Die Bilderkriegerin
Roman Kuhn hat mit Canon-Kameras die Lebensgeschichte der Fotojournalistin und Kriegsberichterstatterin Anja Niedringhaus verfilmt.
2014 starb die international bekannte Fotojournalistin Anja Niedringhaus bei einem Anschlag in Afghanistan. Ziegler Film hat ihre bewegende Lebensgeschichte unter dem Titel »Die Bilderkriegerin« verfilmt und konnte dafür den Regisseur Roman Kuhn gewinnen.
»Anja Niedringhaus war eine sehr ambivalente Person der Zeitgeschichte, und ich wollte in diesem Film die Person hinter der weltberühmten Kriegsfotografin entdecken — und so etwas wie ein Psychogramm von Anja Niedringhaus schaffen«, sagt Roman Kuhn.
Dabei betont Kuhn aber, dass in seinem Film die fiktionalen Elemente eine freie Interpretation der Person Anja Niedringhaus sind – und in Kombination mit realem Archivmaterial und dokumentarischen Interviews von Zeitzeugen ein sehr vielschichtiges Bild von Anja Niedringhaus entstanden ist.
Im Gespräch mit film-tv-video.de erzählte Roman Kuhn, wie er diese Produktion umsetzte, und verriet viele interessante Details.
Von der Werbung zum Spielfilm
Roman Kuhn kommt eigentlich aus der Werbung und ist bekannt für hochästhetische Produktionen und Looks, die er in vielen Spots für Autos, Motorräder oder Mode schuf. Ende der 90er Jahre begann Kuhn dann, auch Regie zu führen und Spielfilme zu realisieren. Vielleicht ist es gerade sein besonderer Hang zur Ästhetik, der ihm im Zusammenspiel mit dem inhaltlichen Hintergrund einen ganz besonderen Blick verleiht.
Eine filmische Melange
In »Die Bilderkriegerin«, in dem die Schauspielerin Antje Traue die Fotografin Niedringhaus verkörpert, vermischen sich Spielszenen und Archivbilder zu einer besonderen Melange. »Durch die Mischung von fiktionalen und dokumentarischen Elementen kann man dem aufregenden und dramatischen Leben der Fotografin noch am besten gerecht werden«, findet Kuhn.
Gedreht wurde aufgrund der Corona-Beschränkungen während der Produktion vorwiegend in Thüringen. Die ursprünglichen Pläne, die Rahmenhandlung an der syrischen Grenze zu drehen, musste Ziegler Film angesichts der pandemischen Lage aufgeben. »Wir drehten viel auf einem alten NVA-Gelände«, erzählt Kuhn, »was sehr gut zu den verschiedenen Locations in Afghanistan und Irak passte.«
Dreh mit Canon C500 und Sumire Primes
Als Hauptkamera der Produktion war eine Canon C500 in Kombination mit Sumire-Prime-Objektiven im Einsatz. Kameramann Jürgen Rehberg drehte mit Canons Cine-Kamera in 4K und Cinema Raw.
Die Objektive der Sumire-Serie liefern einen subtilen, warmen Farbton – der sich gut mit anderen Cinema-Objektiven von Canon kombinieren lässt. Zudem sind die Sumire-Vollformat-Objektive allesamt sehr lichtstark (1,3 / 1,5), was die Ästhetik extrem beeinflusste.
Viele Kameraleute heben bei diesen Objektiven hervor, dass sie sehr scharf und exakt abbilden, sagt Roman Kuhn. Er findet aber, dass sie darüber hinaus aber durchaus eine weiche, filmische Komponente haben.
Canon 1DX für den Blick der Fotografin
Roman Kuhn sagt über sich selbst: »Ich bin immer auf der Suche nach der etwas anderen Perspektive oder Erzählung, nach neuer Optik oder Technik – und das immer im Sinne der Geschichte.«
Da er selbst viel fotografiert, aber als Regisseur »niemals eine Filmkamera in die Hand nehmen würde«, entwickelte er die Idee, mit einer Fotokamera, ergänzend zur C500, sozusagen selbst ins Geschehen einzugreifen.
