Kamera, Test, Top-Story: 04.02.2010

Test JVC HM700: Kartenspieler mit Apple-Neigung

Der Schultercamcorder GY-HM700 folgt von der Bauform den HDV-Geräten, die JVC für den Profimarkt anbietet. Aufgezeichnet wird aber nicht auf Band, sondern auf SDHC-Speicherkarten — auf Wunsch in apple-freundlichen Formaten.

Ein Speichermedium zu verwenden, das weit verbreitet ist und darauf in einem Datenformat zu speichern, das direkt und ohne Umwege mit einem weit verbreiteten Schnittprogramm verwendet werden kann: Das hat JVC zuerst beim Handheld-Camcorder GY-HM100 (Test) umgesetzt. Wenig später stellte der Hersteller diese Technik auch in einem Schultercamcorder vor, dem hier getesteten GY-HM700.

Der HM700 gleicht auf den ersten, flüchtigen Blick den Profi-HDV-Camcordern aus dem gleichen Haus, er ist aber kleiner und leichter. Die prinzipielle Ähnlichkeit ist natürlich Absicht: Eingefleischten JVC-Fans soll der Umstieg auf die Kartentechnik leicht gemacht werden. So können etwa die Wechselobjektive weiter verwendet werden, die JVC und andere Hersteller für die 1/3-Zoll-Camcorder anbieten.

Objektiv

Im Test war der Camcorder mit einem Canon-Objektiv des Typs KT14x4.4KRSJ bestückt. Das ist eine von mehreren Set-Varianten, in denen JVC den Camcorder anbietet. Mit diesem Objektiv ist der Camcorder rund 1.000 Euro teurer als der von JVC aufgerufene Einstiegspreis in Höhe von knapp 6.000 Euro, zu dem der Camcorder mit einem sehr viel einfacheren 16fach-Zoom von Fujinon angeboten wird. Bei vielen Starterpaketen erweist sich das Objektiv als Schwachpunkt, deshalb empfehlen die Tester, den Camcorder wenn irgendwie möglich mit einem hochwertigeren Objektiv von Canon oder Fujinon zu bestücken, die jeweils mehrere passende Objektive im Programm haben. Alternativ gibt es auch Adapter, mit denen sich nicht explizit für 1/3-Zoll-Sensoren gerechnete Objektive am HM700 nutzen lassen.

Neuerungen

Die Anmutung des HM700 ist ordentlich, er ist gut verarbeitet und kombiniert in der Haptik und den Bedienelementen Bewährtes mit einigen neuen Designelementen. Besonders der Leuchtring sticht ins Auge: Grünes Leuchten steht für Wiedergabebereitschaft, blau steht für Aufnahmebereitschaft und orangerot für Aufnahme.

Die wichtigste Neuerung beim HM700 gegenüber seinen HDV-Brüdern besteht darin, dass er auf die weit verbreiteten SD-Speicherkarten ein HD-Signal im vollen Raster von 1.080 x 1.920 Bildpunkten so aufzeichnen kann, dass sich die Daten mit dem Schnittprogramm Final Cut Pro von Apple direkt verarbeiten lassen. Auch mit 720 Zeilen kann der Camcorder aufnehmen und es stehen jeweils fünf Bildraten zur Verfügung. Für die Aufzeichnung müssen SDHC-Karten der Class 6 verwendet werden.

Sensoren

Die drei CCD-Sensoren des Camcorders bieten 1/3 Zoll Bilddiagonale und weisen laut Hersteller nativ 1.280 x 720 Bildpunkte auf. Durch die besondere Anordnung der Bildpunkte auf den Sensoren und die Justage der Sensoren zueinander (Triple Offset), generiert JVC im Kamerateil des Camcorders aber eine höhere Auflösung und erzeugt daraus dann das jeweils gewählte Aufzeichnungsformat.

Beim HM700 setzt JVC entgegen dem aktuellen Trend also weiterhin auf CCD-Sensoren. Die produzieren in diesem Camcorder Bilder, die weit weniger rauschen, als man das mittlerweile von Camcordern mit CMOS-Sensoren kennt. Beim HM700 muss dementsprechend unter diesem Aspekt in der Signalverarbeitung weniger getrickst werden.

Bildeindruck

Das Resultat ist ein recht angenehmer, vergleichsweise natürlicher Bildeindruck mit guter Kontrastwiedergabe. Die Bildqualität ist auch in puncto Schärfe innerhalb der Preisklasse des HM700 wirklich sehr gut. Größtes Manko für alle, die dokumentarisch, ohne großes Zusatzlicht arbeiten: Der Camcorder ist nicht besonders lichtempfindlich. Viel zu früh muss man mit Slow-Shutter, Lolux-Funktion und elektronischer Verstärkung eingreifen, wenn es am Drehort mal dunkler zugeht. Aber immerhin sind damit auch einige Bordmittel vorhanden, um doch zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen.

