Der G7-Gipfel im Fernsehen
Große Teile der TV-Präsenz des G7-Gipfels setzte der BR ins Bild. film-tv-video.de sprach mit Roy Singer, dem zuständigen technischen Leiter für diese Produktion.
Intensive Vernetzung
In der Konsequenz beschloss der BR, eine enge Vernetzung zwischen dem International Media Center (IMC) in Garmisch und seinen Ü-Wagen vor Ort einerseits und dem Sendezentrum des BR in Freimann andererseits umzusetzen.
Ein Indikator dafür, dass sich hier tatsächlich sehr viel verändert hat: Im Jahr 2015 hatte der BR datenmäßig eine 1-Gbps-Leitung gebucht und wickelte darüber die IT und zwei Videoverbindungen ab. In diesem Jahr wurde eine geo-redundante 10-Gbps-Glasfaserstrecke gebucht, über die acht Videoverbindungen nach Freimann und sechs Videoverbindungen von Freimann zurück ins IMC realisiert wurden, 4-Gbps nutzte die BR-EDV und setzte hierfür verschiedene Services um. Für den Hörfunkbereich wurde neben IT-Netzen zusätzlich ein Madi-Service beauftragt.
»Wir haben im Bereich Vernetzung definitiv deutlich größer und globaler gedacht und konnten dadurch unseren Fußabdruck vor Ort insgesamt deutlich reduzieren. Ein Beispiel: an unserem nationalen Ü-Wagen gab es keinen KU-Uplink mehr«, erläutert Roy Singer und fasst zusammen: »So hochgradig vernetzt waren wir bei einem politischen Ereignis noch nie, sowohl im TV-Bereich, wie auch im Hörfunk- und im Online-Bereich.«
Letztlich wurde vor Ort in Elmau und Garmisch von technischer Seite nur vergleichsweise wenig Personal gebunden. Im FÜ1 wurde im Schichtbetrieb gearbeitet: in der Frühschicht setzten neun Techniker/Ingenieure und sieben Kameraleute, in der Spätschicht acht Techniker/Ingenieure und sieben Kameraleute diese Produktion um. Sie realisierten den überwiegenden Teil des Weltbilds. Im FÜ2 gab es sogar nur eine Schicht, bestehend aus fünf Technikern/Ingenieuren und zwei Kameraleuten. Im Schnittkomplex wurde in zwei Schichten gearbeitet.
Rein technisch wurden die redaktionellen Arbeitsplätze in Freimann und Garmisch prinzipiell gleichwertig angebunden: An beiden Orten standen alle redaktionellen und Bearbeitungs-Tools zur Verfügung.
Die Videoverbindungen wurden über Nimbra-Technik realisiert, zusätzlich war aber auch ausreichende Datenkapazität erforderlich. So wurden die sechs Schnittplätze eines Dienstleisters vor Ort angebunden, die file-basiert auf Material aus Freimann zugreifen und auch dorthin abgeben konnten, ohne die Videoleitungen zu belasten. Dafür wurde ein MFT-Server eingesetzt, den der BR vom NDR ausgeliehen hatte.
»Dieses Konstrukt hatten wir auch schon bei den olympischen Spielen eingesetzt«, erklärt Roy Singer. Darüber konnten Interplay-Bestellungen von und nach Freimann file-basiert realisiert werden — das war schneller als in Echtzeit möglich und es wurden hierfür keine Videoleitungen belegt.
Um die Datenkommunikation zwischen Freimann, den Schnittplätzen und den Ü-Wagen flexibel zu gestalten und zu unterstützen, wurde überdies ein Gateway-Server installiert, der es erlaubte, Datentransfers zwischen all diesen Quellen und Zielen zu realisieren.
Dabei wurde teilweise das gleiche Material an verschiedenen Orten benötigt und dafür stand der MFT-Server zur Verfügung«, führt Roy Singer aus.
Zusätzlich gab es im Konferenzraum eines Hotels in Garmisch auch noch drei nicht-vernetzte Schnittplätze. Diesen Ort nutzte der BR auch, um hier einen weiteren Punkt aufzubauen, an dem der Ingest von EB-Material und dessen Transfer und über schnelle öffentliche Internet-Verbindungen möglich war.