»Ich habe versucht, mit einer 1DX Fotokamera in den Inszenierungen mit meinem fotografischen Auge den Blickwinkel und die Perspektive von Anja Niedringhaus einzunehmen.«
Die Fotokamera 1DX ist bei Berufsfotografen wegen ihrer hohen Qualität und ihrer hervorragenden AF-Funktionen sehr beliebt. Sie bietet auch eine leistungsstarke Serienfunktion, die es auf 20 Bilder pro Sekunde bringt.
»Ich fotografierte mit der 1DX Einzelbildsequenzen und keine Videos. Mein Kameraset war extrem kompakt, und so konnte ich immer nah dran sein und gewissermaßen den Blick der Fotografin aus der jeweiligen Situation heraus erspüren.« Da er mit dieser Fotokamera letztlich das gleiche Werkzeug wie die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus nutzte, schuf er so seinen Serienbild-Sequenzen einen authentischen »Foto«-Look.
Für den Data-Wrangler am Set war es ganz sicher keine leichte Aufgabe, all das Material zu sichern und zu synchronisieren — im Grunde genommen eigentlich die Hölle. Aber der Look der Bilder gab Roman Kuhn Recht: »Die Kombination aus Vollformat, Weitwinkel und Schärfentiefe passte perfekt, um die Ästhetik der Reportagebilder der Fotografin Niedringhaus nachzuempfinden.«
Zusätzlich nutzte Kuhn die 1DX auch, um damit zusätzlich Filmsequenzen zu drehen, die dann im Anschluss »wie mehrfach durch einen VHS-Recorder gejagt wurden«, so Kuhn. Auf diese Weise konnte man die neu aufgezeichneten Szenen an den Look der 90er Jahre anpassen und sie mit den realen Archivaufnahmen kombinieren. Für den Zuschauer entsteht so der Eindruck, als bewege man sich aus einer nachgedrehten Szene in eine Archivszene hinein.
Autofokus
Dass der Autofokus der 1DX ausgezeichnete Arbeit leistete und sich auch bei schwacher Beleuchtung keine Schwächen erlaubte, erwies sich als großen Plus: »Ich hatte aufgrund meiner Erfahrungen als Fotograf ein großes Grundvertrauen in den Autofokus der 1DX und konnte mit Hilfe des AF sehr schnell auf Situationen reagieren — ähnlich wie die Fotografin Niedringhaus«, sagt Kuhn. »Ich hätte mir allerdings noch einen Klappmonitor gewünscht, dann wäre ich noch flexibler gewesen.«
Objektive
Ein durchgängiges, visuelles Konzept umzusetzen, wenn man unterschiedliche Kameratypen verwenden will, geht viel besser, schlüssiger und letztlich auch einfacher, wenn man gut zueinander passende Objektive auswählt.
Roman Kuhn entschied sich bei seiner 1DX für lichtstarke Canon-Festbrennweiten mit 35, 50 und 85 mm und das Standard-Zoom-Objektiv (70 bis 200 mm). Damit konnte er meist mit sehr offener Blende arbeiten und so den Look erzielen, den er sich vorgestellt hatte. »Meine Festbrennweiten passten perfekt zu den Sumires der C500, sodass wir hier in der Post nur minimal eingreifen mussten.«
In einigen Szenen drehte Roman Kuhn sogar mit einem Objektiv aus dem Fundus von Anja Niedringhaus. »Für einige Aufnahmen nutzte ich ein 200-mm-Objektiv von ihr«, so Kuhn, »und das löste schon ein ganz besonderes, authentisches Gefühl aus.«
Neben Teilen der Fotoausrüstung durfte die Produktion auch einige weitere persönliche Gegenstände aus dem Nachlass von Niedringhaus verwenden: »Die Schauspielerin vor der Kamera trug unter anderem auch eine früher von Niedringhaus selbst getragenen Uhr, ihre Jacke, aber auch Ringe und Brillen von ihr«, erzählt Roman Kuhn.
»Ich mag den Workflow, ich mag die Bedienung von Canon.« Roman Kuhn
Workflow
Der Workflow für das Drehen mit einer Canon C500 hat sich mittlerweile gut eingespielt und ist bekannt. Aber wie integriert man unzählige Clips und Einzelbilder einer 1DX in einen Film?
