Diplomarbeit: Verbesserung des Tones bei Feldsportarten
In seiner Diplomarbeit »Verbesserung des Tones bei Feldsportarten« beschreibt Felix Holderer die Entwicklung eines Mikrofonsystems, das die Spielfeld- und Ballgeräusche beim Fußball intensiver und unmittelbarer auffängt, um so dem Zuschauer ein packenderes Miterleben des Spielgeschehens zu ermöglichen. Die Abschlussarbeit entstand im Rahmen eines Projektes am Institut für Rundfunktechnik (IRT) in München. Die hier veröffentlichte Zusammenfassung eröffnet eine Reihe, in der film-tv-video.de Abschlussarbeiten vorstellt, die aus Sicht der Redaktion »zu schade für die Schublade« sind.
Das Ziel des Projekts war es, ein Mikrofonsystem zu entwickeln, das die Spielgeräusche bei Feldsportarten wie Fußball möglichst selektiv erfassen kann. In Zusammenarbeit mit den Abteilungen Audiosystemtechnik und Akustik fanden im Rahmen der Diplomarbeit erste theoretische Voruntersuchungen und Messungen statt um die akustischen Verhältnisse zu erfassen. Auf dieser Basis wurden Vorschläge erarbeitet, die zur Entwicklung eines Mikrofonsystems beitragen sollen, das die Tonaufnahme sportartspezifischer Geräusche verbessert.
Der Grundgedanke liegt darin, Richtmikrofone einzusetzen, die einen schmalen Aufnahmewinkel aufweisen und automatisch dem Schallereignis folgen. Der Mikrofonbereich mit der höchsten Empfindlichkeit soll also der Schallquelle nachgeführt werden.
Die Untersuchungen wurden bei Fußballspielen durchgeführt, die Ergebnisse können aber auf andere Feldsportarten übertragen werden. Die große räumliche Ausdehnung des Spielfeldes und der hohe »Störschall« der Stadionbesucher erschweren beim Fußball eine hochwertige Aufnahme der Feldgeräusche. Näher als bis zur Seitenlinie kommt man zudem nicht an das Spielgeschehen heran.
Ton in der Sportberichterstattung
Derzeit befindet sich der Fernsehzuschauer bei Fußballübertragungen von der Tonwahrnehmung her auf der Tribüne des Stadions, es wird eine »Tonästhetik« genutzt, die ihr Ziel in der Abbildung der Stadionatmosphäre sieht. In der Bildsprache hat sich aber eine andere Entwicklung vollzogen: Der Fernsehzuschauer ist »näher dran« am Geschehen, sieht Perspektiven, die ihn eher in die Position des Sportlers als auf die Tribüne versetzen. Der Zuschauer kann sich sich als unsichtbarer Beobachter auf dem Feld fühlen. Es ist ganz offenbar das Ziel der Bildführung, ein hohes Maß an Unmittelbarkeit und Subjektivität für den Zuschauer herzustellen.
Je besser das gelingt, um so größer wird die Diskrepanz zum Ton: die bei Fußballübertragungen verwendeten Mikrofone vermitteln nämlich nicht die in den Bildern wiedergegebene Perspektive. Besonders eklatant ist das bei Nahaufnahmen von Aktionen, die sich im Mittelfeld ereignen.
Es gibt aber Beispiele in der Sportberichterstattung die sich, der Bildgestaltung folgend, eine stärkere Betonung der sportartspezifischen Feldgeräusche zum Ziel setzen. Beim Basketball gehört das Quietschen der Schuhsohlen auf dem Speilfeld für den Zuschauer schon zur Erwartungshaltung. Beispielhaft zu nennen sind auch Tennis und Volleyball. Die Übertragung der Feldgeräusche wird also, wo sie mit der heutigen Technik möglich ist, durchgeführt. Dem Zuschauer wird so ein verstärktes Miterleben auch auf der Tonebene vermittelt.
Schallpegel beim Fußball
Die wesentliche Störquelle im Stadion ist der vom Publikum erzeugte Schall. Nach Auswertung von verschiedensten, bereits vorliegenden Versuchsergebnissen zur Schallausbreitung von Publikumsschall in Sportstadien, wurde für die weiteren Betrachtungen ein Wert von 100 dB(A) für die diffusen Störgeräusche festgelegt (Bild 1).
Zu den beim Fußballspiel entstehenden Feldgeräuschen konnte nicht auf schon ermittelte Werte oder Untersuchungen zurückgegriffen werden, sie wurden daher im Selbstversuch ermittelt. Der Mittelwert des Schalldruckpegels aller gemessenen Schüsse betrug ca. 90 dB(A) in 1 m Entfernung. Für Pässe ergaben sich nach Mittelung Pegel um 80 dB(A). Die Werte die von Profifußballern erzielt werden, könnten hiervon abweichen, dürften aber eher zu höheren Pegeln tendieren.
Bei der Messung des Schalldrucks der Feldgeräusche zeigte sich eine Verringerung des Pegels um rund 6 dB(A) bei Verdopplung der Entfernung. Dies lässt auf eine kugelartige Form der Wellenausbreitung bei Feldgeräuschen schließen. (1)
Mikrofonstandort
Zwischen MIkrofon und Schallquelle sollte uneingeschränkte Sichtverbindung bestehen, da der Schall durch Objekte in seinem Ausbreitungsweg beeinflusst wird. Außerdem ist eine Position möglichst nahe bei den Feldgeräuschen nötig. Ein Mikrofonstandort direkt am Spielfeldrand ist daher am naheliegendsten. Die technischen Apparate neben dem Fußballfeld dürfen aber den Zuschauer im Stadion und am TV-Gerät auch nicht vom Spiel ablenken, oder in der Sicht behindern. Da sich die Mikrofone aber bewegen und der Hauptschallquelle folgen müssen, könnte sich diese Position der Mikrofone auch für die Bildgestaltung als ungeeignet herausstellen.
So enststand die Idee, einen Mikrofonstandort bei den erhöhten, inmitten der Zuschauerränge angebrachten, Haupt/Führungskameras in Betracht zu ziehen (Bilder 2, 3).
Pegelverhältnisse am Mikrofonstandort
Eine mindestens ungefähre Vorstellung der Pegel am Mikrofonstandort zu gewinnen, war nötig, um die Eigenschaften des zu entwickelnden Mikrofons darauf abstimmen zu können. Für die Ermittlung der Entfernungen zwischen Spielern und Mikrofon wurden die Abmessungen und Streckenverhältnisse in bereits gebauten Stadien recherchiert und ein Mittelwert gebildet.
Die Strecke vom Mikrofon zu einer Spielaktion am Anstoßpunkt beträgt demnach rund 75 m. Wird ein Strafstoß ausgeführt, muss der Schall rund 86 m bis zum Mikrofon zurücklegen. Der größte Weg entsteht bei einem Eckball auf der gegenüberliegenden Spielfeldseite: hier sind es gut 120 m.
Der Schallpegel am Mikrofon hängt von der Spielweise in der jeweiligen Entfernung ab. Legt man die ermittelten Pegel für Schuss und Pass, sowie die oben aufgeführten Entfernungen zugrunde, ergeben sich am Mikrofon folgende Schalldruckpegel: Anstoß (Pass) rund 42 dB(A), Strafstoß (Schuss) rund 51 dB(A), Eckball (Pass) rund 38 dB(A).
Im Durchschnitt entsteht somit ein Pegel von rund 43 dB(A) »Nutzschalldruck« der Feldgeräusche an der Mikrofonposition bei den Hauptkameras. Somit liegen die Feldtöne am Mikrofon im Mittel 57 dB(A) unter dem allseitig vorherrschenden Publikumsschall. Zur besseren Einordnung der ermittelten Werte: Der Schalldruckpegel, den ein in normaler Lautstärke sprechender Mensch in 1 m Entfernung erzeugt, liegt bei ungefähr 60 dB(A).