Sucher und Display

Großes 4,3-Zoll-Display in guter Qualität, das alle Konkurrenten schlägt. Lediglich einen etwas größeren Blickwinkel würde man sich noch wünschen. Mit der Taste »Display« kann der Aufklappschirm zwischen Sucherbild und reiner Status/Audiopegel-Anzeige umgeschaltet werden. Die Statustaste blendet Zusatzinfos und Audiopegel im Videobild ein — auch im Wiedergabemodus.

Der Suchermonitor des HM700 ist besser als das meiste, was man in der Preisklasse dieses Camcorders sonst geboten kommt. 852 x 480 Bildpunkte nennt JVC als native Auflösung des Sucherbildschirms. Er scheint technologisch mit dem Sucher des Panasonic-Camcorders 301 verwandt zu sein und kämpft auch mit dem gleichen Problem: Wenn man blinzelt, den Kopf bewegt oder die Augen rasch wandern lässt, treten Regenbogeneffekte und Farbkanten auf, die im Bildsignal nicht enthalten sind. Trotzdem ist der Sucher besser als die übliche Kost im Marktsegment des HM700. Schön ist auch, dass der Sucher ungewöhnlich große mechanische Verstellmöglichkeiten bietet: Seitliches Verschieben und Okularauszug sind so ausgelegt, dass sich die allermeisten Anwender eine angenehme Position des Suchers vorm Auge erreichen können. Anders als die meisten Sucher im professionellen Bereich bietet der JVC-Sucher aber keine Schalter und Regler direkt am Sucher, mit denen sich die Anzeige einstellen ließe: Die Regler für Peaking und Helligkeit sind am Camcorder-Body angebracht.

Funktionen (Auswahl)

Beim manuellen Scharfstellen — das beim HM700 Pflicht ist — hilft eine Peaking-Funktion, die auf Wunsch farbige Kanten an Objekten einblendet, die in der Schärfeebene liegen. Eine Focus Assist-Taste, um diese Funktion direkt aufzurufen, gibt es oben im Handgriff des Geräts, eine zweite vorne seitlich am Camcorder. Eine Vergößerungsfunktion bietet der HM700 nicht.

Was der Camcorder ebenfalls nicht bieten kann, ist eine Zoomwippe im Handgriff: Das ist bei einem Camcorder, der mit Wechselobjektiven verschiedener Hersteller bestückt werden kann, auch nicht so einfach zu realisieren. Den Rec-Button im Griff kann man deaktivieren, um versehentliches Auslösen beim Transport auszuschließen.

Der fehlende Autofokus und der Verzicht auf eine Bildstabilisierung prädestinieren den Camcorder für den Bereich oberhalb der reinen Hobbyanwendung: Man sollte schon einen etwas professionelleren Ansatz verfolgen, wenn man mit diesem Camcorder glücklich werden und ordentliche Bilder mit nach Hause bringen will.

Eine zumindest bei kleineren Camcordern noch nicht so weit verbreitete, aber sehr sinnvolle Hilfsfunktion ist das integrierte Spotmeter. Das kann in verschiedenen Modi genutzt werden und markiert dann die hellste und/oder dunkelste Stelle des Bilds im Sucher mit kleinen farbigen Vierecken (der Messwert wird in einem kleinen Fenster innerhalb des Bildes als Prozentangabe zwischen 0 und 300 % angezeigt). Eine andere Betriebsart erlaubt es, dass Messfeld zu fixieren, dann wird angezeigt, was der Camcorder jeweils in diesem Feld misst.

Als einziger Camcorder-Anbieter stattet JVC seinen Schultercamcorder mit einer verstell- und abnehmbaren Ohrmuschel aus, statt einen Lautsprecher in den Camcorder-Body zu integrieren. Mit diesem »halben Kopfhörer« ist man recht flexibel und wer sich daran gewöhnt hat, will diese Möglichkeit im Schulterbetrieb nicht mehr missen.

Aufzeichnung

Wie heute bei HD-Camcordern üblich, bietet der HM700 insgesamt zahlreiche Auswahlmöglichkeiten, was die Erzeugung, Verarbeitung und Speicherung der Bilddaten betrifft. Darunter findet sich auch ein Modus, der eine deutlich bessere Bildqualität ermöglicht, als sie etwa mit HDV zu erreichen ist: 1080i in einem Raster von 1.080 x 1.920 Bildpunkten bei einer Datenrate von 35 Mbps. Das entspricht exakt der besten Qualitätsstufe von XDCAM EX, die Sony bei den Camcordern EX1 (Vergleichstest, Video EX1R) und EX3 (Test) anbietet. Sogar das Kodierverfahren ist mit MPEG-2 gleich. Aufgezeichnet wird dieses Signal auf die weit verbreitete SD-Speicherkarte. Dabei ist Quicktime das Standardformat, MP4 steht als Datencontainer zur Verfügung, wenn der optionale Datenrecorder KA-MR100 an den HM700 angedockt wurde. In der Grundkonfiguration ist es somit möglich, die Aufnahmen in Final Cut Pro (Test) direkt und via Wandlungs-Software auch in zahlreichen anderen Schnittsystemen schnell weiterzuverarbeiten.

