Film, Making-of, Report, Top-Story: 09.11.2023

Multikamera-Impro-Projekt »Das Fest der Liebe«

Jan Georg Schütte inszenierte in »Das Fest der Liebe« ein Familienfest der besonderen Art: mit 45 Kameras und improvisiertem Schauspiel. Wie es gelang, die Herausforderungen dieser Produktion zu lösen, erläutert DoP Nikolas Jürgens.



Bildregie bewältigen

»Mit dem Dienstleister Toton und Torsten Helbron hatten wir jemanden, der als Ton- und Bildingenieur aus dem Live-Event-Bereich kam, und das war ein großes Plus für uns«, berichtet Nikolas Jürgens.

© Nikolas Jürgens

Das Fest der Liebe, Mini-Serie, ARD, © ARD Degeto, Gulliver Theis
Es gibt in »Das Fest der Liebe« auch einige Außenszenen.

Das grundlegende Setup in der Regie: Dort laufen beim Multikameradreh alle Kamerasignale als Quelle auf. Eine Vielzahl von Protokollanten ist dafür zuständig, detailliert zu erfassen, was die einzelnen Schauspielerinnen und Schauspieler sagen und tun. Hierfür stehen ihnen iPads zur Verfügung, mit denen sie sich auf jeweils eine Person einwählen können. 

© Nikolas Jürgens
Für die Leute in der Bildregie gilt es, während des Drehs für lange Zeit hochkonzentriert zu arbeiten.

»Wir von der Bildregie haben keine Möglichkeit, den Ton abzuhören, das ginge bei der Vielzahl der Bildquellen nicht. Die Protokollanten liefern uns aber wichtige Infos wie zum Beispiel ‘Er will jetzt in den Keller gehen‘ oder ‘Hier ist ein Streit, gleich explodiert’s‘. So können wir in der Bildregie schnell darauf reagieren, wenn wir von den Protokollanten per Zuruf hören, dass an einem bestimmten Ort gleich etwas passieren wird« erklärt Nikolas Jürgens.

»Ich finde es sehr interessant, dass man in der Bildregie tatsächlich auch eigene Handschriften der Kameraleute erkennen kann. Das zeigt, wie kreativ unser Beruf doch ist«, findet Nikolas Jürgens. Allerdings müssen Nikolas Jürgens und sein Team in der Bildregie bei diesen Projekt aber eher dafür sorgen, dass die Bilder möglichst wie aus einem Guss wirken — sie sollen sich also gar nicht zu sehr unterscheiden.

© Nikolas Jürgens
Es musste ein riesiges WLAN-Netzwerk aufgespannt werden.
Herausforderung Ton

Die Tonleute haben viel zu erledigen, ihr Job ist bei einem Projekt wie diesem sehr anspruchsvoll, denn es gilt, eine sehr große Fläche für den Dreh mit Drahtlos-Mikros fit zu machen. Damit das funktioniert, musste ein riesiges WLAN-Netzwerk aufgespannt werden. »Überall befinden sich Antennen, es gibt eigentlich keinen Raum, in dem nicht zwei oder drei Antennen stehen, denn es darf wirklich nichts ausfallen«, beschreibt Nikolas Jürgens. Das Ganze erfordert viel Vorbereitung, alles muss genau getestet werden, damit es am Drehtag zuverlässig funktioniert.

Ein weiterer Aspekt: Die Tonleute müssen die Mikrofone bei allen Schauspielerinnen und Schauspielern so stabil anbringen, dass sie über den langen Drehzeitraum fest an ihrem angestammten Platz bleiben und nicht verrutschen oder sich gar lösen.

Blick in die Baselight Grading Suite …
»Schreiben« im Schnitt

»Eine Serie wie diese wird letztlich auch im Schnitt geschrieben«, erklärt Nikolas Jürgens. »Kameraseitig müssen wir deshalb jede Figur gleichberechtigt erzählen. Wir brauchen von allen immer eine nahe Einstellung, um dann so etwas gestalten zu können, wie wir das bei ‚Das Begräbnis‘ getan haben, wo wir ein und dieselbe Geschichte immer wieder aus verschiedenen Perspektiven erzählten«, erläutert Nikolas Jürgens.

… mit Ronney Afortu von Optical Art Hamburg und DoP Nikolas Jürgens.

Auch bei diesem Prozess hilft die Arbeit der Protokollanten, sie erleichtern den Editoren und Editorinnen den Einstieg ins Material, denn dadurch erhalten sie ein Grundwissen darüber, was passiert ist. 

Was Benjamin Ikes und Nikolai Hartmann im Schnittraum leisten, kann nicht genug gewürdigt werden. Der kreative Prozess im Schnitt ist eine enorme Leistung, die sehr großen Anteil am Endprodukt hat. 

@Nikolas Jürgens
Der Dreh fand in einer Villa bei Hamburg statt. Hier posiert ein (kleiner) Teil der Kamera-Crew auf und hinter dem Sofa.
Herausforderungen

Nikolas Jürgens erzählt, dass der Dreh von »Das Fest der Liebe« in einer 1.400 m2 großen Villa bei Hamburg stattfand. »Dennoch hatte ich bei diesem Projekt mit ‘Enge‘ zu kämpfen, denn es waren eben immer überall sehr viele Menschen«, so Jürgens.