Mikrofonauswahl
Ansatz zu Projektbeginn war es, die Nachführung mittels »normaler« Richtrohrmikrofone zu realisieren. Bald konnten wir jedoch absehen, dass die erzielbaren Richtwirkungen für unsere Zwecke nicht ausreichten. Auch der Gedanke, die Richtwirkung durch Nachführung zur Schallquelle zu verbessern, führte aufgrund des zu geringen Bündelungsmaßes dieser Mikrofontechnik zu keinem Ergebnis.
Eine Besonderheit unter den Richtrohrmikrofonen stellt das Audio Technica 895 (AT895) dar (Bild 4). Im Gegensatz zu gewöhnlichen Interferenzempfängern, deren Richteigenschaften rein auf akustischen Prinzipien beruhen, erzeugt das AT895 seine Richtwirkung zusätzlich durch digitale Signalverarbeitung. Das Mikrofon besitzt eine nach vorne ausgerichtete Hauptkapsel sowie vier weitere Kapseln, die nach hinten ausgerichtet sind. Diese nehmen den unerwünschten Schall auf. Aus den Signalen der vier nach hinten gerichteten Membranen erstellt die DSP-Schaltung einen Fingerabdruck der Störgeräusche, die anschließend aus dem Signal der Hauptkapsel möglichst entfernt werden (2). Auf eine Stadionsituation übertragen, kann diese Technik helfen, die Spielgeräusche von den übrigen Zuschauer- und Stadiongeräuschen zu separieren.
Als weitere Möglichkeit zur hochrichtenden Schallaufnahme kommen Parabolmikrofone in Betracht (Bild 5). Es handelt sich dabei um die Kombination eines Mikrofons mit einer reflektierenden Paraboloidenform, die den Schalldruck an der Mikrofonposition konzentrieren soll. Nachteilig bei dieser Technik sind die gegenüber normalen Mikrofonen deutlich sperrigeren Abmessungen des gesamten Systems, denn für einen effektiven Einsatz muss der Reflektor eine gewisse Größe vorweisen. Bezieht man die oben erwähnten, visuellen Aspekte mit ein, können die derzeit für Richtmikrofone gültigen Standorte an den Seitenlinien des Fußballfeldes wohl kaum beibehalten werden.
Mikrofonmessung
Das AT895 sowie das Parabolmikrofon wurden im reflexionsarmen Raum (RaR) auf ihre Richtcharakteristik und ihr Bündelungsmaß hin untersucht. Würde das Mikrofonsystem ein Bündelungsmaß von etwa 57 dB erreichen, so wäre der Pegel des Mikrofonsignals für Publikums- und Feldgeräusche messtechnisch nahezu gleich, denn diffuser Schall wird mit einer um das Bündelungsmaß reduzierten Empfindlichkeit aufgenommen.
Wie dem Polarkoordinatendiagramm (Bild 6) zu entnehmen ist, besitzt das AT895 eine ausgeprägte Richtcharakteristik. Für eine Schalleinfallsrichtung von 0° zeigt es einen relativ linearen Frequenzverlauf (Bild 7). Der Anstieg um bis zu rund 5 dB bei 7 kHz verleiht dem aufgenommenen Material eine gewisse Präsenz und Betonung. Durch die Dämpfung der Frequenzen unterhalb 200 Hz um bis zu 10 dB sollen tieffrequente Störanteile frühzeitig aus dem Signal gefiltert werden. Sehr gut ist die seitliche Dämpfung. Leider verringert sich diese bei rückwärtigem Schalleinfall auf Werte von maximal -15 dB bei 2 kHz. Denkt man an den diffusen Publikumsschall, so ist eine hohe Dämpfung des Mikrofons für von hinten einfallenden Schall sehr vorteilhaft. Das Bündelungsmaß des AT895 bewegt sich über den gesamten Frequenzbereich konstant um rund 7 dB. Lediglich in der Zone zwischen 100 Hz bis 250 Hz und in schmalen Bereichen knapp unterhalb 2 kHz und 8 kHz steigt es auf 8 dB (Bild 10). Beeindruckend ist die geringe Baugröße des AT895 im Verhältnis zur Richtwirkung. Dies ermöglicht einen universellen Einsatz des Mikrofons und bietet mehr Freiräume für den Sound-Designer bei der Wahl seiner Mikrofonstandorte.
