Multikamera-Impro-Projekt »Das Fest der Liebe«
Jan Georg Schütte inszenierte in »Das Fest der Liebe« ein Familienfest der besonderen Art: mit 45 Kameras und improvisiertem Schauspiel. Wie es gelang, die Herausforderungen dieser Produktion zu lösen, erläutert DoP Nikolas Jürgens.
Innerhalb von drei Drehtagen mit 45 Kameras vier rund 40-minütige Episoden einer Miniserie zu drehen, das ist absolut rekordverdächtig. Und genau so wurde »Das Fest der Liebe« gedreht: Eine Produktion, die im Auftrag der ARD Degeto für die ARD-Mediathek realisiert wurde. Im Hauptprogramm der ARD startet die Serie am 22. 12. 2023.
DoP Nikolas Jürgens betreute das Projekt über mehrere Monate hinweg, denn ein solches Mammutprojekt erfordert natürlich intensive Vorbereitung.
Das Equipment für die Multikamera-Produktion lieferte der Ludwig Kameraverleih, der nicht nur über den ausreichenden Gerätebestand dafür verfügt, sondern auch die notwendige Leistungskraft mitbringt und in ganz Deutschland aktiv ist.
Improvisierte Miniserie
»Das Fest der Liebe« ist sozusagen die zweite Staffel von »Das Begräbnis«, einer improvisierten Miniserie, die im vergangenen Jahr mit großem Erfolg in der ARD lief. Insbesondere in der jüngeren Zielgruppe war sie sehr erfolgreich, vor allem auch bei den Streaming-Abrufen in der ARD-Mediathek.
Regisseur Jan Georg Schütte hatte die Miniserie mit damals 57 Kameras innerhalb eines Drehtags realisiert und sich dabei auf die Improvisationskraft seiner Schauspieler und Schauspielerinnen verlassen.
Er wurde nicht enttäuscht. In tragenden Rollen hatten Luise von Finckh, Charly Hübner, Claudia Michelsen, Gustav Schmidt und Devid Striesow mitgespielt. Für das Schauspiel-Ensemble gab es lediglich Vorgaben und Rollenprofile, auf deren Basis dann improvisiert wurde.
Auch in der zweiten Staffel »Das Fest der Liebe« improvisieren die Darstellerinnen und Darsteller ohne ausformuliertes Drehbuch.
Zum Ensemble der Produktion der Florida Film gehören die aus »Das Begräbnis« bekannten Figuren, erneut gespielt von Luise von Finckh, Charly Hübner, Claudia Michelsen, Gustav Schmidt und Devid Striesow. Neu dabei sind als Schauspielerinnen und Schauspieler Nicole Heesters, Lena Klenke, Andrea Sawatzki, Wolf-Dietrich Sprenger und Oliver Wnuk — und auch der Regisseur Jan Georg Schütte spielt eine Rolle.
Sie alle spielen Rollen als Mitglieder oder Bekannte der im Film porträtierten Familie Meurer und sie treffen sich zu einer gemeinsamen Weihnachtsfeier.
Grimme-Preisträger und Regisseur Jan Georg Schütte und Co-Regisseur Sebastian Schultz sagen über die Fortsetzung:
»Nach dem Tod des Patriarchen in ‚Das Begräbnis‘ hat uns die Degeto gebeten, die göttliche Ordnung durch ein neues Leben wieder herzustellen. Da lag es nahe, die Fortsetzung am Tag der Geburt Christi spielen zu lassen.«
Arbeitsweise
»Das Fest der Liebe« ist bereits das achte Projekt, das DoP Nikolas Jürgens mit Regisseur Jan Georg Schütte realisierte.
»Jan hat eine sehr spezielle Art, Filme zu machen. Über die Jahre hat sich sein Improvisationsverfahren gut eingespielt«, erklärt Nikolas Jürgens.
Jan Georg Schütte gibt seinen Schauspielerinnen und Schauspielern grundsätzlich die Möglichkeit, über einen Zeitraum von bis zu 12 Stunden am Stück zu spielen. »Es gibt wirklich kaum Unterbrechungen«, bestätigt Nikolas Jürgens, »und auch die Technik folgt dieser Maxime und ordnet sich unter. Das macht Jans Werke so besonders, und die Schauspieler lieben es.«
Er erklärt weiter: »Die Figuren kommen mit Biografien zum Set, sie haben Geheimnisse und Ziele, und sie haben dafür einen groben Laufzettel bekommen. Das sind die Vorgaben, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Stelle zeigen sollen. Natürlich gibt es auch Beziehungen der Figuren untereinander. Und daraus entwickelt sich dann das gesamte Spiel.«
Das Improvisationsverfahren
Jan Georg Schütte und Co-Regisseur Sebastian Schultz entwickeln ihre Stoffe sehr intensiv und erarbeiteten für »Das Fest der Liebe« eine Figurenkonstellation mit sehr aufwändigen Charakterbögen. Dem steht auf der anderen Seite das freie Schauspiel gegenüber, das natürlich von der intensiven Stoffentwicklung profitiert und davon befruchtet wird.
So frei das Schauspiel auch ist, einige Eckdaten braucht es natürlich, um den Raum und den Rahmen zu definieren, in dem das Ganze stattfinden kann. So legt das Team um Regisseur Jan Georg Schütte einige Drehorte fest. In diesem Raum schafft das Kamerateam dann eine Art Grundeinstellung, aus der heraus weiter agiert wird.
Beim gesamten Dreh werden die Kameraleute zwischen einem Bühnen- und einem Personenprinzip aufgeteilt. Das bedeutet: Es gibt Situationen, die einem bestimmten Raum oder Bereich zugeordnet sind, und es gibt Situationen, die bestimmten Personen zugeordnet sind. Daraus leitet sich dann ab, wer wann und wo drehen soll und wer welchen Schauspieler, welche Schauspielerin verfolgen soll.
Von den vielen Kameraleuten sollen einige eher nahe Einstellungen drehen und andere eher totalere Einstellungen. Das ist von vornherein festgelegt.
»Wir haben aber festgestellt, dass die Kameraleute dazu tendieren, sich im Verlauf des Drehs immer mehr anzugleichen. Wer beispielsweise für nahe Einstellungen eingeteilt sei, habe oft das Gefühl, zu nah dran zu sein und deshalb aufziehen zu müssen, während jene Kameraleute, die total drehten, oft das Gefühl entwickelten, näher ran zu müssen. »Das ist ein interessanter Effekt, der bei diesem Gruppendreh auftreten kann und über den man sich bewusst sein muss«, sagt Jürgens. Deshalb sei es wichtig, dass jeder/jede die ihm/ihr zugeteilte Aufgabe gut kenne und sie auch verinnerliche. »Letztlich müssen sich alle ein stückweit unterordnen und als Rädchen im System funktionieren«, sagt Nikolas Jürgens.
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