahlen am hinteren Ende fächerförmig austreten. Moderne Objektive sind hingegen so konstruiert, dass die Lichtstrahlen parallel austreten (der Fachausdruck lautet »telezentrisch«, die hier gewählte Erklärung ist stark vereinfacht).

Telezentrische Objektive eignen sich wesentlich besser für elektronische Bildsensoren, Probleme wie Shading und Farbübersprechen fallen dabei viel geringer aus. Praktisch alle modernen Objektive sind telezentrisch.

Außerdem: Die maximale Abbildungsleistung in puncto Auflösung und Kontrast erreichen die besten modernen Objektive auch mit vollkommen offener Blende.

Weitere Trends

Um am Set effizienter und schneller arbeiten zu können, werden zunehmend Zoomobjektive genutzt: Nicht, um damit Zoomfahrten realisieren zu können, sondern sozusagen verschiedene Bildwinkel mit nur einem Objektiv realisieren zu können. Zooms werden also zunehmend als »variable Festbrennweiten« verwendet.

Der Spielfilmmarkt verlangt stets auch nach anamorphotischen Objektiven, um Cinemascope-Filme herstellen zu können. Auch hier gibt es diverse Hersteller von Festbrennweiten, die moderne, auf digitale Kameras abgestimmte Objektive anbieten, die 4K-Auflösung schaffen. Einige Hersteller produzieren mittlerweile auch anamorphotische Zoomobjektive mit höchsten Auflösungen. Dazu gehören etwa Arri/Zeiss und Angénieux.

Sowohl was die Baugröße, als auch was Preise betrifft, sind diese Objektive eher dem szenischen Markt vorbehalten.

Look-Fragen

Kommen wir zum Schluss noch einmal zum Look zurück: Die meisten Anwender finden das Bokeh von Objektiven — dessen Aussehen in Wahrheit auf vielen Faktoren beruht — dann als besonders schön, wenn die Blende im Objektiv aus vielen Lamellen besteht, die Blendenöffnung also möglichst stark einem Kreis angenähert ist. Elf und mehr Lamellen bieten die in dieser Hinsicht als beste Objektive betrachteten Optiken.

Generell ist es in jüngerer Zeit immer öfter so, dass der »Look«, den ein Objektiv produziert, den Anwendern wichtiger ist, als die Auflösung oder andere technische Messwerte.

Lieber selbst testen

Schon wegen der verschiedenen Sensor- und Bildkreisgrößen und wegen der Look-Fragen empfiehlt es sich, im Zweifel lieber selbst das Zusammenspiel einer bestimmten Kamera und eines bestimmten Objektivs auszuprobieren.

Anwender, die das tun, berichten zudem, dass immer wieder ganz unvorhergesehene Effekte in positiver wie negativer Richtung auftreten, wenn man ein und dasselbe Objektiv an unterschiedlichen Kameras verwendet: Da wird von Fotoobjektiven berichtet, die an Kamera A Spitzenergebnisse reproduzieren und an Kamera B einen eher schwachen Eindruck hinterlassen. Auch kann es passieren, dass ein teures, sehr hochwertiges »analoges« Filmobjektiv ein schlechteres Bild ergibt, als ein preisgünstigeres Digitalobjektiv. Beides ist sicher nicht der Regelfall, aber es kommt eben immer mal wieder vor.

Wie kann das sein? Zum einen gibt es eben ganz unterschiedliche Sensoren und zum anderen auch ganz unterschiedliche Bildprozessoren und Algorithmen mit denen aus dem, was der Sensor abgibt, die Bilder errechnet werden. So ist es ein offenes Geheimnis, dass heutzutage Objektivfehler teilweise in der Kameraelektronik entfernt werden: Da sind etwa die Funktionen CAC und Alac, mit denen Panasonic und Sony chromatische Aberrationen auf digitalem Weg reduzieren, nur zwei von ganz vielen Beispielen. Und manchmal passen eben die Abbildungsleistung eines bestimmten Objektivs und die digitale Signalverarbeitung einer bestimmten Kamera besonders gut zusammen – und mal besonders schlecht.

Also: Probieren geht über Studieren.

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11.09.2014 – 4K-Special: Aktuelle 4K-Objektive
12.08.2014 – 4K-Special: Alles 4K
10.09.2014 – 4K-Special: Angénieux-Objektive
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29.08.2014 – 4K-Special: Cooke-Objektive
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23.08.2014 – 4K-Special: Leica-Objektive
11.09.2014 – 4K-Special: Aktuelle 4K-Kameras
18.04.2014 – NAB2014-Video: P+S Technik Lens-Rehousing
10.01.2013 – Übersichtstabelle PL-Zoomobjektive