Wie produzieren wir morgen?
Den Wandel der Produktionsinfrastrukturen beleuchtete das Panel »Wie produzieren wir morgen?«.
Die Perspektiven und Potenziale moderner Live-Produktion beleuchteten die Diskussionsteilnehmer Stefan Hennecke (Head of Production Technology beim Bayerischen Rundfunk), Carsten Higler (Hauptabteilung Produktion beim SWR), Stefan Kollinger (Innovation Officer, Direktion für Technik und Digitalisierung beim ORF) und Thomas Schwarz (SVP Content & Production Solutions, ProSiebenSat.1 Media SE).
Moderiert wurde das Panel von Dr. Erkan Arikan, Journalist & Moderator. Die Online-Veranstaltung wurde unterstützt von Sony, Nevion und Logic.
Dr. Erkan Arikan eröffnete die Veranstaltung mit der Feststellung, dass der technologische Wandel den Einsatz hybrider Arbeitsmodelle beschleunigt habe — nicht zuletzt aufgrund der Pandemie. Von den Teilnehmern des Panels wollte er wissen, wie heute zeitgemäß produziert werde.
Carsten Higler bezeichnete den SWR als Vollsortimenter, der alle Ausspielwege bediene und dabei noch vergleichsweise klassisch produziere. In Zeiten, in denen das Geld aber knapper werde, müsse mit gleich viel und teilweise auch weniger Personal schlanker produziert werden, damit der Sender mehr Kraft ins Digitale stecken könne. Nachdem sich der SWR zur Schließung seiner Werkstätten entschieden habe, beschäftige man sich auch mehr mit Themen wie Virtual Production und virtueller Set-Technik, um diesen Verlust mit dem Einsatz neuer Technologien etwas aufzufangen.
Stefan Hennecke vom BR nahm den Begriff des Vollsortimenters auf und erläuterte, dass der BR sich davon wegbewege und sich nun vielmehr auf die Bereiche Information und Aktuelles konzentriere und fokussiere. Bedingt durch den Personalabbau beim Sender befinde man sich inmitten eines Change-Prozesses, bei dem es darum gehe, mit smarter Produktion den Personalabbau aufzufangen. »Wir befinden uns inmitten der Transition«, sagte Hennecke, man teste neue Arbeitsweisen, unter anderem bei einem BR24-Pilotprojekt.
Auch Stefan Kollinger betonte, dass sich der ORF in einem Transformationsprozess befinde. Man bewege sich weg vom Broadcaster hin zum Plattformunternehmen. Technisch begleite der ORF diese Entwicklung mit dem Bau eines neuen IP-Backbones, der Multifunktionalität ermögliche und letztlich auch die Konvergenz unterschiedlicher Medien bei den Zuschauenden abbilde.
Gefragt nach den Herausforderungen, mit denen die Privaten kämpfen, entgegnete Thomas Schwarz von ProSieben Sat.1, dass auch für seine Sendergruppe der Kosteneindruck enorm hoch sei, denn es gebe Konkurrenz auf allen Plattformen, und Werbeeinnahmen gingen derzeit wieder zurück. Deshalb beschäftige man sich — wie alle — stark mit IP-Technik, evaluiere Cloud-Angebote, die es ermöglichen könnten, schneller zu produzieren. Dabei stünden auch Themen wie 5G im Fokus.
Für den SWR besteht eine der Herausforderungen darin, Mitarbeitende für die neuen Arbeitsweisen zu schulen, denn die technologische Transformation von Baseband hin zu IP verändere letztlich viele Berufsbilder. Man müsse die Mitarbeitenden auf dieser Reise mitnehmen, sagt Carsten Higler. Zudem sei auch viel anderes und neues Know-how gefordert, etwa, wenn es um Cloud-Themen gehe.
Beim BR, wo eher Personal abgebaut werde, entwickle man sich von der Manufaktur hin zur technologie-basierten Produktion, so Stefan Hennecke. Wichtig sei es, den damit einhergehenden mentalen Change zu vollziehen. Hinter allem stehe die Notwendigkeit, schlanker zur produzieren — und dafür müssten neue Technologien genutzt werden.
In einer ähnlichen Situation befinde sich auch der ORF, so Stefan Kollinger, der sich für die IP-Transition ebenfalls neues Know-how ins Unternehmen holen müsse. Während IP-Technik die Arbeitsbilder im operativen Bereich eher weniger veränderte, habe IP im Bereich Monitoring und Messung ganz neue Anforderungen.
Dr. Erkan Arikan leitete nach diesen Erläuterung auf die eigentliche Frage des Panels über: Wie müssen Produktionen in Zukunft aussehen?
Thomas Schwarz glaubt, dass es auch künftig noch die großen Leuchtturm-Produktionen geben werde. Es werde aber auch jene Produktionen geben, bei denen man ohne großen Aufwand mit Cloud-Technik schnell etwas produzieren werde. Letztlich gebe der Business-Case dahinter die Produktionsweise vor.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darin, dass Remote-Produktionen nach nahezu drei Jahren Pandemie in etlichen Bereichen Standard geworden seien. Carsten Higler merkt an, dass es natürlich auch immer vom jeweiligen Job und Gewerk abhänge, ob und wie gut remote gearbeitet werden könne. Für Grafiker oder auch Regisseure etwa sei dies meist problemlos möglich. Auch Podcasts oder Hörspielproduktionen produziere der SWR auf diesem Weg — und auch bei Musikproduktionen sei das schon Realität. Kurzum: Remote-Produktion habe beim SWR einen hohen Stellenwert, weil man damit nachhaltiger und kosteneffizienter produzieren könne.
