Produktions-Report: Olympia in Paris
Wie ARD und ZDF die Olympischen Spiele produzierten und welche Neuheiten es neben KI in der Produktion gab, erläutert dieser Beitrag.
NBC in Mainz
Das NBC in Mainz spielte für die Berichterstattung von Olympia eine zentrale Rolle:
Dort produzierten ARD und ZDF im Wechsel den gesamten Content. Der verteilte sich auf die linearen Ausspielwege, aber auch auf 10 Streaming-Kanäle, die alle mit Kommentar produziert wurden. Zusätzlich gab es natürlich auch die Angebote in den Mediatheken.
Um das alles umsetzen zu können, wurde das NBC in Mainz mit entsprechender Technik ausgerüstet. Dort befand sich etwa die große Senderegie (PCR) für Olympia, die von zwei Subregien ergänzt wurde. Die Subregie A wickelte vorwiegend das Schwimmen ab, während Subregie B für Turnen, Rudern und Reiten genutzt wurde – was tagesaktuell eben jeweils relevant war.
Für die Ausstattung der Regien nutzen die Sender vorwiegend Equipment der MPE, also des gemeinsamen Equipment-Pools, den ARD und ZDF bei solchen Groß-Events nutzen. Ergänzend mieteten die beiden Sender noch Equipment an, unter anderem von Qvest und BPM.
»Im NBC hatten wir 31 Schnittplätze im NBC, die wir multilateral nutzten«, erläutert Christopher Heintze.
Für ARD und ZDF waren jeweils neun Avid-Schnittplätze im Einsatz, sechs weitere wurden multilateral je nach Sendetag genutzt. Zusätzlich gab es sieben EVS-Highlight-Schnittplätze.
Für den Social-Media-Bereich nutzte die ARD drei Adobe Premiere-Schnittplätze.
Weiter waren drei Audiomix-Suiten mit Protools vorhanden, die für die Mischung genutzt wurden, sowie weitere 16 Off Tubes bzw. Multifunktionsräume (MuFos) für Livekommentierung und Schnittvertonung. »Das hat sich in der Vergangenheit sehr gut bewährt«, urteilt Christopher Heintze. Neun Off Tubes nutzte der TV-Bereich, weitere sieben exklusiv die Streaming-Regie. Insgesamt gab es somit 47 Möglichkeiten für die Reporter, Kommentare zu sprechen. Drei Off Tubes waren für den Hörfunk vorgesehen.
Wie eng verzahnt ARD und ZDF arbeiteten, zeigt sich auch daran, dass die Mitarbeitenden des Senders, der an dem Tag nicht berichtete, dann jeweils für die Streaming-Regien arbeiten. »Ein Sender alleine könnte das in der Form gar nicht stemmen. Das ist ein schönes Beispiel für unsere enge Zusammenarbeit«, so Christopher Heintze.
Avid/EVS
Bereits seit vielen Jahren nutzen ARD und ZDF bei solchen Groß-Events eine Kombination aus Avid- und EVS-Equipment. Der gesamte Ingest, der unter anderem die Host-Signale umfasst, fand dabei mit EVS-Equipment statt, konkret mit XT Via-Servern. Was damit aufgezeichnet wurde, stand aufgrund eines besonderen technischen Setups dann auch auf dem Avid Speichersystem zur Verfügung. Wie der Austausch zwischen Avid– und EVS-Speichersystemen konkret aussieht, wird film-tv-video.de in einem eigenen Artikel beleuchten.
KI-basierte Audiomischung in der Streaming Regie
Insgesamt produzierten die beiden Sender wie erwähnt zehn Streaming-Kanäle.
Damit dies auch personell mit vertretbarem Aufwand erfolgen konnte, arbeiteten sie hier mit KI und setzen eine Kombination aus einem Waves Server mit Dugan und Clarity Plugin sowie einen Jünger Flex IO für eine automatisierte Mischung ein, um die zehn kommentierten Olympia-Streams zu mischen. Samy Kassem erläutert: »Auf diese Weise konnten wir den Personalbedarf für diese Aufgabe von vier auf zwei Mitarbeitende pro Schicht reduzieren.«
Wenn das KI-basierte Mischsystem arbeitete, bestand die Hauptaufgabe für das Personal in diesem Bereich darin, alles passend zu schalten und die Signale korrekt zu verteilen.