»Die Speicherkarten sind natürlich unglaublich schnell voll, und man benötigt am Set wirklich einen zuverlässigen Daten-Wrangler, wenn man so arbeiten will«, erzählt Roman Kuhn.
Schlussendlich hat alles geklappt, und beim Schnitt mit einem Avid Media Composer gelang es, den Überblick zu behalten.
In der Postproduktion veränderte Kuhn teilweise auch noch die Cadrage einzelner Szenen, passte Bildausschnitte an. »Das leicht umsetzen zu können, eröffnet natürlich enorme Flexibilität«, sagt Kuhn: »Oft sind es ganz kleine Korrekturen, die letztlich aber noch das letzte Quäntchen aus dem Material herausholen.«
»Das bezieht sich nicht nur auf die Bildqualität, sondern auch auf den Fluss der Geschichte und vor allem auch die visuelle Ebene insgesamt, mit der ich ganz bestimmte Dinge transportieren wollte«, betont Kuhn.
Am Ende verlieh das Team von Cine Chromatix aus Berlin der Produktion mit Color Grading und Visual Effects den letzten Schliff, das Feintuning für den Look.
Resümee
Roman Kuhn bilanziert, dass die Kombination aus Canon C500 und Canon 1DX für »Die Bilderkriegerin« perfekt war, denn die zusätzliche Ebene in der Bildsprache durch die 1DX ermöglichte es, Bilderwelten zu erschaffen, die für die Geschichte der unermüdlichen Kriegsfotografin Anja Niedringhaus eine zusätzliche, emotional erfahrbare Ebene schufen.
»Ich bin auch deshalb ein Freund dieser Kameras, weil ich damit viel mehr Zeit für die Inszenierung habe«, sagt Kuhn. Er bilanziert: »Anja Niedringhaus war begabt, zielstrebig, voller Mut und Willenskraft. Aber warum ist man in den gefährlichsten Regionen der Welt unterwegs, um Bilder furchtbarer Kriege einzufangen? Das wollte ich ergründen. Die Technik half mir dabei, diese Suche visuell umzusetzen.«
Hier finden Sie einen MDR-Videobeitrag über »Die Bilderkriegerin«.
Synopsis von »Die Bilderkriegerin«, Kinostart: 26.05.2022
Die 26-jährige Anja Niedringhaus sitzt in einer Transall-Maschine der UNO auf dem Weg nach Sarajewo. In Jugoslawien hat gerade der Krieg begonnen. Hartnäckig hatte Niedringhaus zuvor ihren Chef bearbeitet, um als Fotografin für die European Pressphoto Agency aus dem Kriegsgebiet mitten in Europa zu berichten.
Vor Ort ist es bitterkalt, es gibt keinen Strom, kaum Nahrung, und jeder ist ständig in Lebensgefahr. Der spanische Fotograf Sergio nimmt sie unter seine Fittiche und bringt ihr die Regeln des Überlebens in einem Kriegsgebiet bei. Niedringhaus berichtet mit Unterbrechungen fast drei Jahre lang von dem Schauplatz. Trotz des allgegenwärtigen Leids behält sie ihre positive Ausstrahlung.
Aus der zunächst unerfahrenen jungen Frau wird eine der besten Fotojournalistinnen ihrer Generation. Sie riskiert bei ihren Einsätzen vom Kosovo bis Afghanistan viel, wird während ihrer Arbeit oft angegriffen und mehrfach verletzt. 2001 wechselt sie zur renommiertesten Bildagentur der Welt, Associated Press (AP).
Anja Niedringhaus ist ehrgeizig. Ihre Fotos landen auf den Titelseiten der großen internationalen Zeitungen. Afghanistan mit seinen atemberaubenden Landschaften und faszinierenden Menschen beeindruckt sie nachhaltig.
In Kabul trifft sie die AP-Chefkorrespondentin Kathy Gannon. Beide Frauen bilden schnell ein unzertrennliches Team, bis es während der Präsidentschaftswahlen 2014 zu dem Anschlag auf beide im Südosten Afghanistans kommt. Anja Niedringhaus ist sofort tot, Kathy Gannon überlebt schwer verletzt.