No-Budget-Musikvideo »Bait«
Kein Geld, aber viel Freiheit: Warum unser Autor ein No-Budget-Musikvideo realisierte.
Die Location
Als Location stand uns eine über »Vitamin B« beschaffte Lagerhalle zur Verfügung. Der große Vorteil hier waren zwei parallel verlaufende Schwerlastregale. Zwischen diese haben wir je einen schwarzen Molton für die eine und einen roten Vorhang für die andere Welt aufgehängt. Außerdem nutzten wir die Regale zur Befestigung der Leuchten. Hier habe ich bei der dunklen Welt auf harte Schatten und Licht von oben gesetzt, während die Zirkuswelt eher diffus beleuchtet war und auch mehr Licht von vorne hatte.
»No Budget« darf keinesfalls heißen »keine Sicherheit«. Da sich teilweise bis zu zehn Menschen im und um das Set herum befanden, spielte das Hygienemanagement eine große Rolle. Hier mussten bei einem so kleinen Drehteam (bestehend aus der Band und mir) einfach alles sehr organisiert und konsequent durchgeführt werden: etwa auch das Testen und die Beachtung des Abstands. Letztlich glich das Set zeitweilig einer Arztpraxis mit Wartezimmer, in der nur eine Person nach der anderen zum Eintreten aufgefordert wurde.
Auch andere Aspekte mussten beachtet werden: Da ich buchstäblich schon einige Explosionen auf dem Buckel habe, war mir eine dementsprechende Absicherung ebenfalls wichtig, obwohl es hier nur eher kleine Feuereffekte gab. Neben den von den Feuerkünstlern selbst gestellten Mitteln, wie Löschdecken und ähnlichem, standen zusätzlich noch mehrere Feuerlöscher griffbereit rund um das Set — und waren während des Drehs dann auch jeweils bemannt.
Der Dreh
In der Zirkuswelt gab es eine aufwändigere Maske und auch viele Kostüme, daher mussten wir den Dreh der Szenen der beiden Welten zeitlich voneinander absetzen. So drehten wir am ersten Tag das dunkle Setup, am zweiten dann die Zirkuswelt mit den ganzen Komparsen.
Da die Sängerin Ronja aber mit ihrem Zirkuskostüm zweimal in die dunkle Welt zurückkehrt, haben wir am zweiten Tag zunächst vor schwarzem Molton gedreht, um dann gegen Mittag auf den roten Vorhang zu wechseln. So etwas erfordert natürlich gute Planung im Vorfeld.
Eine größere Herausforderung, als ich dachte, stellte meine gleichzeitige Rolle als Regisseur und Kameramann dar. Normalerweise sollte ein Regisseur sich ja Zeit für die Darsteller und Artisten nehmen, um die Szenen genau durchzugehen. Das gestaltet sich aber schwierig, wenn man gleichzeitig noch das Bild einrichten, die Kamera umbauen und positionieren muss. So war es immer ein Drahtseilakt, aber auch eine interessante, neue Erfahrung.
Da ich ohnehin Schnittmaterial brauchte, ließ ich die Band den Song einige Male in der Totalen durchspielen. Dadurch wurden alle mit der Zeit auch lockerer und sicherer.
Für die Handkameraszenen im dunklen Setup arbeitete ich mit einem manuellen Followfocus. Bei anamorphotischen Optiken sollte man die Blende nicht zu weit öffnen, daher lag die Arbeitsblende bei ca. f2.8 – f5.6.
Die GH5 verfügt über eine Stabilisierungsfunktion. Dabei wird der Sensor mechanisch stabilisiert und funktioniert auch bei der Verwendung von anamorphotischen Linsen. Da ohne Stabilisierung bei der Kamera Vibrationen auftreten können, blieb der Stabi also permanent an. Da dies den Handkamerabewegungen natürlich entgegenwirkt, musste ich hier selbst sportlich aktiver werden und mich mehr bewegen. Gereicht hat das für den erwünschten, hektischen »Shaky-Look« letztendlich doch nicht, daher musste ich in der Post nachhelfen.
Für leichte Fahrten von der Schulter aus, wie sie bei der Zirkus-Location stattfanden, ist der Stabilisator ein wertvoller Helfer und bestens geeignet. Hier hat Panasonic bei der GH5 einen wirklich guten Job gemacht.
Mit den Artisten hatten wir wirklich Glück, so haben sie eigenständig Vorschläge und Kunststücke angeboten. Dennoch ist eine erste Hilfskraft, die ich bei einem solchen Dreh zusätzlich anstellen würde, ein Aufnahmeleiter. Dessen Rolle wird oft ziemlich unterbewertet, gerade auch bei kleineren Drehs. In Wahrheit lässt sich aber mit einem Aufnahmeleiter eine Menge Zeit einsparen — wirklich eine große Menge. Außerdem hilft er jedem dabei, sich auf seine wesentlichen Aufgaben konzentrieren zu können.
Man hat dem ganzen Team angemerkt, dass alle wirklich Lust auf das Projekt hatten, was natürlich ungemein wichtig war. Auch hier ein Tipp für Low-Budget-Drehs: Im Vorfeld konsequent diejenigen aussortieren, die mit einem »Hm ja, mal sehen« oder »Ich gucke mal, ob ich Zeit habe« um die Ecke kommen. Klare Ansagen ersparen hier sehr viel Stress. Wie rappt Will Smith in »Men in Black«: »Believe me it’s for your own protection.«
Das Zeitmanagement sah für den ersten Tag 12:00 – 19:00 Uhr vor, für den zweiten 11:00 – 19:00 Uhr. Bei einer Endlänge von 3:40 min und einer einzigen Location scheint das eigentlich durchaus machbar, aber dennoch mussten wir uns ranhalten. Für einen Lichtumbau hatte ich zwar viele helfende Hände, aber einrichten musste ich das Licht letztendlich natürlich selber. Auch die Zeit während eines Optikwechsels, die ich normalerweise für kurze Korrekturgespräche mit den Schauspielern nutze, verbrachte ich — naja — eben mit dem Objektivwechsel.
Seite 1: Einleitung, Video
Seite 2: Story, Setup
Seite 3: Location, Dreh
Seite 4: Postproduction, Fazit, Making-Of
Hier finden Sie mehr Infos zum Thema Making-Of oder Report. Oder Sie klicken einfach unten auf eines der Stichworte in der Schlagwortsuche. Andere Kategorien können Sie hier durchsuchen.
Kein Making-Of mehr verpassen und einfach den Newsletter abonnieren: