Olympia in Peking, Technik in Mainz und München
ARD, ZDF und Eurosport berichten mit ganz unterschiedlichen Konzepten aus Peking — und OBS nutzt als Host Broadcaster etliche neue Technologien. Ein Überblick.
Kommentar
2015 hat das IOC die Olympischen Winterspiele nach Peking vergeben. Peking ist damit die erste Stadt, die Olympische Sommer- und Winterspiele ausrichten darf.
Muss man das toll finden? Nein, beileibe nicht, auch dann nicht, wenn man selbst große Sport-Events bereits seit vielen Jahren und meist auch mit Freude verfolgt. Bei Olympia in Peking kommt jedoch zumindest in der Redaktion von film-tv-video.de keine überbordende Freude mehr auf: In Wahrheit hat die Redaktion lange mit der Entscheidung gehadert und gezögert, überhaupt über diese Olympischen Winterspiele zu berichten.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Olympische Winterspiele inmitten der Hochphase der Omikron-Welle, das alleine hätte schon genügen sollen, Olympia in Peking in diesem Jahr skeptisch zu begegnen. Die Verschiebung wäre genauso eine Option gewesen wie bei den Sommerspielen in Tokio.
China verfolgt eine strikte Null-Covid-Strategie und greift mit aller Härte durch, sobald der Erfolg dieser Strategie gefährdet scheint. Unzählige Athleten, Betreuer und Journalisten mussten das schon am eigenen Leibe erfahren — und sich vielfach auch gegen die Umstände wehren, unter denen sie letztlich festgesetzt wurden.
Ganz nebenbei rechtfertigt die Null-Covid-Strategie alle Abschottungsmaßnahmen und ist damit auch eine perfekte Cover-Story für die Isolierung aller ausländischen Gäste sowie deren lückenlose Überwachung und Kontrolle. Freie Presseberichterstattung ist hier absolut nicht mehr möglich — das gilt besonders im Olympia-Sportgeschehen, aber letztlich auch im gesamten Rest des Landes.
Viel schwerer aber wiegt, dass China ein Land ist, das Menschenrechte und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt. Der Einparteienstaat geht rücksichtslos und brutal gegen all jene vor, die gegen diesen diktatorischen Überwachungsstaat aufbegehren.
Ein besonders schlimmes Beispiel ist ganz aktuell die Unterdrückung der Uiguren, einer Minderheit, die zu Tausenden in Lagern festgehalten werden, wo sie »umerzogen« und vermutlich auch gefoltert werden.
Der chinesische Staat reagiert auf solche Vorwürfe gar nicht oder letztlich zynisch und perfide mit dem Propaganda-Holzhammer: Bei der Eröffnungsfeier der Spiele auch eine uigurische Sportlerin die olympische Flamme entzünden zu lassen, die monatelang verschwundene Tennisspielerin Peng Shuai »zum Tee« mit IOC-Präsident Thomas Bach zu schicken und die Tennisspielerin in der ersten Besucherreihe bei Wintersportwettkämpfen zu platzieren, ist ziemlich grob geschnitzte Staats-PR. Olympia als Mittel zum Zweck, um der Welt zu zeigen, wie großartig System, Staat und Partei sind.
Und das IOC, der Ausrichter der Spiele? Redet gebetsmühlenartig davon, dass der große Sport unpolitisch bleiben müsse — obwohl längst absolut jeder, der es wissen will, weiß: große Sport-Events sind immer auch politisch. Das IOC macht sich gleichzeitig komplett gemein mit einfach allen, die bereit sind, die Vermarktungs-Millionen für Olympische Spiele sprudeln zu lassen.
Statt Missstände anzuprangern, trifft sich IOC-Präsident Thomas Bach eben lieber mit Peng Shuai »zum Tee« und spielt in dieser Posse der chinesischen Propaganda mit, wirkt daran mit, dieses Gespinst reinzuwaschen und die angebliche Unversehrtheit der Sportlerin zu bestätigen. Zur Erinnerung: Peng Shuai hatte es gewagt, über sexuelle Belästigung durch chinesische Funktionäre zu sprechen — und war dann für Monate gänzlich von der Bildfläche verschwunden, um nun vom Regime als »geläutert« präsentiert zu werden: alles nur Missverständnisse. Natürlich wissen wir nicht, was im Vorfeld und im weiteren Verlauf dieser Geschichte wirklich passiert ist — aber genau das ist doch das Problem. Und ein paar schmierige Inszenierungen ändern dran absolut gar nicht.
Das Internationale Olympische Komitee spielt inmitten dieser Gemengelage eine höchst unrühmliche Rolle. Unter der Führung von Thomas Bach entwickelte es sich zu einer skrupellosen Geldvermehrungsmaschine, die sich weder um Athleten, noch um Austragungsorte, Zuschauer oder gar Aspekte wie Nachhaltigkeit schert. Von den Milliarden, die das IOC in den vergangenen Jahren verdient hat, profitiert niemand — außer dem IOC und den dort sitzenden, geld- und machtgierigen Funktionären.
Peking ist gar kein Wintersportort? Who cares: 300 Millionen Chinesen warten nur darauf, künftig Wintersport zu betreiben und zu konsumieren. Da spielt es absolut keine Rolle mehr, ob eine Bob- und Rodelbahn für Unsummen in ein schnee- und wasserarmes Naturschutzgebiet gebaut wurde und im Anschluss verrotten wird. Das wäre ja nicht die erste Bauruine, die Olympia oder eine Fußball-Weltmeisterschaft hinterlassen — Kollateralschäden halt.
Und so lautet das trübsinnige Resümee: Falls es jemals ein Olympische Idee gegeben haben sollte – und Teile der Redaktion meinen sich vage und ein bisschen naiv daran zu erinnern — so ist davon nicht viel übrig geblieben. Und das ist schade.
Und nun haben wir bei film-tv-video.de schließlich doch einen weiteren Olympia-Artikel veröffentlicht — und letztlich das exakt gleiche Muster geliefert, das auch die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen: Wir erläutern unsere Empörung — und stimmen dann doch wieder in die »neutrale« Berichterstattung über Olympia ein. Aber hätte es irgendetwas verändert, wenn wir nicht über die TV-Technik im Rahmen der Olympia-Berichterstattung berichtet hätten? Ein echtes Dilemma.
Und das nächste steht schon am Horizont — das nächste Sport-Event, wie auch das nächste Dilemma: die Fußball-WM in Qatar wird der nächste Tiefpunkt dieses »Annus Horribilis« des Sports.
Seite 1: OBS produziert Weltbild
Seite 2: ARD und ZDF
Seite 3: Discovery und Eurosport
Seite 4: Kommentar