Avid Media Composer: Neues Denken bei Version 3 und 4
Noch ist der Konzernumbau von Avid unter dem Motto »New Thinking« nicht ganz abgeschlossen, da bringt Avid schon die dritte größere Überarbeitung seines Media Composer innerhalb von zwei Jahren auf den Markt. Während der Media Composer 3 mit einer überarbeiteten Software-Architektur und einem neuen Hardware-Konzept aufwartetet, kam in Version 3.5 die stereoskopischer 3D-Bearbeitung hinzu und Version 4 bietet nun als zentrale Neuigkeiten Formatanpassungen und die »Mix and Match«-Funktionalität.
Mit dem Software-only-Debüt seines Media Composers (MC) mit der Version 2.5 entkoppelte Avid Ende 2006 sein wohl bekanntestes NLE-System erstmals von der eigenen Hardware. Mit diesem Schritt verband das Unternehmen auch eine radikale Preissenkung von 25.000 Euro, die MC Adrenaline gekostet hatte, auf 5.600 Euro für den SW-only-MC. Nach der NAB2008 folgte eine Halbierung dieses Bruttopreises auf rund 2.700 Euro: Schritte, die bestehende Avid-Nutzer vor allem dann nicht erfreuten, wenn sie kurz vor dem Preisschnitt investiert hatten. Gleichzeitig aber auch Schritte, die als Reaktion auf die Marktentwicklung letztlich doch nachvollziehbar sind: Zu viele Anwender hatten Avid den Rücken gekehrt und waren auf Final Cut von Apple umgestiegen.
Dass aber Avid trotz dieser Schritte den Kampf mit Apple nicht am unteren Ende der Profi-NLE-Anwenderschaft sucht, machte der Hersteller gleichzeitig klar, indem das bis dahin angebotene Einsteigersystem Avid Xpress aus dem Lieferprogramm genommen wurde. Immerhin führt Avid aber den Support für Xpress bis 2013 fort: Auch diese Maßnahme, zu der man bei anderen Anbietern eher selten Parallelen finden kann, zeigt dass Avid wieder stärker auf die Anwender zugehen will und sie nicht im Regen stehen lässt.
Preise, Upgrade-Pfade
Mit der Version 4 von MC ist der Preis nochmals gefallen, in der Box kostet die Software-only-Variante nun 1.780 Euro (Stand: Februar 2010), als Download 1.635 Euro. Das Upgrade von einer früheren MC-Version — bis hin zum Upgrade von Avid XPress Pro — kostet nun einheitlich 355 Euro. Die MC-Software kann seit Version 3 mit zwei neuen, externen Hardware-Lösungen erweitert werden: Mojo DX und Nitris DX. Die Kombination aus MC4 und der Hardware-Box Mojo DX liegt bei 7.150 Euro, mit der leistungsfähigeren Hardware Nitris DX bei 10.700 Euro (alles Netto-Listenpreise).
Neuerungen, Hardware-Fragen
Die Hardwares werden via PCIe-Schnittstelle mit dem Rechner verbunden und beseitigen damit den bisherigen Flaschenhals der Avid-Hardware: die IEEE-1394-Schnittstelle, also die Anbindung per FireWire. Der Vergleich der Datenraten von Firewire800 mit 800 Mbps und PCIe x4 mit 8 Gbps (in eine Richtung) zeigt den — zumindest theoretisch — massiven Unterschied. Die Hardware-Anforderungen an den Rechner sind aber entsprechend hoch, wenn man diesen Verbindunsgvorteil auch wirklich ausnutzen will.
Die kleine Lösung Mojo DX ist mit SD- und HD-SDI sowie HDMI als Videoschnittstellen ausgerüstet. Nitris DX bietet alle gängigen analogen und digitalen Anschlüsse und unterstützt zusätzlich das Kodieren in die HD-Codecs XDCAM und AVC-Intra. Beide Boxen stellen nicht nur Anschüsse bereit, sondern unterstützen laut Avid mit eigener Hardware die Prozessoren des Rechners — auch in der Timeline-Wiedergabe. Unglücklich und wenig kreativ agierte Avid bei der Namensgebung für die größere Hardware-Box Nitris DX: Die hat nämlich gar nichts mit dem bisherigen Nitris-System von Avid zu tun.