Weil vieles nachts spielte, war auch die Beleuchtung eine Herausforderung, denn alle Sets müssen aus allen Richtungen funktionieren, ohne dabei Lichttechnik im Bild zu haben. »Aber mit solchen Aspekten muss man bei einem Projekt wie diesem in einem bestimmten Maß eben auch leben und die bestmöglichen Kompromisse finden«, urteilt Nikolas Jürgens.

© Nikolas Jürgens
Das Kamerateam.
Teamarbeit gefragt

»Es ist bei einem solchen Projekt total wichtig, dass alle an einem Strang ziehen, dass sich alle in den Dienst der Sache stellen und ums beste Bild kämpfen«, sagt Nikolas Jürgens. Das erfordere letztlich hohe Präzision, Disziplin und detaillierte Vorbereitung, um Herausforderungen und Unwägbarkeiten bestmöglich im Vorfeld vermeiden und wenn sie auftreten, eindämmen zu können. Nikolas Jürgens war deshalb schon vier Monate vor dem Dreh mit dem Projekt beschäftigt. Er sagt: »Wir leisten sehr viel logistische Vorarbeit, ich kenne jede Kamera, weiß genau, was welche Kamera leisten kann.«

Nikolas Jürgens arbeitet hierbei mit Max Lais zusammen, dem Kamera-Supervisor, der unter anderem die Logistik, etwa mit Ludwig Kameraverleih, dirigierte.

Co-Regisseur Sebastian Schultz und Regisseur Jan Georg Schütte (links vorne) mit den Schauspielerinnen und Schauspielern.
Diese Art zu drehen erfordert auf jeden Fall eine ganze Menge Mut.
Fazit

Nikolas Jürgens bilanziert: »Jan Georg Schütte hat schon immer darauf bestanden, dass die Spielzeit für die Schauspieler unantastbar ist und sie quasi ungestört agieren können. Das kollidiert zuweilen mit technischen Anforderungen und ist auch produktionstechnisch nicht unkompliziert — aber nur so können die Schauspieler konsequent frei spielen. 

Das Fest der Liebe, Mini-Serie, ARD, © ARD Degeto, Gulliver Theis
Besondere Intensität und Spontaneität.

Über den langen, »am Stück« realisierten Drehzeitraum entsteht dann aber eine ganz besondere Intensität und eine Spontaneität, die man sich so nicht im Drehbuch ausdenken kann.

Diese Art zu drehen erfordert auf jeden Fall eine ganze Menge Mut — auf Seiten der Schauspielerinnen und Schauspieler, aber natürlich auch auf Seiten der Regie, der gesamten Crew und besonders der Kamera.

Degeto-Pressetext zum Inhalt

»Das Fest der Liebe«  verspricht definitiv kein besinnliches Beisammensein, sondern eine außergewöhnliche Bescherung. In der Fortsetzung der auch bei jungen ARD-Mediathek-Zuschauer_innen sehr beliebten Serie »Das Begräbnis« kollidieren zwei Welten zum besinnlichen Fest: Ost-Familie trifft auf West-Familie, arm trifft auf reich. Das vermeintliche Fest des Friedens und der Liebe nimmt eine überraschende Wendung, als ein Familiengeheimnis gelüftet und ein Familienmitglied entführt wird …

Das Fest der Liebe, Mini-Serie, ARD, © ARD Degeto, Gulliver Theis
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Inhalt:
 Die Meurer-Brüder Mario (Charly Hübner) und Thorsten (Devid Striesow) folgen der Einladung der sehr wohlhabenden, aber mit ihnen zerstrittenen Schwiegerfamilie Streuble. Zum ersten Mal besuchen sie ihre Schwester Sabine Meurer-Streuble (Claudia Michelsen) zu Weihnachten im »Westen«.

Auf der Rückbank des Meurer-Sanitär-Wagens: Thorstens uneheliche Tochter Jäcki (Luise von Finckh). Erstmals verlässt die 20-Jährige ihre Plattenbau-Siedlung aus DDR-Zeiten in Lassahn und trifft in einer herrschaftlichen Villa in Schwaben auf ihre Familie.

Während Sabine noch auf sich warten lässt, begrüßt ihr Mann Alexander (Oliver Wnuk), CEO des Familien-Sanitär-Unternehmens Streuble, die Ankömmlinge gemeinsam mit seinen Eltern Elisabeth (Nicole Heesters) und Karl-Eduard (Wolf-Dietrich Sprenger), seiner Schwester Dorothee (Andrea Sawatzki) und seiner Tochter Simone (Lena Klenke).

Aber noch bevor der Festbraten auf den Tisch kommt, kochen alte Konflikte hoch, garniert mit gegenseitigen Vorurteilen und Anschuldigungen.

Der Höhepunkt des friedlosen Festes: Statt der Bescherung gibt es eine Entführung.

Hintergrund

»Das Fest der Liebe« ist eine Produktion der Florida Film im Auftrag der ARD Degeto für die ARD-Mediathek. Produzentin und Produzenten sind Maren Knieling, Sebastian Schultz und Klaas Heufer-Umlauf. Die Regie führt Jan Georg Schütte gemeinsam mit Co-Regisseur Sebastian Schultz. Die Bildgestaltung dieses Multikamera-Projekts verantwortet Nikolas Jürgens. Die Redaktion liegt bei Carolin Haasis und Christoph Pellander (beide ARD Degeto).

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