Voller Erfolg: European Championships 2022
Ein Produktionsreport über das erfolgreiche Multisport-Event in München – mit Infos des Hosts, der zentralen Dienstleister Riedel, EMG, Lawo und der Sender ARD/BR und ZDF.
ARD und ZDF
ARD und ZDF arbeiteten bei der Produktion der European Championships eng zusammen und sorgten über die gesamte Zeit hinweg für umfassende Berichterstattung im Fernsehen, online und auch im Radio. Hinzu kam eine umfassende Social-Media-Berichterstattung.
ARD und ZDF berichteten, wie bei solchen Großveranstaltungen üblich, im täglichen Wechsel gemeinsam über die Wettkämpfe und teilten sich dabei auch den Großteil der nötigen Produktionstechnik. Dazu gehörte auch die am Olympiaberg installierte Presenter-Plattform, von der aus alle Wettbewerbe anmoderiert wurden.
Das Sendevolumen betrug jeweils rund 60 Stunden Live-Berichterstattung im TV sowie gut 300 Stunden auf bis zu sechs parallel laufenden Livestreams in den Mediatheken von ARD und ZDF.
IBC: Produktionsmittel im Überblick
Tobias Martin, Technischer Leiter des BR, erläutert, dass man vor Ort im IBC mit drei Ü-Wagen vertreten war, konkret mit dem FÜ1 des BR und mit MP4 und MP5 des ZDF. Der Schaltraum war im MPS-S-Container des ZDF untergebracht. »Wir mussten den MPS-S für diese Produktion erweitern und beauftragten Riedel Communications damit, eine Videostruktur zu installieren«, erklärt Bernd Brehm, Technischer Leiter des ZDF. Über die Riedel Micron-Installation wurden bis zu 64 Signale vom TOC (Technical Operation Center) übernommen und an die verschiedenen ARD-/ZDF-Produktionsmittel vor Ort transferiert.
Weiter gab es im IBC neun Avid-Schnittplätze, die im ZDF-Container, MPS-E Container und den zwei Schnittmobilen DPM1 und 2 untergebracht waren, erläutert Steffen Berlipp, Technischer Leiter des ZDF. Für die ARD hatte der BR zudem auch die Hörfunk-Arbeitsplätze im IBC untergebracht.
Eigene Technik an diversen Venues
Für die Produktion der European Championships nutzten ARD und ZDF umfangreiches Bild- und Tonmaterial, das der Host zur Verfügung stellte – so wie das üblich ist bei solchen Events. Zusätzlich waren die beiden Sender an einigen Venues aber auch mit eigener Technik vertreten, um zusätzlich eigene Bilder zu produzieren und die nationalen Athleten in den Fokus zu rücken.
Beim Rudern etwa war etwa der BR mit dem Ü-Wagen FÜ2 an der Regattastrecke in Oberschleißheim vertreten, erläutert Tobias Martin, Technischer Leiter des BR.
Er ergänzt: »Mit einer zusätzlichen eigenen Kamera konnten wir deshalb bei den Wettbewerben dort noch mehr eigene Schwerpunkte setzen.«
Bei den Bahnrad-Wettbewerben, die in der Messe Riem in einer eigens dafür umgebauten Messehalle abgehalten wurden, hatten die beiden Sender eine Remote-Anbindung mit einer eigenen Kamera mit langer Brennweite realisiert. »Damit wollten wir natürlich insbesondere die deutschen Athleten besser verfolgen«, so Tobias Martin, BR. Diese Kamera war über eine Video- und eine 10-Mbit-Leitung Leitung für die Steuerung sowie GPI für Tally zzgl Kommando an den MP5 angebunden..
Für die Produktion der Leichtathletikwettbewerbe, die zur Primetime übertragen wurde, hatten ARD und ZDF im Olympiastadion in München fünf zusätzliche eigene Kameras platziert. Zwei davon waren mit besonders langen Brennweiten von Canon bestückt (111x und 95x).
Eine Grass Valley Superslomo-Kamera fungierte auf der Geraden als Head-on-Kamera, konnte also beispielsweise Gina Lückenkemper bei ihrem grandiosen Sieg im 100m-Finale der Frauen perfekt in Szene setzen. Mit einer Grass Valley-Drahtloskamera zeichneten die Sender Trainerinterviews auf, mit einer weiteren Ikegami-Kamera die Interviews in der Mixed Zone.