Der Avid Media Composer 4.0 läuft unter Mac OS X 10.5.7 und Windows Vista Business oder Windows XP Professional (SP2). Für die MC-Software 3 genügte noch ein Dual G5, mit MC 4 muss es jetzt wie auf dem PC ein Dual Intel/Core Duo Prozessor ab 2.33 GHz sein und dazu eine OpenGL-fähige Grafikkarte mit 128 MB RAM. Für den Betrieb mit Mojo DX oder Nitris DX ist ein Dual-Intel-Prozessor-Rechner mit 2,66 GHz Taktfrequenz oder ein Macbook Pro mit 2,16 GHz und 256 MB-Grafikkarte angebracht.
Beim Design der neuen Hardware hat Avid ganz offenbar die Anregungen der Anwender aufgegriffen, denn das Plastikgehäuse und die wackeligen Anschlüsse der früheren Mojo-Box gibt es nicht mehr: Mojo DX bietet ein stabiles 19-Zoll-Gehäuse und professionelle Anschlüsse. Allerdings ist die Beschleunigerbox mit 5.380 Euro Netto-Listenpreis (ohne Software) auch wesentlich teurer als die alte Box. Der Netto-Listenpreis von Nitris DX (ebenfalls ohne MC 4) liegt bei 8.900 Euro.
Der Anschluss der Boxen an den Rechner erfolgt entweder über die mitgelieferte PCI-Karte, alternativ nimmt die Avid-Hardware über einen optionalen PCIe-Adapter Kontakt mit einem Laptop auf. Der PCIe-Adapter kostet bei Avid allerdings satte 355 Euro.
Der neue, alte Media Composer 3
Die Benutzerführung ist bei MC 3 gegenüber früheren Versionen im Grunde unverändert. Das Auffälligste ab Version 3 ist, dass die Schaltflächen für die Befehle »Lift« und »Extract« so verändert wurden, dass Sie visuell besser zu den korrespondierenden Segment-Modi passen. Die eigene Logik des Media-Composers erschwert vielen Nutzern, die andere Schnittsysteme kennen und gewohnt sind, den Einstieg in die Avid-Welt. Vor allem beim Schnitt in der Timeline und am »Segment Mode« scheiden sich die Geister. Nimmt man die Unterschiede aber einfach als gegeben hin, statt damit zu hadern, erkennt man beim Arbeiten durchaus auch Vorteile. Nicht umsonst haben sich Teile der Avid-Logik in nahezu allen professionellen Schnittprogrammen durchgesetzt. Vor allem bei der Dateiverwaltung in den Bins, den übersichtlich aufgeräumten Einstellungsoptionen und den Audiofiltern von Digidesign ist der Media Composer nach Ansicht des Autors immer noch das beste Schnittprogramm auf dem Markt.
Beim Compositing oder bei grafischen Aufgaben hinkt der Media Composer der Konkurrenz in Form von Apples Final Cut Pro oder Adobes Premiere Pro aber immer noch leicht hinterher — allerdings hat Avid bis zur aktuellen Version 4 auch schon wieder viel Boden gut gemacht. Es gibt jedoch bis heute keine Überlagerungsmodi und Effekte lassen sich nur über Nests kombinieren. Für Texte gibt es keine Echtzeitvorschau, denn jeder Titel des normalen Titel-Tools muss vor dem Einfügen erst berechnet werden. Schriftanimationen sind dagegen nicht mehr nur auf das zweite Titelwerkzeug Marquee begrenzt: Titel aus dem normalen Titel-Tool lassen sich nun im Effektfenster animieren, zumindest in der Größe und Position.
