Final Cut Pro X: Weniger ist mehr?
Das ehemals fast schon universell einsetzbare und umfangreich ausgestattete Editing-Programm Final Cut hat der Hersteller Apple in der neuesten Version um wesentliche professionelle Features beschnitten — mit dem Ziel, das Programm einfacher und intuitiver nutzbar zu machen. Sehr viele Final-Cut-Anwender verfolgen und kommentieren diese Entwicklung mit großer Skepsis. film-tv-video hat versucht, davon unbeeinflusst ein eigenes Bild von Apples neuer Schnitt-App zu gewinnen: ein Überblick und eine Bewertung der wichtigsten Neuerungen.
Viel hat man gelesen und gehört, seit der Veröffentlichung von Final Cut Pro X Ende Juni. Und in den meisten Fällen war nur wenig Gutes darunter, sondern die Kritik und die Enttäuschung der Anwender überwog — trotz der Versicherungen von Apple, dass nach dem tiefen Einschnitt mit der jüngsten Version in Zukunft wieder ganz neue, bessere Features möglich werden sollen.
Viele professionelle Nutzer äußerten sich enttäuscht, zum Beispiel wegen unzureichender externer Monitoring-Möglichkeiten, die auch daraus resultieren, dass bisher unterstützte Hardware mit der neuen Software nicht mehr nutzbar ist. Kritik gab es wegen fehlender EDL– und OMF-Unterstützung, sowie der weitgehenden Inkompatibilität zur Vorgängerversion und zu vorhandenen Projekten. Neben dem reduzierten Funktionsumfang für den professionellen Bereich wird zudem das neue Bedienkonzept eher skeptisch betrachtet und häufig mit der Oberfläche von Programmen wie iMovie und iPhoto verglichen.
Die Konkurrenz — besonders in Form von Avid und Adobe — hat darauf schon reagiert und versucht Final-Cut-Anwender mit attraktiven Crossgrades ins jeweils eigene Lager zu ziehen.
Eckdaten
Final Cut Pro X wurde laut Apple komplett neu als 64-Bit-Programm aufgesetzt. Somit kann FCPX nun auf größere Speicherbereiche zugreifen und ermöglicht dadurch die schnellere Verarbeitung großer Datenmengen. In der neuen Version unterstützt Final Cut nun endlich auch mehr aktuelle Videoformate nativ. Beispielsweise müssen H.264-Dateien, also auch AVCHD-Files, nicht mehr zwangsläufig in Apples ProRes-Codec transkodiert werden. Ein weiteres Feature, auf das viele Anwender ebenfalls gewartet haben, ist das nun eingeführte Background-Rendering und Background-Processing. Um die Performance weiter zu steigern kann FCPX jetzt Rechenaufgaben auf die GPU auslagern und nutzt die zusätzliche Leistung von Mehrprozessorsystemen.
Mit der von Grund auf neuen Software-Architektur hat sich aber auch die Bedienoberfläche radikal verändert. Im Besonderen in den Bereichen Medien- und Projektverwaltung, sowie in der Bedienung des Timeline-Schnitts müssen sich bisherige Nutzer von Final Cut mit neuen Konzepten vertraut machen und stark umgewöhnen.
Im Gegensatz zur früheren Version wurde das Programmpaket in seiner Vielfältigkeit jedoch auch in einigen Bereichen abgespeckt. Zusatzprogramme wie DVD Studio Pro, Soundtrack Pro, Cinema Tools oder auch Color sind nicht mehr verfügbar. Stattdessen bietet Apple nun noch die beiden optionalen Programme Motion 5 sowie Compressor 4 als Ergänzung zu Final Cut Pro X an.
Die Schnitt-Software selbst wurde gleichzeitig um einige zentrale, professionelle Funktionen reduziert. Beispielsweise wurde in Final Cut Pro X auf die in professionellen Umgebungen genutzten Import- und Exportfunktionen für EDL-, OMF– oder AAF-Dateien verzichtet. Auch die früher vorhandene XML-Unterstützung ist nicht zu finden. Ebenso werden Monitoring- und Capture-Lösungen von vielen Drittanbietern zum aktuellen Zeitpunkt nicht unterstützt (etwa die MXO-Boxen von Matrox), weshalb eine Verwendung im Broadcast-Bereich momentan nur sehr eingeschränkt möglich ist. Aufgrund der massiven Veränderungen in der Struktur des gesamten Programms ist es auch nicht möglich, alte Final-Cut-Studio-Projekte in FCPX zu öffnen und weiter zu bearbeiten.
