Hyperbowl in den Penzing Studios
Das VR-Produktionsstudio Hyperbowl hat eine neue Heimat in den Penzing Studios. film-tv-video.de war vor Ort.
Vor zwei Jahren gründeten die Technik-, Grafik- und Postproduction-Experten von NSynk, TFN und Acht gemeinsam die Hyperbowl – ein neues VR-Produktionsstudio. Corona war der Auslöser für die drei Firmen aus der Werbe- und Eventbranche, diese Idee umzusetzen, denn die Pandemie bedeutete für die Unternehmen auch zunächst einmal eine Auftragsflaute. Im Corona-Lockdown lagen viele Projekte auf Eis und ließen sich nicht realisieren. Gleichzeitig stellten sie sich die Frage, wie ihre Kunden zukünftig trotz Reisebeschränkungen und Veranstaltungsverboten deren Produkte auf technisch und visuell höchstem Niveau präsentieren könnten.
Die grundlegende technische Idee von Hyperbowl: Statt Greenscreen steht im Filmstudio eine große, gebogene LED-Wall, die in Echtzeit mit dem jeweils gewünschten Hintergrund bespielt wird. Das klingt eigentlich ganz naheliegend, aber der Weg dahin war nicht einfach, denn so etwas kann man nicht einfach kaufen, sondern die Gründer mussten das System selbst entwickeln — und auf dem Weg dahin galt es ziemlich komplexe technische Herausforderungen zu meistern.
Realisiert wurde die Hyperbowl in München: Die Messe München hatte hierfür kurzfristig eine passende Location – denn natürlich standen im Lockdown im Jahr 2020 auch die Messehallen leer.
So fand die Hyperbowl hier ein erstes Zuhause und wurde in einer der Messehallen Stück für Stück aufgebaut. Kaum als die Hyperbowl technisch umgesetzt war und lief, wurden innerhalb nur eines Jahres schon insgesamt 30 Projekte realisiert.
Vor kurzem zog die Hyperbowl dann um: in einen früheren Flugzeughangar in der Nähe von München, dorthin, wo die Penzing Studios entstehen sollen (Meldung).
film-tv-video.de war dort und sprach mit Frank Förster, dem CEO von Hyperbowl, über das Unternehmen und die Technik am neuen Standort: Hyperbowl in den Penzing Studios.
Frank Förster erinnert sich an die Anfangsphase: »Mit der Hyperbowl konnten wir ein völlig neues Konzept umsetzen und ein virtuelles und flexibles Produktionsstudio aufbauen, das auf der virtuellen Produktionstechnologie basierte, die bei ‚The Mandalorian‘ eingesetzt wurde.« Die Technologie war allerdings so neu, dass zunächst kein interessierter Kunde selbst investieren wollte, sodass sich das Team dazu entschloss, das ambitionierte Projekt auf eigene Faust umzusetzen. Förster weiter: »Dabei kam es neben der Entwicklung auch auf die Geschwindigkeit an. Wir waren in Europa das erste Studio dieser Art, das bereits im Juli 2020 erste erfolgreiche Produktionen vorzuweisen hatte.«
Funktionsweise
Mehrere Technologien waren notwendig, um so etwas wie die Hyperbowl umsetzen zu können. Das Sichtbarste ist dabei ein ziemlich beeindruckendes Stück Hardware: Man braucht eine riesige, gebogene Videowand. Bei der Hyperbowl besteht die Videowand aus einer rund 500 m² großen hochauflösenden LED-Fläche. Kreisförmig aufgebaut und so groß, dass man problemlos zwei Autos in die Mitte stellen kann. Die Wand besteht aus zahllosen LED-Panels, die nahtlos aneinandergefügt sind. Die einzelnen Panels bieten einen Pixel-Pitch von 2,6 mm.