Das sei auch beim BR der Fall, so Stefan Hennecke. Der Sender habe beispielsweise beim Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen, bei Olympia in Peking und bei etlichen anderen Events remote gearbeitet. Die Redaktion arbeite allerdings nach wie vor gerne vor Ort, weil das für die Berichterstattung letztlich zusätzliche Impulse liefere. Aber selbst das werde nun meist mit kleineren Teams vor Ort realisiert, so Hennecke.
Stefan Kollinger vom ORF findet, dass man zwischen Remote- und Cloud-Produktion deutlich differenzieren müsse. Während die Remote-Produktion gut funktioniere, müsse man Cloud-Produktion noch intensiver testen und ermitteln, was machbar sei – und was eben nicht. Man brauche beispielsweise noch mehr Edge-Devices, und auch höhere Bandbreiten wären hilfreich.
Stefan Hennecke erläutert, dass der BR auch auf satellitenbasierte Netzwerke setze, hier habe man mit Starlink schon gute Erfahrungen gemacht. Solche Netzwerke in Kombination mit Mobilfunk und vielleicht mit LAN und 5G Campusnetzwerken könnten für Cloud-Produktionen durchaus eine gute Grundlage bilden, so Hennecke, wenngleich er noch Herausforderungen bei Echtzeitanwendungen sehe.
Thomas Schwarz findet, dass man bei Cloud-Produktionen die Latenzen noch in den Griff bekommen müsse. Auch Security-Aspekte spielten ein großes Thema. Bei ProSiebenSat.1 beschäftige sich ein eigenes Team mit Security-Themen, und es sei sehr schwierig, dafür die Experten zu finden, so Schwarz.
Auf eine Frage aus dem Chat, was die Panel-Teilnehmer von der Cloud erwarteten, antwortete Stefan Hennecke für den BR, dass man langfristig eine Kostenersparnis und kurzfristig Flexibilität anstrebe. Er führte noch einen weiteren Aspekt an, als er sagte, dass es für einen großen Cloud-Anbieter sicher leichter sei, sein Rechenzentrum CO2-neutral zu gestalten als es dies für den BR wäre.
Dem pflichteten Carsten Higler und Thomas Schwarz bei, die betonten, dass sich Green-IT und Nachhaltigkeit mit Cloud-Produktionen voranbringen ließen.
Stefan Kollinger ergänzt, dass man als Sender nicht jede Technik vorhalten könne, und dass sich dieses Problem ebenfalls mit der Cloud lösen lasse.
Eine weitere Frage aus dem Chat lautete, ob sich die Sender vorstellen könnten, sich gegenseitig mit Produktionsmitteln auszuhelfen? Hier waren sich die Panel-Teilnehmer einig, dass dies aus technischer Sicht nicht einfach zu realisieren sei. Viel wichtiger sei es, die technischen Ressourcen jeweils im eigenen Haus zu optimieren und für eine nahezu 100%ige Auslastung zu sorgen.
Auch die Sorge, ob man bei Cloud-Anwendungen immer wisse, wo denn die Daten verarbeitet würden, beschäftigte die Zuhörenden, und ebenso, ob es eine Alternative zu den US Clouds gebe. Letzteres halten die Panel-Teilnehmer zwar für wünschenswert, aber dennoch eher für unrealistisch. Stefan Hennecke betont zudem, dass man Daten eben verschlüsseln müsse, wenn man den großen Cloud Anbietern nicht vertraue, und glaubt persönlich, dass die großen Cloud Anbieter Datenschutz respektierten.
Abschließend ging es noch um die Frage, wie zufrieden die Teilnehmer mit den Prozessen und Lösungen seien, die ihnen die Hersteller anbieten.
Thomas Schwarze findet, dass es generell sehr hilfreich wäre, wenn die Hersteller ihre Lösungen vereinfachen könnten. Insbesondere in der IP-Welt finde derzeit aber eher das Gegenteil statt. Auch Stefan Hennecke wünscht sich mehr funktionierende Lösungen, die Komplexität herausnehmen. »Wir brauchen etwas, das den Betrieb vereinfacht«, sagte er.
Stefan Kollinger resümiert, dass sich die Hersteller anpassen müssen, aber deren Kunden eben auch. Das sieht auch Carsten Hilger so, der die Hersteller ermutigt, vom Customizing wegzugehen. »Wir versuchen gerne, mit solchen Produkten zu leben. Je weniger komplex, desto besser«, so Higler.
Auf die abschließende Frage, ob es denn gute Tipps für die Planung eines komplexen IP-Projekts gebe, antworteten die Teilnehmer in großer Einigkeit, dass man sich mit Kollegen austauschen solle und nicht jeden Fehler selber machen müsse. Projekte zu unterteilen, zu recherchieren, wie andere bestimmte Probleme lösen und sich möglichst nicht zu viel auf einmal vorzunehmen, hielten die Teilnehmer für erfolgversprechende Herangehensweisen.
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Weitere Infos liefert unverbindlich das Sony Media Solutions Team: mediasolutions@sony.com