Kugelpanoramen mit der Wurfkamera
Einen Blick auf die Umgebung werfen, das geht jetzt im wahren Wortsinn: Die Ballkamera wird hochgeworfen und am höchsten Punkt der Wurfbahn schießen 36 integrierte Kameras gleichzeitig jeweils ein Foto. Diese Teilbilder werden dann zu einem passgenauen Kugelpanorama zusammengesetzt. Dieses kann am Rechner angeschaut werden, ähnlich wie bei Google-Streetview.
Wenn Jonas Pfeil mit dem Ball spielt, geht es nicht um Sport. Sein Ball erzeugt, wenn er in die Luft geworfen wird, ein Kugelpanorama-Foto. Mit dem Prototypen und einer Patentanmeldung sucht Pfeil nun Lizenznehmer für die Serienproduktion und Weiterentwicklung.
»Im Urlaub auf Tonga hatte ich Panorama-Aufnahmen gemacht. Man dreht sich im Kreis, macht mehre Fotos. Die werden später im Rechner zusammengesetzt. Das dauert sehr lange. Ich hatte dann die Idee, dass man etwas hochwerfen müsste, um das Bild auf einmal aufzunehmen.« Aus der Idee wurde das Projekt seiner Abschlussarbeit »Throwable Camera Array for Capturing Spherical Panoramas« im Fachgebiet Computer Graphics der Technischen Universität Berlin (Prof. Dr. Marc Alexa, Prof. Dr. Bernd Bickel). Im Rahmen der Arbeit entstand ein Prototyp, der etwa so groß ist wie ein Handball und rund 750 Gramm wiegt. Das Skelett, das die Kameramodule und die Elektronik trägt, besteht aus Nylon, außen schützen grüne Schaumstoff-Pads den Ball und erleichtern das Auffangen.
36 Kameramodule, wie sie in Handys verwendet werden, schießen Bilder mit je zwei Megapixel Auflösung. Die Stromversorgung erfolgt mit Lithium-Polymer-Akkus. »Ein Sensor misst die Abwurfbeschleunigung. Daraus kann man die Abwurfgeschwindigkeit berechnen – und daraus mit Schulphysik, wann der Ball seinen höchsten Punkt erreicht. Dann werden die Kameras ausgelöst«, erläutert Jonas Pfeil den Auslöseprozess. Dadurch, dass die Teilbilder gleichzeitig enstehen, können Bildsprünge und Wischeffekte vermieden werden, wie sie bei sequenziell aufgenommenen Panorama-Teilfotos entstehen, wenn sich Bildobjekte bewegen. Die Fixfokus-Optiken der Kameramodule sorgen im Zusammenspiel mit der Auslösung am höchsten Punkt der Flugkurve zudem dafür, dass das Bild rundum scharf ist.
Die 36 JPEG-Bilder werden im Ball zwischengespeichert und anschließend über eine USB-Schnittstelle ausgelesen. Im Computer kann man die Fotos als CubeMap – entsprechend den sechs Seiten eines aufgeklappten Würfels – zu einem Gesamtbild montieren.
»Der Betrachter steckt quasi in der Mitte eines Kugelpanoramas und schaut sich darin um«, erläutert Jonas Pfeil. Die zweidimensionale Ebenen-Projektion am Bildschirm führt freilich — wie bei Landkarten — zu Verzerrungen. »Man kann sich das auch so vorstellen: Wenn man eine Orange schält, kann man die Schale nicht flach auslegen, ohne sie zu knautschen …«
Für das Betrachten der Ballkamerafotos wurde ein eigener Viewer entwickelt, mit dem man auch auf Bilddetails einzoomen kann. Auf Grundlage des CubeMap-Formats sind aber auch viele im Netz verfügbare Panorama-Viewer geeignet. Das Stitching – das Zusammenführen der Einzelaufnahmen samt Ausgleich der Überlappungszonen – hält Pfeil für wenig problematisch.
»Die Ursprungsidee war, dass die Kamera nur tennisballgroß sein sollte. Sie ist gewachsen bei der Entwicklung«, kommentiert Pfeil die Größe der Kamera mit ironischem Unterton. Noch handelt es sich ohnehin um einen Prototypen: Wenn sich Lizenznehmer finden, könnte ein Serienprodukt deutlich kleiner sein, als diese erste funktionierende »Pfeil-Kamera«.
Zu filmisch-dokumentarischen Anwendungen gab es bereits Anfragen bei den TU-Studenten, die dieses Projekt realisierten.