Die Final Cut Pro X Software ist im Apple App-Store für knapp 240 Euro als Download verfügbar. Die den Funktionsumfang erweiternden Programme Motion 5 sowie Compressor 4 sind für je knapp 40 Euro im App-Store zu haben. FCPX läuft ab MacOS 10.6.7.
Installation
Das Laden des Programms läuft ausschließlich über den App-Store von Apple, es gibt keine Box-Version mit DVDs mehr. Mit einer einigermaßen flotten Internet-Verbindung gehen Download und Installation des gut 1,3 GB großen Final Cut Pro X vergleichsweise zügig, einfach und unkompliziert über die Bühne — so wie man das auch von »kleineren« Apps gewöhnt ist.
Motion und Compressor lassen sich ebenfalls auf diese Weise in Betrieb nehmen. Diese beiden Programme sind optional und müssen nicht zwangsläufig gekauft und installiert werden, um Final Cut zu nutzen.
Für einen stabilen Betrieb empfiehlt Apple, FCPX nicht parallel auf der gleichen Partition wie das Vorgängerprogramm Final Cut Studio zu betreiben. Will man aber nicht sein gesamtes System neu aufsetzen und zudem das alte Prgramm Final Cut Studio weiter verwenden, dann verschiebt der FCPX-Installer sämtliche Final Cut Studio Programme in einen separaten Ordner. Auf dem Testrechner funktionierte das alte Final Cut Studio an seinem neuen Speicherort dann aber weiterhin wie gewohnt. Zeitgleich lassen sich die alte und die aktuelle Final-Cut-Version jedoch nicht betreiben.
Direkt nach der Installation wird empfohlen, ein Software-Update durchzuführen bei dem der Nutzer in der Summe nochmals rund 1,8 GB an »ergänzenden Inhalten« herunterlädt. Es handelt sich hierbei um Vorlagen, Toneffekte und Medien für Motion und FCPX. Außerdem werden Codec-Updates installiert.
Benutzeroberfläche
Gleich auf den ersten Blick wird klar, dass die neue Version von Final Cut nur noch wenig mit der Vorgängerversion zu tun hat. Die Benutzeroberfläche erinnert stark an die aktuelle Version von Apples Videoschnitt-Einsteigersoftware iMovie. Verglichen mit anderen professionellen Schnittprogrammen finden sich bei FCPX relativ wenige Buttons oder Werkzeug-Paletten. Auch der Dialog »Voreinstellungen« ist mit wesentlich weniger Optionen ausgestattet, als dies noch in Final Cut Studio der Fall war.
Durch den reduzierten Funktionsumfang gestalten sich auch die per Menüleiste anwählbaren Optionen kompakter. Source- und Record-Monitor sind einem einzigen Viewer-Fenster gewichen, in dem nun einerseits die Quellclips, die jetzt »Ereignisse« heißen, gesichtet und mit In- und Out-Punkten versehen werden. Andererseits dient der Viewer zur Darstellung der Timeline-Clips, also des geschnittenen Projekts. Die neue »Magnetic Timeline« enthält keine fest vorgegebenen Video- und Audiospuren. Clips und Inhalte werden frei bewegt und arrangiert. Final Cut Pro X wirkt zunächst also relativ »schlank« und recht übersichtlich.
Auch das neu eingeführte »Skimming« ist eine Anleihe aus iMovie: Hierbei können durch »überfliegen« mit dem Mauszeiger einzelne Clips oder ganze Projekte abgespielt werden. Man bewegt die Maus über den Clip und die Wiedergabe erfolgt — ohne zu klicken oder eine Abspieltaste zu drücken — in einer der Mausbewegung entsprechenden Geschwindigkeit. So lässt sich durchaus schnell eine bestimmte Einstellung auffinden, und es kann auch von Vorteil sein, wenn der Abspielmarker an seiner Position in der Timeline verbleibt, während per »Skimming« andere Timeline-Bereiche gesichtet werden. Allerdings hat die Bedienung durch das »Skimming« eine gewisse Hyperaktivität, da jeder Clip sofort losläuft, wenn man ihn versehentlich mit der Maus berührt — das kann Nerven kosten. Video- und Audio-Skimming kann auf Wunsch unabhängig voneinander aktiviert und deaktiviert werden. Somit ist in der Timeline nach wie vor die gewohnte Navigation, auch per J-K-L-Tasten, möglich.