Beim Titelprogramm Marquee gilt das Gleiche, wie bei den Besoanderen im Schnittbetrieb mit Avid-Systemen: Wenn man die Bedienung erst einmal erlernt hat, ist es ganz hervorragend und erinnert im besten Sinne an ein frühes, nicht überfrachtetes After Effects.
Die meisten Neuerungen bei der Benutzerführung betreffen die Effektbearbeitung. So ist es jetzt möglich, Keyframes bei einer oder mehreren Eigenschaften zu kopieren und diese an einer anderen Stelle mit gleichen Merkmalen oder in andere Eigenschaften einzufügen. Der Keyframe-Graph kann nun einfacher ein- und ausgeblendet werden. Das Einstellen der meisten Effekte funktioniert aber immer noch nicht über eine numerische Eingabe und ist durch die kleinen Bedienelemente unhandlich. »Generators« heißt eine neue Effektkategorie in der sich zwei Produktionshilfen finden: Das ist zum einen der »Timcode Burn-In«, der den Timecode in Echtzeit ins Bild schreibt und dazu viele praktische Einstellungsoptionen bietet. Zum anderen der Generator »SubCap«, der es ermöglicht, Untertitel in der Timeline zu erstellen, die dann im EBU N19 Format exportiert werden können.
Der Befehl »Clear Render« um Render-Dateien von bereits berechneten Effekten zu beseitigen, ist mehr ein Bugfix, als ein wirkliches Feature. Er wird benötigt, um die Verbindungen zu den Render-Dateien zu beseitigen, wenn beispielsweise die Endausgabe eine Offline-Projektes neu berechnet werden muss.
Das Update 3.5
Schon wenige Monate nach Version 3 brachte Avid das relativ große Update 3.5 auf den Markt und bot dort erstmals die Möglichkeit, durch eine Aktivierung über das Internet auf den Dongle zu verzichten. Wer dennoch lieber einen Dongle hat um schnell zwischen zwei Rechnern wechseln zu können, dem bleibt diese Möglichkeit auch weiterhin.
Relativ umständlich stellte sich bei Avid-Systemen lange Zeit der Effektbereich dar. Hier hat Avid nachgebessert. Verschachtelte Effekte sind nun alle im Effektfenster aufgelistet, ohne dass das Nest geöffnet werden muss — zumindest wenn das Effektfenster im Advanced Keyframe Modus geöffnet ist. Effekte, die diese Option nicht bieten, müssen aber weiterhin im Nest bearbeitet werden. Die Farbkorrektur kann nun endlich auch über Keyframes animiert werden. So ist fast jeder Parameter einzeln einstellbar, nur bei den Curves gibt es noch keine Optionen für Bezierkurven. Durch das Tool Avid Media Acces (AMA) ist es nun möglich P2-, XDCAM– und XDCAM EX-Dateien zu importieren und auch nativ damit zu arbeiten. Leider beherrscht der Media Composer noch kein AVCHD.
Beim Einlegen eines Speichermediums erkennt Avid dieses sofort und öffnet es in einem eigenen Bin. Nun kann man direkt auf der Karte oder Disc arbeiten. Wer allerdings Clips von der Karte auf die Festplatte kopieren will, findet dazu kein Werkzeug innerhalb von MC. Hier muss man die ganze Karte mit allen Strukturen kopieren und kann erst dann auf die einzelnen Clips in der Kopie zugreifen. Die Kopien erkennt der MC jedoch genauso gut wie die Karten mit den Originalaufnahmen. Allerdings bleibt es bei dieser Arbeitsmethode verwehrt, nur einzelne, ausgewählte Clips mit neuen Clipgrenzen zu kopieren, wie man es etwa beim »Log and Transfer«-Tool von Final Cut Pro kennt.
Wird ohne AMA importiert, müssen die Daten in ein Avid-MXF gewandelt werden. Bei XDCAM-EX-Dateien muss man das vom Sony Clip-Browser erledigen lassen, bei P2-Karten funktioniert es direkt aus dem MC mit dessen Media Tool, wobei sich dann einzelne Clips via Drag-and-Drop in ein Bin kopieren lassen. Allerdings ist dieser Prozess ziemlich undurchsichtig und lief zumindest im Test auch nicht sehr stabil: Oft erkannte MC im Test die P2-Karte erst nach einem Neustart, obwohl AMA diese zuvor einwandfrei registriert hatte. Der eindeutige Rat lautet: lieber mit AMA arbeiten.