Video- und File-Formate

Der HM700 beherrscht, wie mittlerweile fast alle Camcorder seiner Klasse, sowohl 1080i (50/60) wie auch 720p (24/25/30/50/60). Zudem steht 1080p und den hierbei möglichen Frameraten 24, 25 und 30 fps zur Verfügung.

Speichern lassen sich die Bildfolgen im 1080er-Modus wahlweise mit 35 oder 25 Mbps, im 720er-Betrieb mit 35 oder 18,3 Mbps, jeweils als MPEG-2-Datenstrom mit Long-GoP-Kodierung.

Bei den File-Formaten, in die diese Nutzdaten verpackt werden, stehen zwei Varianten zur Wahl: Quicktime (Mov) ist dabei die apple-kompatible Variante, alternativ dazu können die MPEG-2-Daten auch in MP4-Container verpackt werden, wenn der optionale Dockrecorder angeschlossen ist. Wer mit beiden Dateitypen nichts anfangen kann, dem empfiehlt JVC das Freeware-Programm MP4toMPEG, um die Daten so zu wandeln, dass sie auch mit einer Vielzahl älterer Schnittprogramme verarbeitet werden können.

Auf Wunsch zeichnet der HM700 auch HDV-kompatibel auf und er kann auch down-konvertierte DV-Signale ausgeben.

Wer auf die Idee kommt, die interne Funktionalität zur Formatwandlung auch für externe Videosignale zu nutzen, der stößt auf einen der Minuspunkte in der Ausstattungsliste dieses Camcorders: In den HM700 kann man keine Videosignale einspielen.

Speichermedien, Aufnahmefunktionen

Mit dem Camcorder lassen sich SDHC-Speicherkarten verwenden. Auf eine 16-GB-Karte passen in der höchsten Qualitätsstufe, die der Camcorder bietet, rund 50 Minuten Video. Der HM700 ist mit zwei SD-Slots bestückt und kann so eingestellt werden, dass er selbstständig von einer Karte zur anderen wechselt, wenn ein Medium voll ist. Kontinuierlicher Aufnahmebetrieb über viele Stunden, ist mit dem HM700 ebenfalls möglich: Die Speicherkarten sind »hot swapable«, man kann also im laufenden Aufnahmebetrieb eine volle Speicherkarte durch eine leere ersetzen, sobald der Camcorder auf den anderen Slot gewechselt hat.

In der Betriebsart 720p stehen Zeitlupe und Zeitraffer zur Verfügung: Man kann also mit niedrigeren oder höheren Bildraten aufnehmen, als man für die Wiedergabe nutzen will. Dabei sind Bildraten von 10 bis 60 fps in neun Stufen (im 24p- oder 30p-Modus) oder in sechs Stufen (bei 25p) wählbar.

Anschlüsse

Am HM700 stehen XLR-Audioeingänge zur Verfügung, die Tonausgänge sind als Cinchbuchsen ausgeführt. Auf der Videoseite gibt es nur Ausgänge: BNC-Buchsen für analoge Komponentensignale und SD/HD-SDI, IEEE-1394 für DV-Daten und USB (ohne Host-Funktion) zum Kopieren von Files. Des weiteren gibt es eine Lens-Buchse, einen Gleichstromanschluss, eine D-Tap-Buchse für eine Aufsteckleuchte und einen Remote-Mehrpol-Anschluss.

Fazit

Der HM700 ist als »Final-Cut«-Camcorder mit Speicherkartenaufzeichnung auf SDHC ein konsequenter Schritt in die richtige Richtung. Er stellt, wie die neuen Speicherkarten-Camcorder von Panasonic und Sony einen weiteren Sargnagel für HDV dar. Gegenüber den AVCHD-Geräten der Konkurrenz hat JVCs HM700 den Vorteil, dass er Kombinationen aus Codec und Speicherformat bietet, die sich leicht und schnell mit Final Cut verarbeiten lassen. Letztlich verbindet der HM700 auch XDCAM EX mit der SD-Speicherkarte und diesen Schritt vollzieht nun auch Sony mit einem Adapter von SxS auf SDHC (Meldung): Ein klares Indiz dafür, dass der Anwender diese Verbindung fordert und nutzen will.

Die Bildqualität des HM700 ist gut, das Gerät zielt klar auf professionelle Anwender, was allein schon durch den fehlenden Autofokus untermauert wird. Die Bauweise als leichter und kompakter, aber vollwertig als Schultercamcorder ausgeführtem Gerät, hebt den HM700 von den Handhelds und »Semi-Shoulder«-Geräten der Konkurrenz ab.

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