Das Interface von Final Cut Pro X kann kaum an die persönlichen Anforderungen und Vorlieben angepasst werden. Es ist nicht möglich, nur bestimmte Fenster zu öffnen, diese frei anzuordnen und deren Darstellung als Preset zu speichern, wie das in älteren FCP-Versionen ging. Die Benutzeroberfläche hat hingegen ein festgelegtes Layout, das sich nur minimal verändern lässt. Auch im Betrieb mit zwei Monitoren ist es nur möglich, entweder den Viewer oder die so genannte »Ereignis-Mediathek« auf den zweiten Monitor zu legen. Auf einem kleinen Laptop-Display kommt man mit der vorgegebenen Platzaufteilung zwar ganz gut zurech, dennoch wäre es wünschenswert, gerade für fortgeschrittene Benutzer hier eine personalisierte Fensteranordnung zu bieten und so ein effizienteres Arbeiten zu ermöglichen.
Medien- und Projekt-Organisation
Neben einer neuen Benutzeroberfläche führt Apple bei Final Cut Pro X auch ein neues Konzept für die Verwaltung von Projekten und Medien ein. Sämtliche importierte Medien werden nun in einer »Ereignis-Mediathek« verwaltet. Ähnlich wie in iPhoto kann der Nutzer im linken Bereich der Mediathek eine Struktur aus Ordnern und Sammlungen anlegen, um seine Medien zu organisieren, zu sortieren und zu durchsuchen. Diese Struktur wird auch tatsächlich auf die Festplatte geschrieben und ist über den Finder einsehbar. Es empfiehlt sich aber, sämtliche Änderungen in der Mediathek über die FCPX Software vorzunehmen, da ansonsten die Verknüpfungen von Final Cut zu den Originalclips verloren gehen können.
Rechts neben der »Ereignis-Mediathek« befindet sich die »Ereignis-Übersicht«. Hier werden die in einer Sammlung oder einem Ordner enthaltenen Clips, also »Ereignisse«, als Listen- oder wahlweise als Filmstreifendarstellung gezeigt. Wird ein Clip angewählt, können In- und Out-Punkte gesetzt werden, entweder per Tastenkürzel oder durch das Ziehen einer Bereichsauswahl über den Clip. Verglichen mit Final Cut Studio wirkt das Setzen von In- und Out-Punkten etwas grob, da die Punkte nicht unterhalb des Viewers auf einem Zeitlineal dargestellt werden, sondern wie in iMovie als gelber Rahmen. Zudem ist die Angabe der Dauer des ausgewählten Bereichs nur sehr klein im unteren Bereich der »Ereignis-Übersicht« zu erkennen. Mit etwas Übung und den entsprechenden Shortcuts bekommt man jedoch eine ausreichend genaue Auswahl hin, die sich dann in der Timeline weiter trimmen lässt. Ärgerlich ist allerdings, dass sich das Programm die letzte Bereichsauswahl, die auf einen Clip in der »Ereignis-Übersicht« angewendet wurde, nicht merkt. Wird ein Clip nach dem Setzen von In- und Out-Punkten versehentlich deaktiviert und danach erneut angeklickt, so müssen auch In- und Out-Punkte neu gesetzt werden.
Gut gelungen sind in der »Ereignis-Übersicht« hingegen die umfangreichen Möglichkeiten im Bereich des Metadaten-Editings, wie auch die Verschlagwortung (Tags) von Clips. Es ist sogar möglich, nur Teilbereiche eines Clips mit bestimmten Schlüsselwörtern zu versehen. Weiter lassen sich »intelligente Sammlungen« erstellen, denen die Clips dann aufgrund ihrer Bewertung oder ihrer Schlüsselwörter zugeordnet werden. Auch die Suchfunktionen der Mediathek sind hilfreich und sehr ausgereift.
Die »Ereignis-Mediathek« wird somit nur zum Import und der Verwaltung von Footage genutzt. Will man nun Material aus der »Ereignis-Mediathek« schneiden und bearbeiten, so muss der Anwender auf die »Projekt-Mediathek« zugreifen, in der die einzelnen Projekte organisiert werden. Hier können neue Projekte ebenfalls in Ordnern angelegt werden. Die hier festgelegte Struktur wird, wie schon bei den »Ereignis-Mediatheken«, vom Betriebssystem auf die Festplatte geschrieben. In der Mediathek-Übersicht können die einzelnen Projekte schnell und komfortabel wiedergegeben werden, auch mittels »Skimming«. Per Doppelklick öffnet sich das Projekt in der Timeline und kann bearbeitet werden. Es kann zu jedem Zeitpunkt nur ein Projekt geöffnet sein.