Neben der Darstellung von 16 Spuren im Audiomixer bietet der MC einige neue Audio-Plug-Ins von Digidesign, darunter durchaus Perlen, die den Werkzeugkasten des Editors in diesem Segment bereichern, aber auch weniger Nützliches. BF Essential Clip Remover etwa soll Übersteuerungen nachträglich beseitigen, hatte aber bei stärkeren Clippings leider gar keinen Effekt und selbst bei ganz kurzen Überstruerungen war der Effekt minimal. Der Kompressor Bomb Factory BF76 ist einfach zu bedienen und hat nur das Ziel, die Aufnahme so richtig laut zu machen. Dabei ist er sehr effektiv, allerdings fehlen feinere Justagemöglichkeiten für den Klang. Als finales Werkzeug für mehr Druck ist er aber gut geeignet. Dazu gibt es einen neuen Limiter, einen neuen Gate-Filter und einen neuen DeEsser, die sinnvoll und nützlich sind.
Die jüngste Version: Media Composer 4
Seit MC 3 steht es dem Anwender frei, die Auflösung der HD-Projekte für den Schnitt und die Wiedergabe selbst zu wählen: Avids DNxHD-Format, HDV, DVCPROHD und XDCAM HD stehen bereit. Alle Formate, die der MC beherrscht, lassen sich in der gleichen Timeline verarbeiten. So können progressives- und interlaced Material in Echtzeit gemischt in der Timline verwendet werden und neben den üblichen PAL-, NTSC-, und HD-Formaten in 24/25i beherrscht der MC nun die native Nutzung des XDCAM- und des AVC-Intra-Codecs. »Mix and Match« nennt Avid die neue Fähigkeit, mit der nun auch verschiedene Frameraten in Echtzeit in einer Timeline gemischt werden können. Segmente mit unterschiedlichen Frameraten lassen sich allerdings nicht gruppieren.
Die Echtzeitdarstellung ist flüssig und startet sofort. Bei der Wiedergabe einer Datei mit 30 Einzelbildern in einem Projekt, das auf 25 Bilder ausgerichtet ist, blitzen zwar zwischendurch kleine Störungen auf, die aussehen wie ein Rolling Shutter-Effekt, für den Betrieb ist das aber kein Problem. Beim Arbeiten in voller Bildqualität und wenn zusätzlich Effekte angewendet werden, kam es im Test auch hin und wieder zu Aussetzern in der Bilddarstellung. Wie viel der MC 4 in Echtzeit schafft, hängt natürlich wesentlich von der Rechner-Hardware ab.
Der Decompose- und Recapturing-Dialog wurde erweitert, so dass man nach dem Anfertigen eines Offline-Projektes für das HD-Projekt in voller Auslösung nur noch die benötigten Dateien mit einem Bearbeitungsrand importieren muss. Dabei werden offline Master-Clips erstellt, die dann neu verbunden werden. Eine weitere, praktische Neuerung ist, dass Übergänge erhalten bleiben, wenn man ein »Replacement« mit einem Segment oder einem Füller durchführt, oder wenn man eine Sequenz in eine andere einarbeitet.
Da Avid im High-End-Markt sein Vormachtstellung noch behaupten kann, war die Integration von Stereo-3D-Verarbeitung in Version 3.5 ein sinnvoller Schritt, diese Kunden weiterhin an sich zu binden und das neueste Hype-Thema aufzugreifen. Der MC 4 wurde um die neuen Darstellungsoptionen erweitert, beide Stereobilder nebeneinander, einzeln oder als tatsächliches 3D-Bild im Composer Monitor oder im Full Screen Playback abzuspielen. Das geht allerdings nur bei progressiven HD-Projekten, in SD oder bei interlaced HD-Material ist dies nicht möglich.
