Tender Hearts: Look und Grading mit DaVinci Resolve
Colorist Martin Szafranek und DoP Johannes Louis über den Look der Sky-Serie »Tender Hearts« — und die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit von DoP und Colorist.
Gestalterische Besonderheiten
Johannes Louis fand es besonders spannend, dass er gemeinsam mit den Szenenbildnern intensiv am Aussehen der Welt arbeiten konnte, in der die Hauptfigur Mila und ihr Android Bo lebten.
»Wir mussten letztlich die Frage beantworten, wie die Zukunft in 30 bis 40 Jahren aussieht, beziehungsweise, wie wir sie uns vorstellen. Das berührte Themen wie die Klimakrise, aber auch die Frage, wie Handys oder die entsprechenden Nachfolgeprodukte in 40 Jahren aussehen könnten. Daraus wollten wir eine kohärente Welt schaffen. Das war die große Herausforderung, aber auch der große Reiz dieses Projekts. Wir machten uns Gedanken über die Baustoffe der Zukunft, aber auch über Oberflächen-Charakteristiken und -Beschaffenheiten. Anders als viele andere, eher kühle, weiße und glänzende Zukunftsvisionen schufen wir eine Zukunft, die eher warm wirkt.«
Die Inspirationen für all diese Fragen lieferten einerseits Mood-Boards, aber unter anderem auch andere Filme. Im Fokus unter den Filmvorbilder-Moods stand hier der Spielfilm »Her«. Dieser Spielfilm von Spike Jones mit dem Schauspieler Joaquin Phoenix war aus visueller Sicht eines der prägenden Vorbilder für den Look von »Tender Hearts«.
Den Look der Zukunft finden
Dass die Serie »Tender Hearts« in der Zukunft spielt, musste sich natürlich auch visuell niederschlagen. »Ich wollte also nicht diesen typisch weißen, kalten Science-Fiction-Look, sondern einen warmen Look, der sich aber dennoch davon abheben sollte, was wir aus unserer Realität kennen. Ich dachte mir, dass ein stärkerer, individueller Look die Geschichte auch in sich besser zusammenhalten würde, und so kam ich bei der Hauptkamera auf die Idee, mit Anamorphoten zu drehen. Wir haben mit sehr viel Flares gearbeitet und wollten einen eher warmen, organischen Grundton aus der Hauptkamera herauskitzeln«, erzählt Johannes Louis.
Martin Szafranek erläutert: »Es geht ja letztlich auch um eine Liebesgeschichte, deshalb wollten wir schon eine gewisse Wärme transportieren. Die Liebesgeschichte zwischen Mila und dem Androiden Bo sollte angenehm und zugänglich sein, aber nicht bunt. Sie sollte auch das Potenzial bieten, mit kontrastierenden Stimmungen zu arbeiten.«
Enge Zusammenarbeit von DoP und Colorist
Für Johannes Louis ist der Colorist oder die Coloristin bei jedem Dreh der wichtigste kreative Gegenpart. »Ich habe es deshalb bei meinen Projekten in den vergangenen Jahren immer so gehalten, dass ich mich schon vor dem Dreh mit den Colorist_innen abgesprochen habe und mit einer gemeinsam entwickelten LUT in den Dreh ging.« So war es auch bei »Tender Hearts«.
Martin Szafranek und Johannes Louis trafen sich bereits drei Monate vor Drehbeginn und diskutierten über den grundsätzlichen Look.
Louis gestaltete dabei erste Mood-Boards und Filmbeispiele, Szafranek steuerte daraufhin eigene LUTs bei, die in diese Richtung gingen.
»Diese LUTs konnte ich dann bei der Location Tour schon in die FX3 einspielen und so einen ersten Eindruck gewinnen, wie sich der Ort in unserem Look abbilden würde«, erläutert der DoP Louis.
Kurz vor Drehbeginn gab es dann noch einen ausführlichen Kameratest an ersten Drehorten und auch im Studio, teilweise auch mit Schauspielern. Schlussendlich entwickelten die beiden zwei unterschiedliche LUTs für jede der beiden Kameras: eine für Tag innen und eine für Tag außen.
Martin Szafranek findet: »Wenn man schon frühzeitig miteinander über den Look spricht, kann beim Dreh direkt in die richtige Richtung produziert werden. Das vereinfacht den Gradingprozess und bietet mehr Sicherheit, dass der gewünschte Look erzielt wird. Wenn im Gegensatz dazu der Colorist erst im Final Grading dazukommt, muss dann gesehen werden, was mit dem gedrehten Material möglich ist.«
Das sieht auch Johannes Louis so. Er urteilt: »Eigentlich setzt man den grundlegenden Look eines Films schon beim Drehen. In der Postproduktion wird er dann nur noch weiter verfeinert. Mit dem Gestalten einer LUT holt man sozusagen die Postproduktion ans Set und schafft damit die wichtigste Entscheidungsgrundlage für den Dreh.«
Letztlich müsse man wegkommen von dem Gedanken, dass Dreh und Postproduktion voneinander getrennte Gewerke seien. Beides müsse viel enger verzahnt werden, findet DoP Louis.
Das bestätigt Colorist Szafranek: »Je früher man miteinander spricht, desto besser ist es für das Grading und somit für das Endprodukt.«
Hochwertige Dailies für mehr Sicherheit am Set
Johannes Louis erklärt: »Wir hatten keinen DIT am Set, die Dailies wurden stattdessen mit DaVinci Resolve bei Cine+ im Postproduktionshaus gemacht. Diesen Job übernahm Daniel Mai, ein Dailies-Colorist, den Martin zuvor intensiv gebrieft hatte.«
»Daniel Mai kennt meine Arbeitsweise und hat auch meine Node-Struktur aus DaVinci Resolve übernommen. Er arbeitet dadurch in dieselbe Richtung wie ich«, erklärt Martin Szafranek.
Der Austausch zwischen den beiden war in der Dailies-Phase sehr eng. »Daniel schickte mir immer Previews der Dailies, und danach bekam sie auch Johannes, der Kameramann zu Gesicht und konnte dazu bei Bedarf etwas sagen.«
Szafranek findet, dass diese Form der Zusammenarbeit bei den Dailies der Produktion viel Sicherheit während des Drehs gibt. »Die Beteiligten wissen einfach, dass sie auf dem richtigen Weg sind, weil sie schon eine ziemlich gute Idee davon bekommen, wie das Bild am Ende ungefähr aussehen wird.«
Einen Look im Grading über eine gesamte Produktion trotz unterschiedlichstem Material auf demselben Niveau zu halten und dabei auch noch schnell und effizient zu arbeiten, gehe nur mit viel Erfahrung. »Das ist ähnlich, wie wenn man ein Instrument erlernt: Nach einem Jahr Üben kann man zwar schon etwas auf dem Instrument spielen, aber in all seinen Facetten beherrscht man es erst nach jahrelanger Erfahrung.«, so Martin Szafranek. So verhalte es sich auch im Grading. Erst die jahrelange Erfahrung mit Resolve ermöglicht es immer schnell einen richtigen Weg zu finden.
DoP Johannes Louis nutzt DaVinci Resolve im Vorfeld für seine Tests auch selbst. »Hier mache ich auch kleine Farbkorrekturen und lade auch mal vorproduzierte LUTs. Deshalb mag ich es, wenn der Colorist auch mit Resolve arbeitet, dann kenne ich die Oberfläche etwas. Aber ich bin natürlich kein Spezialist darin, wie es eben der Colorist ist.«
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