75 Jahre TV-Geschichte – Made in Hamburg-Tonndorf
Eine Dokumentation gibt überraschende wie nostalgische Einblicke in die Entwicklung der »Traumfabrik« am Rande Hamburgs.
Hamburg lag nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern. Zwei jüdische Überlebende, Gyula Trebitsch und Walter Koppel, hatten einen ambitionierten Plan: nach der Nazizeit kein »verlogenes Illusionskino« zu produzieren, sondern realitätsnahe Geschichten zu erzählen. Real-Film GmbH hieß die neue Firma und wurde am 10. Januar 1947 gegründet. Als eine der ersten Produktionsfirmen erhielt sie in der britischen Besatzungszone eine Lizenz. Gyula Trebitsch, in Budapest geboren, wurde am 2. Mai aus einem Außenlager des KZ Neuengamme befreit. Walter Koppel, von den Nazis wegen Rassenschande zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, überlebte in einem jüdischen Krankenhaus. Die beiden legten den Grundstein für eine der größten deutschen Filmproduktionen der Nachkriegszeit, holten Filmstars in den Norden und bauten nach und nach ein Studiosystem nach dem Vorbild Hollywoods auf.
Der erste dort produzierte Film hieß »Arche Nora« und vermittelte nach Jahren des Krieges und der Zerstörung ein optimistisches Lebensgefühl. Zwei junge Leute auf einem Kahn retten eine schwangere Frau vor dem Selbstmord und geben ihr Lebensmut für einen Neubeginn. Alles musste in diesen schweren Zeiten improvisiert und aufwendig besorgt werden, bis zu den kleinsten Requisiten. Jeden Abend wurden die Nägel aus den alten Dekorationen gezogen, um sie für neue Szenen wieder zu verwenden. Das täglich gelegte Ei eines Requisiten-Huhns, das geliehen wurde, musste jeden Abend dem Besitzer übergeben werden. Das Kaffeegeschirr für die Kombüse des Schiffs stammte vom Hamburger DOM, erworben mit 68 Gewinnen bei einer Losbude.
1948 begannen die Dreharbeiten auf dem heutigen Gelände in Hamburg-Tonndorf mit dem Film »Die letzte Nacht«. Dazu wurde eine alte Offiziersvilla angemietet. Schritt für Schritt entstand um diese Villa ein Studiosystem mit Werkstätten, Garderoben und Ateliers. Stars wie Heinz Rühmann, Marika Rökk, Curd Jürgens, Zarah Leander und Hans Albers drehten hier. Mehr als 100 Filme entstanden auf dem Gelände. Der größte Erfolg war »Der Hauptmann von Köpenick«, der zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer in die Kinos zog und sogar eine Oscar-Nominierung in Hollywood erhielt.
In den 1950er-Jahren erlebte die Real-Film GmbH mit Kinoproduktionen ihre Blütezeit. Bis das Fernsehen aufkam und die Umsätze einbrachen. Anfang der 1960er-Jahre trennten sich die Wege der beiden Real-Film-Gründer. Während Walter Koppel weiter Kinofilme herstellte, setzte Gyula Trebitsch auf das neue Medium Fernsehen. Walter Koppels Kinoproduktionen waren erfolglos. Gyula Trebitsch baute das Gelände zum Studio Hamburg um, zu einer der größten Film- und Fernsehproduktionsstätten Deutschlands. Die Villa auf dem Studiogelände ist heute nach Gyula Trebitsch benannt.
Diese Dokumentation von Andreas Vennewald und Jeannine Apsel gibt überraschende wie nostalgische Einblicke in die Entwicklung der »Traumfabrik« am Rande Hamburgs und blickt dabei auch hinter die Kulissen der erfolgreichen Serien »Großstadtrevier« und »Rote Rosen«.