Relativ spät kommt dagegen bei MC das Feature, beim Multicam-Schnitt das numerische Keyboard für den Wechsel zwischen den Perspektiven benutzen zu können. Das numerische Keyboard und die Maus lassen sich jetzt hierfür verwenden, allerdings ist dies nicht nach eigenen Vorlieben frei konfigurierbar. Schön ist die Funktion, eine Multicam-Sequenz zu duplizieren, bei der die neue Timeline nur noch die verwendeten Clips enthält.
Ebenso sinnvoll ist der erweiterte 100-Schritte-Undo in dem üblichen Aufklappmenü, das zeigt welche Aktionen man rückgängig macht.
Für den Export und den Austausch mit ProTools beherrscht der MC 4 das neue AAF Format, das mit dem AAF-Edit-Protokoll kompatibel ist. Mit ProTools-Versionen vor 7.1 ist dieses Protokoll allerdings nicht kompatibel. Neben der Übernahme von Metadaten und Effekten werden dabei auch Dateien mit einer Größe über 2 GB zugelassen.
Schon in Version 3.5 integrierte Avid einen sehr guten und schnellen Bildstabilisator und Tracker in MC. Nach der Auswahl von bis zu vier Tracking-Punkten lässt sich der Clip analysieren. Die gewonnenen Daten können für geometrische Trackings oder die Bildstabilisierung verwendet werden. Die Handhabung ist zwar nicht ganz einfach, nach der Analyse sind alle Parameter aber in Echtzeit einstellbar. Die Bildstabilisierung wurde durch einen Auto-Zoom ergänzt. Die Ergebnisse des Trackers sind bei beiden Anwendungsgebieten schnell und präzise. Damit gehört der Tracker sicherlich zu den Besten in einem Schnittsystem dieser Klasse.
Die ProTools-Anbindung mit Video-Satellit gibt es nun auch auf dem Mac und mit dem MC 4 ist es möglich, direkt auf einem Ikegami GFPak zu schneiden. Überraschend ist das mitgelieferte, umfangreiche DVD-Tutorial, dass alle grundlegende Operationen für eine einfache Produktion ausführlich erklärt.
Hardware
Mit der Installation des Media Composers werden die Treiber für die DX-Hardware gleich mitinstalliert. Ist Mojo DX angeschlossen, wird die Box beim Start der Software sofort erkannt. Eine LED zeigt an, ob die Box im Betrieb ist. Beim Beenden des Media Composers wird auch die Hardware automatisch abgeschaltet.
Mit beiden DX-Boxen können Sie die Formate direkt in den DNxHD-Codec wandeln. Allerdings erfolgt die Wandlung in DNxHD bei Mojo DX nur über die Software und den Prozessor des eigenen Rechners. Neben der größeren Auswahl an Anschlüssen besitzt der große Bruder Nitrits DX hierfür eine integrierte Hardware-Unterstützung.
Mojo DX bietet jeweils einen kombinierten SD/HD-SDI-Ein- und Ausgang und fürs Monitoring einen HDMI-Ausgang. Sowohl der kombinierte SD/HD-SDI Ausgang, als auch der HDMI-Anschluss erlauben eine Ausgabe mit Downkonvertierung auf SD. Die Form der Darstellung wird im »Video Output Tool« eingestellt. Mehr Videoanschüsse hat die Box nicht zu bieten, angesichts eines Preises von 5.380 Euro ist das etwas dürftig — vor allem, wenn man sich bei den Herstellern ähnlicher Hardware wie etwa MXO2 von Matrox (Test) oder V4HD von Motu (Test) umsieht. Diese Boxen kosten wesentlich weniger und haben deutlich mehr Anschlüsse zu bieten. Leider können diese aber nicht mit der Avid-Software eingesetzt werden — mit einer Ausnahme: für die einfache MXO von Matrox gibt es nun MC-Unterstützung. Wer also lediglich eine Monitoring-Lösung sucht, für den ist das eine preiswerte Alternative zum Preis von unter 1.000 Euro.