»Damit erreichen wir eine so hohe Auflösung, dass der Hintergrund, den wir in der Hyperbowl zeigen, auch mit sehr hochauflösenden Kameras so aufgenommen wird, als ob im Hintergrund keine Computergrafik generiert würde, sondern ein reales Szenenbild oder eine Landschaft zu sehen wäre. Insgesamt kommen wir bei unserer LED-Wand auf eine Gesamtauflösung von 10 x 4K«, erläutert Frank Förster.
Eine Besonderheit der Hyperbowl ist deren LED-Decke: Auch die kann bespielt werden — mit realistisch aussehenden Decken oder mit einem Himmel.
»Damit können wir auch beim Drehen von großen Objekten wie Autos schon realistische Reflexionen erzeugen, sodass die gedrehten Szenen in der Postproduction nicht mühsam bearbeitet und nachgebaut werden müssen«, erklärt Förster. Gerade bei hochwertigen Werbefilmproduktionen mit neuen Autos ist das ein enormer Vorteil.
Das Bild, das auf der LED-Wand und der Decke dargestellt wird, ist eine hochauflösende dreidimensionale Welt. Es kann eine Landschaft, eine Stadt, ein Wald, ein Gebäude sein. »Wir können auch auf dem Mars oder Mond drehen, und wir können auch ganz eigene Welten bauen«, so Frank Förster.
Dabei wird aber auf den LED-Flächen nicht einfach nur ein vorproduzierter Videoclip abgespielt, sondern der Hintergrund wird jeweils in Echtzeit von sehr leistungsfähigen Engines erzeugt: nur so entsteht ein absolut realistisch wirkender Hintergrund.
Wenn die Kamera innerhalb der Hyperbowl bewegt wird, wird das Hintergrundbild live angepasst. So entsteht nicht der »falsche«, unrealistische Hintergrund, wie er in älteren Filmen oft bei Fahraufnahmen per Rückprojektion realisiert wurde, sondern man hat einen dreidimensionalen Eindruck: Wenn die Kamera durch die Hyperbowl fährt, passen sich die einzelnen Objekte im Hintergrund an die jeweilige Perspektive an.
Dafür ist sehr leistungsfähige Echtzeit-Computertechnik erforderlich, eine umfassende Serverstruktur ist notwendig. Auf den schnellen Rechnern arbeitet Hyperbowl mit Realtime Engines aus dem Games-Bereich: Unreal Engine von Epic Games.
Unreal bietet die enorme Leistungsfähigkeit, die für Hyperbowl nötig ist, Unreal Engine wird weltweit auch verstärkt im VR- und TV-Bereich eingesetzt, etwa auch in Greenscreen-Studios im Live-VR-Umfeld (Beispiel).
»Mit Unreal Engine erschaffen wir am Computer die 3D-Welt, die wir für die jeweilige Produktion benötigen und können sie mithilfe der selben Software im Studio betreiben«, erklärt Frank Förster. Insgesamt bespielen zehn custom-made Server die einzelnen Segmente der LED-Wand in der Hyperbowl.
Von Epic stammen aber nicht nur die Render Engines, von Epic stammt auch die 3D-Software, mit der die Hintergründe gestaltet und erzeugt werden.
Als Tracking-System nutzt Hyperbowl das Optitrack-System. OptiTrack ist ein Tochterunternehmen von Leyard. »Das System ist sehr flexibel, was unseren Anforderungen sehr entgegenkommt«, so Frank Förster. »Wir haben aber auch schon mit anderen Systemen gearbeitet – je nach Anforderung«, ergänzt er.
Beim aktuell verwendeten System sitzt einerseits auf der Kamera das eine Teil des Tracking-Systems, die Gegenseite stellen die kleinen Tracking-Kameras, die weit oben am Übergang zwischen Wand und Decke der Hyperbowl sitzen.
Kameraseitig ist Hyperbowl nicht auf ein spezielles Modell festgelegt. Im Grunde seien von Broadcast-Kameras bis hin zu Film-Kameras schon unterschiedlichste Modelle am Set gewesen: Alexas, Ursas, Venice, Red.
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