Die Messung des Parabolmikrofons ergab eine sehr ausgeprägte, starke Richtwirkung (Bild 8). Diese ist Ergebnis der Reflexion des Schalls am Reflektor sowie eines Abschattungseffekts, den der Paraboloid auf das Mikrofon ausübt. Die Abschattung führt zur Bedämpfung seitlichen und rückwärtigen Schalls. Die im Terzdiagramm (Bild 9) über 0 dB liegenden Werte sind hauptsächlich durch Reflexion begründet. Die Punkte unterhalb der 0-dB-Marke resultieren aus Abschattungseffekten. Im Gegensatz zum AT895 ist das Verhalten des Parabolmikrofons viel stärker von der Frequenz abhängig, was zu einer starken Verfälschung des Klangereignisses führt. Seitlich einfallende Schallwellen werden um ein vielfaches bedämpft, allerdings erst ab ca. 1 kHz. Unterhalb dieser Frequenz fällt die Richtwirkung stark ab. Im Tiefenband ist eine Unterscheidung zwischen Nutz- und Störschall kaum möglich. Das Parabolmikrofon zeigt in Sachen Bündelungsmaß einen Anstieg mit zunehmender Frequenz. Ab ungefähr 500 Hz übersteigt des Parabolmikrofon die Werte des AT895. Somit kann das Parabolmikrofon im auf den Störschall bezogenen, »wichtigen« Frequenzbereich zwischen 250 Hz bis 2 kHz eine bessere Dämpfung der diffusen Schalle erzielen. Das Bündelungsmaß erreicht einen konstanten Maximalbereich zwischen 3,5 kHz bis rund 10 kHz. Es beträgt hier knapp 16 dB (Bild 10).
Aufgrund des hohen Bündelungsmaßes wurde zunächst eine Weiterentwicklung mit dem Parabolmikrofon empfohlen. Durch die bessere Unterdrückung diffuser Schallanteile ließe sich dieses Mikrofon auch in größerer Entfernung zum Spielgeschehen positionieren. Somit wäre eine geringere optische Beeinträchtigung für Zuschauer und Bildgestalter gewährleistet.
Fazit/Ausblick
Das vorgestellte Projekt, das mit der beschriebenen Diplomarbeit den Anfang nahm, wird derzeit am Institut für Rundfunktechnik fortgeführt. So entstand ein erster Prototyp, der erfolgreich bereits mehreren Praxistests unterzogen wurde. Die MIkrofonentscheidung fiel im weiteren Projektverlauf aufgrund seiner kompakten Bauform zugunsten des AT895. Auch die automatisierte Steuerung wurde mittlerweile umgesetzt.
Wie zu Beginn festgestellt, ist es tongestalterisch sinnvoll, einen direkten, bildbezogenen Ton zu produzieren. Durch die zur Verfügung stehende Technik, sowie die extremen akustischen Bedingungen ist die Umsetzung allerdings nur schwer zu realisieren. Das ganzheitliche Ziel der Programmveranstalter und produzierenden Firmen von Sport-Events ist zweifellos eine innovative, packende und intensive Übertragung des betreffenden Sportereignisses. Die verbesserte akustische Wahrnehmbarkeit der Feldgeräusche beim Fußball wird hier ein wichtiger Schritt sein.
Kontakt zum Verfasser
Dipl. Ing. Felix Holderer: felix.holderer@web.de
Schrifttum
(1) Heckl, M. ; Müller H.: Taschenbuch der technischen Akustik. – 2. Aufl. – Berlin (u.a.) : Springer, 1994
(2) Audio Technica: AT895 – Installation and Operation. – Leeds : Audio Technica Limited, 1999
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