Ebenfalls im Stadion vorgesehen waren ein Kommentatorplatz fürs TV und einer für die Streams.
»In der Olympiahalle betrieben wir ebenfalls zwei unilaterale Kameras: eine, um TurnerInnen zu verfolgen, und eine weitere in der Mixed Zone. Zudem hatten wir dort noch zwei Kommentatorpositionen belegt«, erläutert Bernd Brehm.
Regien
Die Senderegie (PCR) auf dem IBC-Gelände wickelte der BR mit dem FÜ1 ab. »Hier liefen alle Signale zusammen, und auch OffTubes, Außenstellen und Subregien waren hier angebunden«, erklärt Tobias Martin vom BR.
Mit diesem Fahrzeug war auch die Presenter-Position auf dem Olympiaberg verbunden. ARD und ZDF profitierten hier definitiv davon, dass das komplette Olympiagelände schon im Vorfeld eine neue Glasfaservernetzung erhalten hatte. »Wir mussten also keine eigenen Kabel ziehen, sondern konnten an der Presenter-Position mit unseren drei Kameras und Stageboxen via Fibre-Hub an die vorhandene Vernetzung andocken«, so Bernd Brehm.
Neben der Senderegie im FÜ1 des BR betrieben ARD und ZDF auch noch zwei Subregien im IBC: eine fürs Turnen aus der direkt angrenzenden Olympiahalle und eine fürs Bahnradfahren.
Mit dem ZDF MP4 wickelten die Sender die komplette Leichtathletik ab. Der MP4 ist im Prinzip baugleich zum MP5.
Ergänzt wurde der MP4 mit einer Subregie, dem MPS-R, der drei achtkanalige EVS-Maschinen beherbergte. »Damit zeichneten wir die anderen Leichtathletik-Feeds auf und konnten sie nachschieben – das übliche Prozedere bei der Leichtathletikproduktion, wenn viele Wettbewerbe parallel stattfinden«, so Bernd Brehm.
Ein weiterer Container fungierte als Streaming-Regie. »Hier konnten wir maximal fünf Signale parallel streamen und zusätzlich noch einen von der Schwimm-EM in Rom«, sagt BR-Mann Tobias Martin.
Da die Schwimm-EM abgekoppelt von den European Championships stattfand, liefen in München zwei Signale aus Rom auf: Eines für die TV-Übertragung, eines für den Live-Stream, welcher wegen des Zusetzens einheitlicher Grafik-Inserts auch über München geführt wurde.
Eine Besonderheit: Die Kommentatoren der verschiedenen Streams saßen in der Regel direkt vor Ort an den Venues. Weil allerdings nicht überall Fully-Equiped-Positionen gebucht waren, gab es auch noch vier Off-Tubes, die fürs Kommentieren an die Streaming-Regie angedockt werden konnten.
Schnitt/Postproduktion
Für den Schnitt hatte das ZDF die beiden DPM-Schnittmobile und einen MPS-E Schnittcontainer vor Ort im IBC platziert. »Wir hatten neun Avidschnittplätze installiert, die alle an einen zentralen Nexis-Server mit Interplay angebunden waren«, erläutert Steffen Berlipp, Technischer Leiter ZDF. »Vertonungsmöglichkeiten gab es direkt in Sprecherkabinen der DPMs und mit Mischpulten direkt an den Schnittplätzen.« Für hochwertige Vertonungen hatte der Sender einen Protools-Audiomixplatz in einem Container eingerichtet. Für die Grafik waren Vizrt-Arbeitsplätze vorgesehen.
Zehn EB-Teams mit LiveU-Technik
Während der European Championships waren für ARD und ZDF zehn ENG-Teams mit LiveU LU610-Systemen unterwegs. Sie drehten klassisches ENG-Material, standen aber auch für Drehs in der Mixed Zone zur Verfügung. Über die LiveU-Systeme konnten sie das gedrehte Material direkt ins IBC transferieren. »Hierfür hatten wir an etlichen Venues Internet-Leitungen gebucht, um eine dedizierte Bandbreite zu haben und diese mit den LTE-Karten der LiveU-Systeme bündeln zu können«, so Steffen Berlipp.