Beide Mediatheken funktionieren unabhängig voneinander. Somit ist es möglich, in jedem Projekt auf alle in der »Ereignis-Mediathek« hinterlegten Medien zuzugreifen. Video-, Audio- und Bilddateien sind nicht an ein bestimmtes Projekt geknüpft. Früher mussten hier oft mehrere Projekte geöffnet werden, um auf die Clips eines anderen Projektes zugreifen zu können — was schnell zu unübersichtlichen Situationen führte. Auch wenn die getrennte Verwaltung von Projektdateien und Footage durch die Mediatheken in FCPX zunächst etwas umständlich erscheint, bietet diese Lösung durchaus Vorteile: bei konsequenter Benennung von Sammlungen und Ordnern entsteht so ein übersichtliches Medien- und Projektarchiv, das schnell durchsucht werden kann. Allerdings lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, wie FCPX mit großen Mediatheken umgehen kann. Diese entstehen ja zwangsläufig, denn die Mediatheken wachsen mit jedem neuen Projekt.
Sowohl für die »Ereignis-Mediathek« als auch die »Projekt-Mediathek« nutzt FCPX eine fest vorgegebene Verzeichnisstruktur. Genauer legt Final Cut hier im Benutzerordner von OS X die beiden Verzeichnisse »Final Cut Events« und »Final Cut Projects« an. Innerhalb dieser Ordner werden dann die vom Anwender erstellten Ereignisse und Projekte gespeichert. Legt man seine Ereignisse und Projekte nicht auf dem Startvolume, sondern auf einer anderen Partition oder einer externen Festplatte an, so erstellt Final Cut die beiden Ordner auf der obersten Verzeichnisebene des ausgewählten Laufwerks. Diese Einstellung lässt sich nicht ändern. Das kontinuierliche Speichern von Ereignissen und Projekten übernimmt Final Cut automatisch. Es gibt keinen Speichern-Befehl in FCPX. Um verschiedene Projekt-Versionen zu sichern, muss man daher über die »Projekt-Mediathek« das aktuelle Projekte duplizieren. Somit wird von FCPX auch auf Dateiebene ein neues Projekt erstellt.
Die »Magnetic Timeline« und erweiterte Timeline-Funktionen
Wie bereits zuvor erwähnt, verfolgt Apple in Final Cut Pro X nun auch ein etwas anderes Editing-Konzept, als man es von früheren Versionen her kennt: Anstelle einer Timeline mit fest definierten Video- und Audiospuren, in die das ausgewählte Material bewegt wird, arbeitet FCPX mit der »Magnetic Timeline«. Mit diesem Begriff umschreibt Apple die Möglichkeit, sämtliche Medien frei in der Timeline bewegen und angeordnen zu können. Dabei gibt es keine vorher festgelegten Spuren für Video oder Audio.
Vielmehr muss man sich die Timeline wie eine Anordnung aus verschiedenen »Handlungen« vorstellen. Der erste Clip, der in die Timeline eingefügt wird, bildet demnach die so genannte »primäre Handlung«. An diese »primäre Handlung« lassen sich horizontal nun weitere Clips anfügen. Hat man seinen ersten Handlungsstrang bis zu einer gewünschten Einstellung fertiggestellt, so kann man ober- oder unterhalb der »primären Handlung« so genannte »verbundene Clips« in die Timeline bewegen. Neben Videoclips und Fotos kann es sich hierbei auch um Titel oder Audioclips handeln. Diese Clips haften an einem definierten Punkt an der »primären Handlung«. Wird die Handlung nun innerhalb der Timeline verschoben, so bewegt sich auch der Clip mit. Bei einer »normalen« Timeline würde hier die Beziehung zwischen den Spuren verlorengehen. Außerdem ließe sich sich der primäre Handlungsstrang nicht ohne weiteres als komplette Handlung verschieben. Es müsste zunächst aufwändig markiert und verschachtelt werden. An dieser Stelle liegt im Grunde der Vorteil des neuen Konzeptes: Durch die verbundenen, sozusagen »magnetischen« Clips, welche standardmäßig an der Handlung kleben, können komplette Timeline-Abschnitte einfach verschoben und neu platziert werden, ohne dass die Synchronität innerhalb eines Handlungsbereichs verlorengeht.
Darüberhinaus ist es möglich, ausgewählte Clips in der Timeline beliebig zu verschachteln, also zusammenzufassen. Hierdurch will man erreichen, komplexe Projekte mit vielen Spuren zu vereinfachen und so den Überblick zu behalten. Per Doppelklick können die verschachtelten Clips dann bearbeitet werden.
Für das genaue Anpassen der Schnittmarke zwischen zwei Clips bietet FCPX innerhalb der Timeline den »Präzisions-Editor«. Im Grunde ersetzt dieses Werkzeug den Trimm-Editor aus Final Cut Studio. Dem Anwender werden in dieser Ansicht direkt in der Timeline die ungenutzten Bereiche der beiden an den Schnitt angrenzenden Clips gezeigt. Der Anfang oder das Ende des Clips lässt sich auf diese Weise getrennt oder gemeinsam verschieben.
Eine weitere in die Timeline integrierte Funktion sind »Auditions«. Diese Funktion wird in der deutschen Version etwas unbeholfen mit »Hörprobe« übersetzt. Sie bietet die Möglichkeit, an einer Stelle der Timeline mehrere Versionen von Clips zusammenzufassen und auf Wunsch zwischen diesen unterschiedlichen Clips zu wechseln. Beispielsweise können so verschiedene Einstellungen ausprobiert werden, ohne die alten Clips jeweils löschen zu müssen und die neuen dann an der selben Stelle einzufügen. Stattdessen zieht der Anwender den Alternativclip einfach auf die Stelle des ursprünglichen Clips. Beide Clips werden zusammengefasst und können nach Bedarf ausgewählt werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet wäre der Vergleich von zwei gleichen Einstellungen, die jedoch mit unterschiedlichen Effekten bearbeitet wurden. Die »Auditions«-Funktion ist ein durchaus interessantes und hilfreiches Feature, zudem kann man es sehr intuitiv nutzen.
Der Videoschnitt in der neuen Timeline braucht Übung. Das »Feeling« ist nicht vertraut und das Bearbeiten mehrerer Spuren wird schnell unübersichtlich, zumindest bis der Nutzer die neue Logik verinnerlicht hat. Zudem wirken die »Animationseditoren« unübersichtlich. Dabei handelt es sich um ausklappbare Fenster, die an den Clips hängen. Über diese lassen sich Effektparameter per Keyframing steuern. Ein separater Keyframe-Editor, der sich frei anordnen und in seiner Größe anpassen lässt, wäre hier die bessere Lösung. Es wird spannend sein zu sehen, ob sich das neue Timeline-Konzept etablieren kann oder Einfluss auf zukünftige Entwicklungen im NLE-Bereich hat.
Außerdem neu in FCPX
Neben den neuen Timeline-Funktionen bietet FCPX weitere Features, durch die es sich von der Vorgängerversion unterscheidet. Gerade im Bereich der Effekte und Titel-Presets bietet FCPX ein großes Angebot. In Kombination mit der Echtzeit-Vorschau kann man hier sehr komfortabel nach den gewünschten Übergängen und Generatoren suchen. Bei vielen der Effekt- und Titel-Presets ist es zudem möglich, diese direkt aus dem Effekt-Browser in Motion 5 zu laden und dort zu editieren. So können aus den Presets individuellere Effekte und Titelanimationen abgeleitet werden.
Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die vielen Analysefunktionen, die FCPX bietet. So kann das Programm Videoclips zum Beispiel auf Personen, Einstellungsgrößen oder Verwackeln untersuchen. Bei DSLR-Footage kann es zudem Sinn ergeben, die integrierte »Rolling-Shutter«-Analyse zu aktivieren. Audiodateien können beispielsweise auf Hintergrundgeräusche und Brummen untersucht und automatisch korrigiert werden. Weiter bietet FCPX verschiedenste Videoscope-Anzeigen, die das Videosignal grafisch darstellen.