Seine Intoleranz gegenüber anderer Hardware zeigt auch der MC 4 noch ausgiebig: Ist beispielsweise ein Audio-Interface von Tascam oder Edirol angeschlossen, friert der Media Composer beim Initialisieren des Audio-Interfaces ein und reagiert nicht mehr.
Neben den beiden analogen Audio-Klinkenbuchsen, einem optischen 8-Kanal-ADAT und einem optischen 2-Kanal-S/PDIF hat Mojo DX einen Sync Black Burst, einen Wordclock Out und einen 3,5-mm-Kopfhörerausgang zu bieten.
Beschleunigung
Vier HDV-Spuren mit Bild-im-Bild-Effekten und Farbkorrekturen konnten im Test auf einem Dual-Intel-Laptop auch ohne Mojo DX in Echtheit wiedergegeben werden. Allerdings dauerte es knapp eine Sekunde, bis die Wiedergabe startete. Bei der gleichen Timeline mit vier Spuren im DNxHD-Codec gab es diese Verzögerung beim Start der Wiedergabe nicht.
Bei Einsatz der Mojo-Hardware werden laut Avid auch CPU und GPU des Rechners besser genutzt, da die Software die einzelnen Prozesse optimal verteile: Die Arbeitsgeschwindigkeit soll also von der Mojo-Hardware, aber auch von steigender Prozessorleistung des Host-Rechners voll profitieren. Auch die Berechnung von Effekten soll durch Mojo DX beschleunigt werden.
Bei den diversen hierzu durchgeführten Rendertests ergaben sich im Test aber mit und ohne Mojo DX keine signifikanten Zeitunterschiede, allenfalls eine geringe Beschleunigung scheint möglich. Leider stand Nitris DX nicht zum Test zur Verfügung.
Zusätzliche Software
Angesichts der wachsenden Anforderungen und des verschärften Wettbewerbs ist Zusatz-Software ein oft kaufentscheidender Mehrwert. Auch dadurch konnten Avids Wettbewerber wie Apple und Adobe, viele Nutzer für sich gewinnen. Da Avid ganz offensichtlich stark bestrebt ist, die Benutzerführung des Media Composers nicht zu verändern und MC weiterhin klar als Schnitt-Lösung zu profilieren, werden zudem neue Funktionen bei Avid oft in separate Softwaresn ausgelagert und nicht direkt in die Schnitt-Software eingebunden.
Der Windows-Variante von MC etwa wird das Programm MetaFuze beigepackt. Auch die mitgelieferte DVD-Authoring-Software, die vom Spezialisten Sonic stammt, gibt es nur für Windows. Diese eignet sich zum Erstellen und Brennen von SD- und Blu-ray Discs. Die Oberfläche ist einfach gehalten, man bekommt einige Vorlagen mitgeliefert und kann eigene Designs frei zusammenbauen. Avid DVD bietet trotz einfacher Benutzerführung viele Möglichkeiten, eine DVD zu gestalten. Als wirklich professionelles Authoring-Programm ist es aber nur begrenzt zu sehen. So fehlen beispielsweise Scripting- und erweiterte Menüoptionen für Blu-ray DVDs.
Mit Boris Continuum AVX liegt dem MC eine Sammlung zusätzlicher Effekte und Übergänge bei. Dort findet man viele Filter und Generatoren, die tatsächlich in vielen Fällen den Einsatz eines Compositing-Programms ersparen können und die Fähigkeiten des MC beträchtlich erweitern. Wer umfangreicheres Compositing im 3D-Raum vollziehen will, für den wird Avid FX mitgeliefert, ein Plug-in mit eigener Oberfläche, die auf Boris Red beruht. Zwar besitzt es weniger Filter als Red, ist ansonsten jedoch ein komplexes Compositing-Programm, bei dem man eigentlich nur auf Scripting verzichten muss.