ARD und ZDF hatten für den Empfang dieser Signale im IBC drei LiveU-Server installiert, die jeweils die Signale von vier LiveU-Units empfangen konnten.
»Dass wir an den Venues mit LiveU-Units arbeiteten, reduzierte die Produktionskosten deutlich, und bei Interviews hat sich diese Technik absolut bewährt«, sagt Steffen Berlipp. Tobias Martin ergänzt, dass sich die LiveU-Technik so gut etabliert habe, dass man sie nun eben auch in einer Größenordnung wie dieser einsetzen könne. Interessanter Rand-Aspekt: Bei gutem Wetter waren die LiveU-Teams mit eBikes unterwegs.
Kommentatorenplätze
Viele Kommentatorenplätze hatten ARD und ZDF fully equipped beim Host gebucht. Sie waren per Riedel DIVA-Netz angebunden und lieferten teilweise auch Rückbilder, sodass die Kommentatoren auch Zusammenfassungen kommentieren konnten.
Überall dort, wo ARD und ZDF mit eigener Technik an den Venues vertreten waren, konkret bei der Leichtathletik, beim Turnen und an der Regattastrecke, statteten die Sender die Kommentatorenplätze mit eigener Technik aus.
Leitungskonzept
MTI realisierte für ARD und ZDF eine umfassende und geo-redundante Glasfaser-Anbindung zum ZDF nach Mainz wie auch zum BR nach Freimann (2 x 10 Gbit). Darüber fanden vom IBC-Compound aus Filetransfers statt, aber auch Bürokommunikation und Videoservices, bestehend aus Sendeleitungen und Playoutleitungen sowie Returnleitungen.
Während das ZDF die Streams von München aus per JPEG2000-Kodierung nach Mainz für die Distribution schickte, nutzte die ARD Nevion Eoncoder, um die Streams zu kodieren und dann für die Distribution zum WDR nach Köln zu schicken.
Als Backup für diese Leitungsführung von ARD und ZDF waren LiveU-Systeme vorgesehen.
Potenzial von SRT
Das Transportprotokoll SRT erlaubt eine sichere und latenzarme Kontribution von Videoinhalten, sowohl übers Internet als auch in lokalen Netzen. In der jüngsten Zeit nutzen immer mehr Broadcaster die Vorteile dieses Protokolls, konkrete Anwendungen gab es auch bei den European Championships.
Bernd Brehm berichtet: »Die Audiodeskription realisierte für uns die Wiener Firma Audio 2, die von uns zum Beschreiben des Bildes einen SRT-Stream erhielt und auf dieser Basis die Deskription produzierte. Die Audiosignale zwischen IBC und Wien (Audio2) wurden via IP-Audiocodec übertragen, das fertige AD-Signal wurde dann im IBC in das Sendesignal eingebettet. Dieser Service hilft Sportfans mit Sehbeeinträchtigung, die European Championships barrierefrei mitzuerleben.« Dabei ging man technisch neue Wege: Die Bildbeschreiber kommentierten das Geschehen remote vom Homeoffice aus. Diese neue Variante der Audiodeskription wurde erstmals von ARD und ZDF bei einem großen Sportevent genutzt.
Auch Tobias Martin vom BR nennt ein interessantes Beispiel für eine SRT-Anwendung: So war das Rückbild, das Reporter bei der Schwimm EM in Rom erhielten, ein SRT-Stream. Wo besonders schnell agiert werden musste, konnten Reporter sogar über iPads mit LTE-Karten via HiVision-App das Rückbild erhalten. »Die Latenz ist mit 500 ms so niedrig, dass man damit durchaus arbeiten kann«, so Martin.
Resümee
Aus der Sicht von ARD und dem federführenden ZDF glich die Produktion der European Championships in München kleinen Olympischen Spielen. Die Berichterstattung von ARD und ZDF war enorm erfolgreich, und die Idee, in dem Multisport-Event viele Sportarten zu kombinieren, ging sehr gut auf. Über weite Strecken machte auch das Wetter mit, sodass es unzählige tolle Bilder von vielen besonderen Locations zu sehen gab und der Funke auch bei den Zuschauern übersprang. Es gibt jenseits von Fußball ein Publikum, das sich durchaus auch für andere Sportarten begeistern kann.
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