Performance, Import und Formate
film-tv-video.de testete Final Cut Pro X auf einem aktuellen Mac Book Pro mit Intel i7-Prozessor, 8 GB RAM sowie der AMD Radeon Grafik mit 1 GB VRAM. Das Betriebssystem OS X war mit Version 10.6.8 auf dem zum Testzeitpunkt neuesten Stand. Die Geschwindigkeit und Echtzeitleistung von FCPX war beeindruckend. Selbst komplexe Stilisierungseffekte konnten auf AVCHD/H.264-codiertes Material in Echtzeit angewendet und ohne Rendering wiedergegeben werden. Auch das Background-Rendering war überzeugend. Diese Geschwindigkeit und umfangreiche Echtzeit-Fähigkeit bringt durchaus Vorteile, da man so wesentlich kreativer mit Effekten, Titeln und Überblendungen umgehen kann. Verwendet man Footage in Apples ProRes-Codec, so steigert sich die Verarbeitungsgeschwindigkeit nochmals, da FCPX auf die Verarbeitung von ProRes-Dateien optimiert ist.
Quicktime-kompatible Dateiformate können auch als einzelne Dateien importiert werden. Der Nutzer gibt beim Dateiimport an, ob eine Proxy-Version (ProRes Proxy) oder eine optimierte Version (Pro Res 422) der Datei transkodiert werden soll. Wird keine der beiden Optionen gewählt, stellt FCPX lediglich eine Verbindung zur nativen Datei her und verarbeitet diese in ihrem Originalformat. Das Wandeln in eine Proxy- oder eine optimierte Version kann auch zu jedem späteren Zeitpunkt über die »Ereignis-Übersicht« geschehen.
Neben dem Import unterschiedlicher Mediendateien können auch sogenannte Kamera-Archive importiert werden. Diese Variante des Imports entspricht in etwa dem früheren »Log and Transfer«-Dialog. Footage kann hier direkt von der Speicherkarte einer Kamera übertragen oder als Speicherkarten-Backup von der Festplatte geöffnet werden. Entscheidend ist dabei, ob die ursprüngliche Verzeichnisstruktur des Camcorders mit der Kamera-Import-Option kompatibel ist. Apple bietet eine Support-Seite, auf der die Camcorder-Modelle eingesehen werden können, mit denen der Kamera-Import-Dialog funktioniert. Der Kamera-Import-Dialog ähnelt in seinem Aussehen stark der Import-Funktion aus iMovie. Vielleicht sind daher auch die »Logging«-Möglichkeiten des neuen Dialogs sehr begrenzt: Lediglich beim Einzelimport eines Clips oder einer Videodatei ist es möglich, In- und Out-Punkte zu setzen. Will man mehrere Quellclips auf einmal importieren, so können keine Teilbereiche dieser Clips markiert werden. Der Nutzer muss alle Clips importieren.
Auch das Capturing von bandbasiertem HDV– und DV-Material über die Firewire-Schnittstelle wird unterstützt. Allerdings ist hier keine spezielle Gerätesteuerung nutzbar. Daher ist ebenfalls kein Loggen von Clips möglich. Vielmehr muss der Camcorder auf »Play« geschaltet werden, während FCPX das Material in Form einer einzigen Datei speichert. Diese lässt sich dann in der »Ereignis-Übersicht« in einzelne Clips zerlegen. Wie eingangs angesprochen, gibt es derzeit keine Unterstützung für Capture-Karten anderer Anbieter. Hier muss also zunächst der Weg über die Capture-Software des betreffenden Herstellers gegangen werden und das so eingespielte Material als Quicktime-kompatible Datei in FCPX geholt werden.
Bisher gibt es auch noch keine native Unterstützung für XDCAM-Footage. Im Test wurde unter anderem auch versucht, Material von einer EX1 zu importieren. Dafür muss der Nutzer das Material in Sonys XDCAM-Transfer-Software laden. Diese verpackt XDCAM-Dateien in einen .mov-Container und macht sie so kompatibel für FCPX. Der Ordner mit den gesammelten .mov-Dateien lässt sich dann wiederum im Kamera-Import-Dialog öffnen. Auch .mxf-Dateien können noch nicht direkt importiert werden und müssen zunächst in einen .mov-Container übertragen werden.
Probleme
Während des Programmtests kam es immer wieder zu unvermittelten Abstürzen, beispielsweise beim Wechsel in den »Präzisions-Editor«. Provozieren, reproduzieren und nachvollziehen ließen sich die Abstürze jedoch nicht: Mal passierten sie bei bestimmten Aktionen und mal nicht. Auch Darstellungsfehler im Effekt-Browser traten vergleichsweise häufig auf. So wurden zum Beispiel immer wieder einzelne Effekt-Kategorien nicht dargestellt und waren nicht anwählbar.