Samy Kassem führt weiter aus, dass die KI-basierte Mischung per Waves- und Jünger-Equipment sehr gut funktioniert und dass sie beispielsweise auch schon für die Audiodeskription bei der ESC-Produktion des NDR eingesetzt wurde, wo die Anforderungen an das System aufgrund des Programmmaterials aus Musik und Sprache höher waren als bei Olympia.
Auch die Audiodeskription bei Olympia wurde mit diesem System in Hamburg realisiert. Die Beschreiber saßen beim NDR in Hamburg-Lokstedt in einem dafür eingerichteten Raum und beschrieben dort die Streams. Ein lokales Gerät von Jünger war für den Monitormix der Beschreiber zuständig. Das Audio der Beschreiber wurde dann als cleanes Kommentarsignal umgemischt und über die Nimbra-Verbindung von Hamburg nach Mainz übertragen.
»Dadurch sparten wir uns, in die Sendeleitung beim Zusetzen der Audiodeskription noch weitere Delays einbauen zu müssen, denn die Mischung mit der IT bzw. der Audio-Hauptmischung fand in Mainz statt«, erklärt Kassem.
Das Ganze ging sogar so weit, dass die Beschreiber zwischen der IT- und der Hauptmischung hin- und herschalten konnten, je nachdem, was sie gerade beschrieben. »Die Umschaltungen wurden in Hamburg ausgelöst, über Ember+ nach Mainz transportiert und dort parallel im Jünger-System Flex IO ausgelöst. Die Remote-Anbindung wurde auch konsequent bei den Steuerbefehlen umgesetzt«, so Kassem.
Trend hin zu SRT
Felix Ruhberg konstatiert, dass man mit SRT sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Aus diesem Grund habe man rund zehn Kommentatorenplätze mit einer SRT-Anbindung für die Rückstrecken ausgestattet. So konnte vermieden werden, zusätzliche Technik des Host Broadcasters anzumieten. »Wir betrieben stattdessen eigene SRT-Encoder in Mainz, darüber realisierten wir die Rückstrecken. An den Venues musste dann lediglich noch ein Internetanschluss gebucht werden, und darüber wurden die Decoder fürs Bild und einen Monitor angeschlossen. »Auch hier spielt das Delay eine Rolle, gerade für die Kommentierung darf es nicht zu groß werden«, so Ruhberg, »aber genau dafür ist SRT sehr gut geeignet.«
Bilanz der Spiele
Insgesamt erreichten ARD und ZDF mit ihren Übertragungen im Fernsehen 53,4 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer.
ARD und ZDF haben zusammen 243 Stunden aus Paris berichtet. Hinzu kamen 1.500 Stunden digitales Olympia-Programm mit Livestreams von allen Finals, allen Wettbewerben mit deutscher Beteiligung und von internationalen Highlights. Dieses umfassende Angebot haben die Zuschauerinnen und Zuschauer ausgiebig genutzt: Die Live-Übertragungen der Olympischen Spiele aus Paris erfreuten sich bei beiden Sendern großer Beliebtheit.
ZDF-Sportchef Yorck Polus bilanziert: »Paris hat gezeigt, dass die Idee von Olympia lebt und die Menschen begeistert. Die Spiele haben mit ihrer sportlichen Vielfalt auch wieder viele jüngere Menschen stärker angezogen als zuletzt. Diese Begeisterung konnten wir zu unseren Zuschauerinnen und Zuschauern transportieren. Wir sind hoch zufrieden mit dem Zuschauerinteresse im TV, aber auch auf den digitalen Plattformen. Und wir freuen uns jetzt schon darauf, dass wir von den nächsten Olympischen Spielen wieder vollumfänglich linear und digital berichten und erneut die Vielfalt des Sports abbilden können.«
Seit 28. August geht es für beide Sender weiter, und zwar mit den Paralympics in Paris, die bis zum 8. September dauern. Wer die tollen Bilder aus Paris schon vermisste, kann bei den Paralympics noch eine Fortsetzung genießen.
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