Pandora 2013: Das Neue und das Alte
Neue Technologien bringen in der Regel neben neuen Möglichkeiten auch eine neue Terminologie mit. Da aber das Neue das Alte nur selten schnell und vollständig ablöst, bleiben meist auch die alten Arbeitsweisen und Begriffe erhalten. Auf diese Weise ist letztlich auch die Unübersichtlichkeit entstanden, die momentan in der Bewegtbildtechnik herrscht.
Den Ehrgeiz, ständig auf dem Laufenden zu bleiben, was die neuesten Entwicklungen im Akquisitionsbereich betrifft, den scheinen immer mehr Anwender zu verlieren: Das Karussell mit neuen Produkten und Formaten dreht sich mittlerweile so schnell, dass sich viele längst geistig ausgeklinkt haben: Man beschäftigt sich erst dann mit der neuen Technik, wenn konkret eine Kaufentscheidung ansteht — oder wenn man eben konkret mit einem neuen Gerät konfrontiert wird.
Das ist letztlich nur konsequent: Wer Löcher bohren will, der muss schließlich auch nicht ständig den gesamten Bohrmaschinenmarkt in- und auswendig kennen. Es genügt ja, wenn man weiß, wo man nachschauen oder nachfragen kann, wenn es so weit ist, dass man eine neue Maschine braucht oder benutzen will.
Formate en masse
Kein Wunder: Allein bei Sony sprechen wir — nur im HD-Bereich — über NXCAM, XDCAM EX, XDCAM HD, XDCAM HD 422, HDCAM und HDCAM SR, ergänzt und verkompliziert durch diverse Speichermedien (Professional Disc, Memory Stick, SD– und SxS-Speicherkarte, SR-Memory) und File-Systeme (UDF und FAT). Ganz neu hat Sony nun noch den Codec XAVC und das Speichermedium AXSM hinzugefügt.
Auch Panasonic war fleißig und hat mit AVCHD, DVCPROHD, AVC-Intra (mit verschiedenen Datenraten) und zuletzt mit der Codec-Familie AVC-Ultra seinen Teil zur Bereicherung der HD-Landschaft beigetragen. JVC und Canon haben ebenfalls noch ihre eigenen Geschmacksrichtungen file-basierter Formate hinzugefügt, ergänzt wird das Ganze noch durch die Raw-Formate von Arri, Red und einigen anderen.
Hat man sich prinzipiell für eine Kamera oder einen Camcorder mit einer der vorgenannten Kombinationen aus verschiedenen Parametern entschieden, dann ist man immer noch nicht auf der sicheren Seite, denn die Pflicht, Entscheidungen zu treffen, sie geht noch weiter: Bei vielen Geräten können heute Bildrate, Raster, Kompressionsverfahren und Datenrate verändert werden und die Aufzeichnung kann in verschiedenen File-Formaten auf diverse Speichermedien erfolgen.
So gilt es also in vielen Fällen, am Gerät selbst das Raster (1.920 x 1.080, 1.440 x 1.080, 1.280 x 720), die Bildrate (23,98, 24, 25, 29,97, 30, 50, 59,94, 60 Hz), die Art der Bildfolge (progressive, interlaced) und vielleicht auch noch das Kompressionsverfahren und die Datenrate zu wählen (Eventuell auch indirekt in Form einer der Qualitätsstufen MXP, FXP, XP+, SP und LP). Wollen Sie ganz prinzipiell lieber mit konstanter oder variabler Bitrate aufzeichnen?
Keinen Bock auf Zahlen, Codecs, Algorithmen?
Verständlich, dass Menschen, die sich eigentlich mit der Bildgestaltung und dem Erzählen durch bewegte Bilder beschäftigen wollen, keine Lust haben, sich im Detail in diesen Themenbereich einzuarbeiten. Das Problem dabei ist nur, dass die am Anfang der Kette getroffenen Entscheidungen massiven Einfluss auf die weitere Verarbeitung und auf die im Endergebnis letztlich mögliche Bildqualität haben. Also wird man in der Praxis nicht umhin können, sich zumindest grob mit diesem Themenkomplex zu beschäftigen.
Dabei entscheidet man sich heutzutage automatisch eher für eine Arbeitsweise und einen Workflow, als für ein Videoformat. Die mit diesem Artikel verbundenen Beiträge von film-tv-video.de sollen dabei als Navigationshilfe dienen. Dabei steht Praxisnähe im Fokus.
Schließlich sind die Grenzen heute in vielen Bereichen fließend. So wird etwa vieles, was aus dem Consumer-Bereich kommt, auch im Profibereich eingesetzt: Da wird mit Fotoapparaten und Action-Cams vom Schlage einer GoPro gedreht. Außerdem kommen DSLRs, Handheld- und Schultercamcorder zum Einsatz, aber auch digitale Filmkameras unterschiedlichster Bauformen und Typen. Alles scheint möglich — und doch ist es so, dass man sich deutlich leichter tut und in der Regel auch bessere Ergebnisse erzielt, wenn man mit dem jeweils richtigen, passenden Werkzeug arbeitet. Ja, das kann auch mal eine GoPro oder ein Fotoapparat sein, aber es gibt eben bis heute kein Universalwerkzeug, das wirklich für alle Zwecke richtig und passend wäre.
Sparen? Aber bitte an der richtigen Stelle
Sollte man also nicht einfach jeweils das Beste einsetzen, was man bekommen kann? Natürlich sollte man das, aber es gibt eben in der Regel auch finanzielle Rahmenbedingungen, die diesen Ansatz limitieren. Also muss gespart werden. Wer aber an der falschen Stelle spart, der zahlt später doppelt und dreifach dafür – mit Geld, mit Zeit, mit Qualität. Wenn man etwa in der Postproduction mit einem wilden Materialmix aufschlägt, dann muss eben hier transkodiert, gewandelt, angepasst, optimiert und korrigiert werden – und das macht sich weder von alleine, noch kann man sicher sein, dass es immer optimal erledigt wird.
Vorher zu wissen, worauf man hinaus will, vereinfacht die ganze Sache ungemein, denn dann kann man den ganzen Prozess bis zum Ende durchdenken und durchspielen. Ein Fotoapparat und sogar ein Handy kann das richtige Aufnahme-Equipment für ein Projekt sein — es kann aber eben auch zu völlig unverhältnismäßigen Relationen innerhalb einer Produktion und zum totalen Desaster führen. Ob man andererseits Berge von Raw-Daten generieren muss, um am Ende ein Web-Video zu erzeugen, ist in den meisten Fällen genauso fraglich.
Gibt es nicht schon genug Standards, Formate, Codecs und Wrapper? Das sind natürlich durchaus berechtigte Fragen, die sich ganz sicher viele Anwender stellen, denn sie sind es ja, die sich in der Praxis durch ein immer dichteres, undurchschaubares Gestrüpp aus Parametern und Eckdaten kämpfen müssen, um überhaupt noch durchzublicken und praktisch arbeiten zu können. Die Hersteller sehen das natürlich anders, sprechen von wachsenden Anforderungen in puncto Auflösung, Datenraten, Bildraten, die man erst mal bewältigen müsse – und sie führen auch gern das Argument an, man müsse die Möglichkeiten erweitern und den Endkunden Wahlmöglichkeiten bieten.
So steht mit »Ultra HD« also der vierfachen HD-Auflösung mit 3.840 x 2.160 Bildpunkten die nächste Runde der Erneuerung und Erweiterung schon vor der Tür: mit neuen Geräten, neuen Formaten und neuen Übertragungswegen.
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