Zudem zeigte sich ein Problem mit dem Colorsync-Workflow: Während des Tests fiel auf, dass der FCPX-Viewer Video- und Fotomaterial viel zu dunkel und extrem übersättigt wiedergab. Wurde das Material jedoch aus Final Cut exportiert, zeigte sich keine Veränderung in Helligkeit oder Farbe. Es stellte sich heraus, dass die fehlerhafte Darstellung innerhalb von FCPX mit einem Colorsync-Profil zu tun hatte, das als ICC-v4-Profil gespeichert war. Mit Profilen der Version 4 hat Final Cut offensichtlich noch Probleme. Denn nach dem Wechsel auf ein ICC-v2-Profil wurden die Helligkeiten und Farben im Viewer korrekt dargestellt.
Fazit
Mit Final Cut Pro X zielt Apple auf ein breiteres Publikum und bewegt sich eindeutig weg von den Bedürfnissen professioneller Anwender. Zum momentanen Zeitpunkt ist die Software in Broadcast-Umgebungen aufgrund mangelhafter Unterstützung für externes Monitoring und Capture-Karten wohl kaum zu gebrauchen. Auch der fehlende EDL- und OMF-Export, sowie die nicht vorhandene XML-Unterstützung werden in vielen professionellen und eingespielten Workflows vermisst werden. Ebenso hinderlich für den professionellen Einsatz ist die fehlende Möglichkeit, Projekte der Vorgängerversion importieren oder öffnen zu können.
Interessant könnte FCPX hingegen für einzelne Schnittplätze oder Projekte sein, die durchgehend auf einem Rechner bearbeitet werden und in keine Studioinfrastruktur eingebunden sind. Auch Anwender, die mit kleinem Set-Up kompakte Formate beispielsweise fürs Web produzieren, können der neuen Version sicher etwas abgewinnen. Die vielen Effekt- und Titel-Presets und die, zumindest bei kleineren Projekten, übersichtliche und direkte Bedienung können hier auf schnellem Weg zu ansehnlichen Ergebnissen führen. Auch die im Gegensatz zur Vorgängerversion verbesserte Kompatibilität zu neuen Formaten ist hier von Vorteil. Gelungen ist auch die umfangreiche Metadaten-Organisation mit intelligenten Sammlungen, die über Schlagworte und Wertungen zusammengestellt werden. Auch der Brutto-Listenpreis von derzeit 240 Euro dürfte ein Anreiz für Anwender sein, die auf die professionellen Features teurerer NLE-Softwares nicht angewiesen sind.
Wer aber bislang mit Final Cut Studio, Avid Media Composer oder auch Adobe Premiere gearbeitet hat und keinen Kontakt mit iMovie hatte, muss sich bei der Arbeit mit Final Cut Pro X stark umstellen. Die neue Software hat bis auf wenige Tastatur-Shortcuts nichts mehr mit ihrer Vorgängerversion gemein. Zwar bietet die spurlose »Magnetic Timeline« durchaus interessante Ansätze: etwa die hohe Flexibilität im intuitiven Anordnen von Clips, die Audition-Funktion sowie die umfangreichen Möglichkeiten zum Verschachteln von Elementen. Die gewöhnungsbedürftige Bedienung stößt bei vielen professionellen Anwender zurecht auf Skepsis. Gerade bei umfangreichen Projekten mit einer Vielzahl an Spuren verliert man aufgrund des neuen Timeline-Konzepts gerne mal den Überblick. Und das ist in Zeiten der Workflow-Optimierung ein klarer Nachteil
Apple hat mit Final Cut Pro X eindeutig seinen Fokus innerhalb der Videobearbeitung verlagert: Weg von der Profi-Seite hin zu breiteren Anwenderschichten. Aus Sicht des Anbieters kann das sinnvoll sein, für die Anwender auf der Profiseite ist das äußerst unerfreulich. Apple scheint das Interesse am professionellen Videomarkt verloren zu haben, was man unter anderem auch daran erkennen kann, dass es Final Cut Server nicht mehr gibt. So scheint sich zu bewahrheiten, was film-tv-video.de vor rund einem Jahr thematisiert hatte: Elvis has left the building.
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