Wie KI die Arbeit der Bildgestaltung verändert
Ein Erfahrungsbericht über die Arte-Produktion »Lucrezia Borgia – Die Tochter des Papstes«, bei der KI eingesetzt wurde, um historische Aufnahmen zu generieren.
Der richtige Prompt
Man kann die KI wunderbar als Inspirationsquelle nutzen, wenn man kein konkretes Ergebnis vor Augen hat. Schwieriger wird es, wenn man eine konkrete Vorlage in Form eines Drehbuches hat und dieses so genau wie möglich umsetzen möchte.
Der erste »Prompt«, also die Textanweisung, die man der KI gibt, liefert selten das gewünschte Ergebnis. Hier kommt die kreative Erfahrung eines Bildgestalters ins Spiel: Man muss eine klare Vorstellung davon haben, wie das fertige Bild aussehen soll. Nicht die KI, sondern ich als Kreativer gebe das Ergebnis vor.
So wie man am Set sorgfältig die Beleuchtung, Brennweite und Tiefenschärfe plant, muss man auch bei der KI die richtigen Fragen stellen und Anpassungen vornehmen, um die Szene perfekt zu gestalten. Der kreative Input des Bildgestalters ist letztlich durchaus vergleichbar und ebenso wertvoll. Das Hauptaugenmerk gilt noch stets der Komposition des Bildes und der Bildfolge.
Das Ausgangsbild einer Szene erfordert oft eine Vielzahl sukzessiver Verbesserungen, Veränderungen und Schritte.
Eine wichtige Aufgabe beim Einsatz von KI ist natürlich auch immer wieder die Korrektur von Fehlern des Systems: dem Austausch inkorrekter Kleidung, der Entfernung von Gegenständen aus späteren Epochen, der Veränderung der Personen im Bild. Da kommen schnell 20-40 Arbeitsschritte zusammen.
Hat man dieses Master, gilt es sodann, daraus matchende Perspektiven zu generieren. Auch hier sind wieder eine Vielzahl von Neuberechnungen erforderlich.
Für den Film über Lucrezia habe ich insgesamt 4.500 Bilder erstellt, bis ich die Sequenzen in der gewünscht hohen Qualität generiert hatte. Das klingt viel, doch mit der Zeit lernt man, wie die KI funktioniert, und die Ergebnisse werden immer konsistenter und einfacher reproduzierbar.
Als der Schnitt begann, kam der Vorteil von KI voll zum Tragen. Im Schnitt bemerkte Cuini, dass sie aus erzählerischen Gründen gern noch eine weitere Szene einbauen wollte: eine historische Szene mit vielen Komparsen, an die Getreide verteilt wird. Unter normalen Umständen eine teure Katastrophe, konnte ich diese Szene in ein paar Stunden selbst noch während des Schnittes erstellen. Ein fehlender Establisher hier, eine weitere Einstellung da, das alles ermöglichte uns der Einsatz der KI und gab Cuini den Raum, die Dokumentation ganz nach ihren Vorstellungen zu bebildern.
Wie verändert KI die Arbeit der Bildgestalter?
Die KI ist ein wunderbares Werkzeug, die die Klaviatur unserer Möglichkeiten erweitert und erleichtern kann.
Dies gilt ganz besonders in der Previsualisierung, bei der mit KI vieles einfacher werden wird. In naher Zukunft könnte KI sogar einige Aufgaben in klassischen Film- und Fernsehproduktionen übernehmen, ich denke da z.B. an aufwändige Second-Unit-Aufnahmen oder Establishing Shots.
Ein Sonnenaufgang im Winter über einem von Nebelschwaden durchzogenen See, die ersten Sonnenstrahlen, die den Nebel durchbrechen, ein einem Auto folgender Drohnenflug durch eine Landschaft, als Ergänzung zu den Trailerfahrten– all das wird niemand mehr vor Ort drehen müssen, weil die KI diese Aufnahmen sehr gut simulieren kann.
Müssen wir uns Sorgen machen, dass KI uns ersetzt? Nein, ganz im Gegenteil. KI ist eine Weiterentwicklung unserer Werkzeuge, so wie CGI in großen Teilen den Modellbau ablöste.
Sie gibt gerade auch kleineren Produktionen die Möglichkeit, Bilder zu erschaffen, die bislang aufgrund der Kosten oder des Aufwands nur wenigen Produktionen vorbehalten waren. Damit können auch kleinere Produktionen in ganz neue Genres (z.B. Sci-Fi) und visuelle Bereiche vordringen, die bislang aus Kostengründen unerreichbar schienen.
Stand November 2024 kann ich sagen:
Wovon ich vergangenes Jahr noch träumte, ein Bewegtbild zu erstellen, wird seit einigen Wochen Realität. Es kommen immer mehr Programme auf den Markt, mit denen sich momentan noch auf abstrakter Ebene bereits flüssige Filmszenen erstellen lassen.
Gerade im eher knapp budgetierten Dokubereich werden sich immer besser historische opulente Spielszenen entwerfen lassen, die so bisher nur mit großem Aufwand erreichbar sind. Sofern die bei Dokumentationen natürlich immer ganz wichtige Transparenz gewahrt und der Zuschauer informiert wird oder es – wie bei einem Stoff der Renaissance – schon offensichtlich ist, dass die KI-generierten Aufnahmen nicht in der Zeit von Lucretia hergestellt wurden, können damit historische Themen für die Zuschauer anschaulicher und spannender gestaltet werden.
Nicht abschließend geklärt ist derzeit auch die rechtliche Schutzfähigkeit der oben beschriebenen, komplexen Arbeit mit generativer KI. Aus meiner Sicht spiegelt sich darin ganz klar ein intensiver menschlicher Einfluss auf das spezifische, mit Hilfe der KI erzeugte Bild wider, was die Basis für einen urheberrechtlichen Schutz darstellen sollte. Hier ist aber noch vieles im Fluss.
KI ist durchaus ein Quell von Kreativität und unterstützt Inspiration und Kreativität. Sie kann aus Bekanntem und Vorhandenem Muster erkennen und daraus Neues kreieren, aber – wie immer – liegt es im Auge des Betrachters, dies zu beurteilen.
Diese Entscheidung zu treffen, ob etwas gut ist, ob es verwertbar, ja sogar künstlerisch wertvoll ist, neue Impulse geben kann, diese Entscheidung liegt nicht bei der KI, sondern beim Betrachter.
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