Imax: The Big Picture
Die Large-Format-Filmproduktion stößt auf wachsendes Interesse von verschiedenen Seiten: Immer mehr Kinobetreiber und Entertainment-Anbieter am einen, aber auch Regisseure, Kameraleute und Produktionsfirmen am anderen Ende der Kinokette, entdecken den Reiz der ultra-scharfen, riesigen Bilder auf Leinwandflächen von 750 Quadratmetern und mehr. Ein Blick auf das Imax-Filmformat.
Zur Erinnerung oder zur Erläuterung, falls Sie nicht zu den rund 75 Millionen Besuchern gehören, die im Jahr 2000 von Imax-Filmen in die weltweit mehr als 225 Imax-Kinos gelockt wurden: Ein Kino, so steil, dass auch eine Basketball-Mannschaft in der Reihe vor Ihnen den Blick auf die Leinwand nicht verstellen kann. Eine riesige Leinwand, die so hoch sein kann wie ein siebenstöckiges Haus, die dann eine Fläche von rund 750 Quadratmetern einnimmt und damit ungefähr 10 mal größer ist als das, was man üblicherweise unter einer Kinoleinwand versteht. Eine Leinwand also, die praktisch das gesamte Blickfeld ausfüllt. Die Bilder auf der Leinwand sind dabei schärfer und detailreicher als alles, was Sie bisher in der Bewegtbild-Projektion gesehen haben: stabil, ruhig, klar, hell, brillant. Dazu gibt es einen digitalen Sechskanal-Filmton mit zusätzlichem Tiefbass, der über ein spezielles Lautsprechersystem abgestrahlt wird.
Im Vergleich zu dem, was man auf der Leinwand sieht, klingt das grundlegende Prinzip der Large-Format-Filmproduktion und –projektion nach Imax-Lesart simpel: Belichtet wird 65-mm- und projiziert 70-mm-Film, der horizontal durch Kamera und Projektor läuft und dessen Einzelbilder 15 Perforationslöcher breit sind. Diese Zahlen werden auch häufig als firmenneutrale Bezeichnung für das größte derzeit benutzte Filmformat verwendet: Insider sprechen von 15/70.
Von den bislang schon mehr als 180 im Imax-Format produzierten Filmen wurden die meisten ohne finanzielle Beteiligung des Format-Erfinders produziert, obwohl der auch selbst als Produzent auftritt. Aktuelles Beispiel aus Deutschland für eine Eigenproduktion ohne direkte Imax-Beteiligung: H5B5 produzierte mit dem Großformatfilm »OceanMen«, einen Film mit dem gleichen Thema wie Luc Bessons »Im Rausch der Tiefe – The big blue«, aber als Dokumentarfilm und eben im 15/70-Format. Im aktiven Verleihgeschäft sind derzeit rund 160 Imax-Filme.
Als Filmmaterial wird beim Imax-Verfahren 70-mm-Film eingesetzt, ein insgesamt selten verwendetes Filmmaterial. Übliche Kinofilme werden mit 35 mm breitem Filmmaterial gedreht und vorgeführt. 70-mm-Film wurde bislang nur für wenige, außergewöhnliche Filme benutzt. Aber diese Filme und die 70-mm-Filmtechnik (also das Drehen auf 65-mm-Material und Vorführen auf 70-mm-Film) haben außer dem gleich breiten Filmmaterial mit 15/70 nicht viel zu tun.
Der Einsatz des breiteren Filmmaterials wird nämlich beim Imax-Format mit einer weiteren Besonderheit verknüpft: Beim normalen 16-, 35- und 70-mm-Kinofilm läuft der Filmstreifen senkrecht durch Kamera und Projektor, beim Imax-Verfahren horizontal. Dadurch konnten die Entwickler ihr eigentliches Ziel erreichen: ein viel größeres Bildfenster. Jedes einzelne Bild auf dem Filmstreifen ist bei Imax rund dreimal so groß wie beim konventionellen 70-Millimeter-Film und damit rund zehnmal so groß wie beim Standard-35-mm-Kinofilm. Dabei gilt ein ganz einfacher Zusammenhang: Je größer das Bildfenster, um so besser ist die Bildqualität, um so klarer, schärfer und besser sehen die Bilder aus.
Die meisten der bislang verfügbaren Imax-Filme sind um die 40 Minuten lang. Das liegt daran, dass sich diese Zeit mit den in den meisten Kinos vorhandenen räumlichen und technischen Gegebenheiten als ununterbrochene Laufzeit eines Imax- oder Imax-3D-Films realisieren lässt.
An Beschränkungen und besonderen Herausforderungen gibt es bei der Produktion eines Imax-Films keinen Mangel. Das fängt bei den Kosten an, die aufgrund vieler Faktoren wesentlich höher liegen, als bei einer vergleichbaren 35-mm-Produktion. Genaue Vergleichszahlen sind schwer zu bekommen, aber man kann davon ausgehen, dass die Gesamtkosten für einen Imax-Film mindestens rund doppelt so hoch sind, wie für eine 35-mm-Produktion gleichen Inhalts. Schon das Filmmaterial selbst ist wesentlich teurer als 35-mm-Film. Zudem wird der Film pro Bild um 15 Perforationslöcher nach vorn transportiert, der Materialverbrauch pro gedrehter Minute liegt also noch einmal wesentlich höher (Filmgeschwindigkeit bei Imax mit 24 Bildern/s: rund 102 m/min, bei 35 mm mit 24 Bildern/s: rund 27 m/min).
Mit dem breiten Filmmaterial und der hohen Transportgeschwindigkeit des Materials in der Kamera gehen etliche bauliche Probleme einher: Die Kamera ist wesentlich größer, schwerer und lauter als eine 35-mm-Kamera. Die am meisten verwendete Kamera für 2D-Imax wiegt rund 36 kg. Wenn man sie mit einem Schallschutz (Blimp) versieht, ohne den praktisch keine Originalton-Aufnahmen möglich sind, steigt dieses Gewicht auf rund 136 kg. Die 3D-Imax-Kamera, für die es keinen Blimp gibt, wiegt rund 120 kg.
Die übliche Filmkassette für Imax-Kameras fasst rund 300 m Filmmaterial, was für etwa 3 min Aufnahmezeit reicht. Sind die durchgelaufen, muss die Kassette gewechselt werden, was im Normalfall zwischen 5 und 10 Minuten dauert. Das ist beim dokumentarischen Drehen eine Ewigkeit.
Trotz dieser und weiterer massiver Einschränkungen haben es verschiedene Imax-Filmcrews schon auf sich genommen, eine Imax-Kamera auf den Mount Everest zu schleppen und bis zum Wrack der (echten) Titanic unter den Meeresspiegel zu transportieren. Das Ziel, etwas völlig Außergewöhnliches für die Leinwand zu schaffen, was mit 35-mm- oder anderem Equipment so nicht möglich wäre, treibt die Enthusiasten dazu, Lösungen für die mit 15/70 verbundenen Probleme zu suchen.
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