Das erfolgte über LiveU-Rucksäcke, wodurch EB-Material einerseits direkt nach Freimann überspielt und andererseits dann via Webgate-Server auch ins Pressezentrum verschickt werden konnte: Schließlich war auch unklar, ob es nicht durch weitere Verkehrssperrungen, Demos oder Ähnliches, logistische Probleme für die EB-Teams hätte geben können.
Internationale Berichterstattung mit dem FÜ1
Im Jahr 2015 hatte der BR direkt am Schloss Elmau 19 Kamerapositionen und war anfangs davon ausgegangen, dass dies auch bei der Ausgabe in diesem Jahr ausreichen sollte. Da das Bundespresseamt in der Planung für den Ablauf in diesem Jahr aber sehr viel mehr Gut- und Schlechtwettervarianten vorgedacht hatte, wurden 2022 dann tatsächlich 31 Kamerapositionen aufgebaut.
Sie wurden nicht alle gleichzeitig genutzt, aber es wurde alles vorbereitet, jede dieser Positionen schnell in Betrieb nehmen zu können. Tatsächlich gleichzeitig genutzt wurden dann 15 Sony-Kameras und maximal zwei bis drei Panasonic-PTZ-Remote-Kameras. Kamera- und Bildtechnik des FÜ1 könnten rein technisch auch noch mehr Quellen verarbeiten, aber die Umsetzbarkeit mit der personellen Besetzung war damit erreicht.
Bei einem Event wie dem G7-Gipfel herrscht natürlich eine erhöhte Sensibilität, und das wirkt sich auch auf die Bild-/Tonaufzeichnung aus.
»Bestimmte Kamerapositionen durften wir tatsächlich dauerhaft aufgebaut lassen«, berichtet Roy Singer. »In manchen Fällen war das aber nicht möglich, dann mussten Kameras so abgedeckt und ausgeschaltet werden, damit keine unerwünschten Bilder und Töne entstehen konnten. Oft war eben auch unklar, ob ein geplantes Pressestatement zur genannten Zeit tatsächlich stattfinden konnte, manchmal war auch das Wetter unsicher. Hier brauchten wir also viel Flexibilität und hohe Reaktionsgeschwindigkeit, um die jeweils richtigen Kameras schnell an den Ü-Wagen anstöpseln zu können.«
»Insgesamt haben wir 25 km Kamerakabel verlegt und ich kann sagen: Es war kein Kabel zu viel«, resümiert Roy Singer.
Der Bildregisseur Thomas Strobl war dafür verantwortlich, das TV-Weltbild des G7-Gipfels zu gestalten und in Bildern zu erzählen. Er hatte sich im Vorfeld etliche neue Perspektiven und Kamerapositionen überlegt, einige davon wurden auch mit vier Remote-Kameras von Panasonic umgesetzt (AW-UE150), während die meisten Positionen mit HDC-1400- und HDC-2500-Kameras von Sony bestückt waren.
»Damit ist es Thomas Strobl sehr gut gelungen, den schmalen Grat zwischen politischer Berichterstattung und Inszenierung zu gestalten und auch die Landschaft und das Umfeld zu inszenieren«, sagt Roy Singer.
Die Pressekonferenzen wurden im sogenannten Briefing-Center realisiert, dort stand Topvision mit einem Ü-Wagen vor Ort, die Umsetzung der Pressekonferenzen verantwortete das Medienunternehmen Welt. Nur die Abschlusskonferenz des Bundeskanzlers wurde abweichend davon mit dem BR-FÜ1 produziert, die als 5-Kamera-Produktion in Form einer Gut- und Schlechtwettervariante geplant wurde.
Im Anschluss an die Abschlusskonferenz von Bundeskanzler Olaf Scholz wurden dann noch Kanzlerinterviews durchgeführt. Die ARD realisierte hier ihr Format »Farbe bekennen« mit dem BR-FÜ1 und anschließend realisierte das gleiche Setup auch noch die Kanzlerinterviews für RTL/NTV, Welt und ZDF.
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