Sorensen Squeeze ist ein sehr gutes Programm für das Kodieren von Videomaterial in die gängigsten Formate Flash, MPEG-1, -2und -4 (auch H.264), WindowsMedia und QuickTime. Im Gegensatz zu Apples Compressor oder Adobes Media Encoder ist Sorenson Squeeze offener und bietet neben Quicktime und Flash auch noch andere Formate, obwohl die Auswahl der Presets etwas dürftig ist.
Für gemafreie Musik wird Smart Sound Sonicfire Pro 5 mit einer Soundbibliothek aus 21 Stücken mitgeliefert. Weitere können über einen Browser angehört und mit wenigen Klicks per Download gekauft werden. Das Konzept von Sonicfire ist gut und bietet einen einfachen Weg, vorgefertigte Musikbausteine an eigene Bedürfnisse anzupassen, denn jeder Baustein enthält mehrere Instrumentenspuren, die sich in Lautstärke verändern oder ganz abschalten lassen und die sich in der Komposition auch begrenzt neu arrangieren lassen. Von allen Programmen mit ähnlichen Konzepten ist Sonicfore Pro 5 am einfachsten zu bedienen und am flexibelsten.
Fazit
Trotz modularer Herangehensweise bleibt Avid bei seinen alten Prinzipien: Die Software kann nur durch die eigene Avid-Hardware ergänzt werden. Das ist eine klare Einschränkung, aber gleichzeitig ist das Konzept der Hardware mit PCIe-Anbindung richtig gut. Der Wermutstropfen: Durch die vergleichsweise geringen Anschlussoptionen der Hardware erscheint diese relativ teuer und man zahlt letztlich viel für den Namen Avid. Allerdings kostet der Media Composer heute weniger als die Hälfte gegenüber der Situation vor zwei Jahren — und sowohl die Performance als auch die Stabilität des Gesamtsystems können überzeugen.
Die Updates seit Version 2.7 haben zusammengenommen erhebliche Verbesserungen in den Details gebracht, wie etwa bei der Handhabung von Effekten und der Formatvielfalt. Im Betrieb mit Mojo DX läuft der MC ebenso stabil wie ohne und die Integration ist gut gelungen. Das größte Plus des Media Composers gegenüber den Systemen anderer Anbieter ist die übersichtliche Einstellungs- und Medienorganisatio, ergänzt um die beste integrierte Farbkorrektur in einem Schnittprogramm kombiniert mit einem guter Tracker und Keyer. Dazu gibt es mit Squeeze ein gutes Komprimierungs-Programm, mit Avid FX eine 3D-Compositing-Software und mit Sonicfire Pro eine durchdachte Quelle für gemafreie Musik. Langsam bekommt es Avid auch in den Griff, die Effektbearbeitung und die Compositing-Fähigkeiten innerhalb des Schnittsystems zu modernisieren — ohne das Schnittsystem zu überfrachten.
Durch die Fülle an guten Tools relativiert sich der Preis des MC, denn wenn man andere Schnittprogramme mit gleichwertigen Plug-Ins erweitert, wird das im Endeffekt ebenso teuer. Das Update auf 4.0 vom Media Composer 3 oder älteren Versionen lohnt sich auf jeden Fall. Auch für Besitzer der Version 3.5 gibt es Argumente aufzurüsten, auch wenn der Sprung dann natürlich nicht ganz so groß ausfällt: Die Möglichkeiten verschiedene Datenraten in einer Timeline zu mischen, das Erhalten von Übergängen und die Keyframes in der Farbkorrektur werden aber in vielen Fällen auch hier das Update rechtfertigen.
Was kommen muss — und Avid vielleicht sogar wieder einen Vorteil gegenüber Apple bringen könnte, wo dieses Thema mit Sturheit behandelt wird — das ist die Integration von AVCHD. Schnelle, am besten native Verarbeitung von AVCHD, um den aktuellen Trend im Camcorder-Bereich aufzugreifen, das ist ein Puzzleteil für die Zukunftsfähigkeit von NLE-Systemen in dem Bereich des professionellen Segments, wo es wirklich um Stückzahlen geht.