Artificial Intelligence, Dossier, Sport: 30.03.2021

Der zwölfte Mann: AI und Big Data

Die DFL nutzt KI und Cloud von AWS, um die Sportberichterstattung für Fans attraktiver zu machen.

Cloud, Big Data Analyse, AI, Machine Learning und Deep Learning, das sind Begriffe, die seit Jahren virulent sind und einen großen Umbruch ankündigen — auch in der Broadcast-Branche. Aber wie viel davon ist schon Realität?

Die Deutsche Fußball Liga nutzt KI.

Blickt man auf die DFL, dann ist das Ganze schon sehr weit gediehen, denn die Deutsche Fußball Liga hat sich mit Amazon Web Services (AWS) zusammengetan, und gemeinsam haben die Unternehmen wegweisende Technologien auf die Schiene gesetzt. Seit vergangenem Jahr ist das US-Unternehmen offizieller Technologie-Provider der DFL, und die Zusammenarbeit erstreckt sich auf Bereiche wie Echtzeitstatistik und die Nutzung der AWS-Cloud-Infrastruktur, sie wird aber in weiterer Zukunft auch auf die Bereitstellung personalisierter Inhalte ausgeweitet (Kurzmeldung).

AWS ist Technologiepartner der DFL.

Moritz Mücke, Head of Digital Innovation bei der DFL, zieht ein erstes Resümee: »Die Zusammenarbeit mit AWS ist äußerst professionell und ergiebig. Wir konnten die Expertise von AWS in unsere bestehenden Teams gut integrieren und sind so in der Lage, in kurzer Zeit gemeinsame Proof of Concepts (PoC) durchzuführen, um unsere Hypothesen zu validieren und in iterativen Prozessen unsere Produkte weiterzuentwickeln. Was die Zusammenarbeit dabei besonders auszeichnet, ist unser gemeinsamer Fokus auf die Bedürfnisse von Kunden und Fans.«


Überblick: Die Bundesliga Match Facts powered by AWS.
Echtzeitstatistik mit AWS

Mit den Bundesliga Match Facts gab es im Mai erste Statistiken (Torwahrscheinlichkeit, »XGoals« und »Realinformation«). Mit Speed Alarm folgte eine weitere Auswertung.

Moritz Mücke, Head of Digital Innovation bei der DFL.

Moritz Mücke erläutert, worum es dabei geht: »Grundsätzlich ist es unser Ziel, mit den Bundesliga Match Facts Leistungen von Spielern und Teams, beziehungsweise die Daten eines Spiels, situativ aufzugreifen und in einen relevanten Kontext zu setzen, um dabei neue Perspektiven auf das Spiel zu ermöglichen. Die Grundlage dafür bieten die Sportdaten unserer Tochterfirma Sportec Solutions AG.«

Aber was fängt die DFL mit diesen Sportdaten konkret an?

Matchfacts werden mit Machine Learning und den Services von AWS erfasst und aufbereitet. 

Dazu Mücke: »Ganz konkret nutzen wir die Positionsdaten aller Spieler, die über ein optisches Tracking-System erhoben werden, in Kombination mit sogenannten Event-Daten, also Informationen über einzelne Events im Spiel – etwa Tor, Pass, Flanke, etc. Das sind durchschnittlich über 3,6 Millionen Datenpunkte je Spiel. Darauf basierend berechnen wir unter anderem mit Hilfe von Machine Learning und der Services unseres Technologie-Providers AWS unsere Bundesliga Match Facts

Die Rechenmodelle dafür wurden mit historischen Daten trainiert. Daraus kann man in Echtzeit bestimmte Dinge ableiten und etwa die Frage »Wie wahrscheinlich war ein Tor?« beantworten und damit eine bessere Einordnung dieser Daten gewährleisten.

©DFL Deutsche Fußball Liga
Die Realformation liefert zusätzliche Infos zu.

Mittlerweile versuchen etliche Hersteller, solche intelligenten Lösungen anzubieten, und ein Blick in die moderne Sportberichterstattung zeigt, wie gefragt sie sind. Gerade in den beliebten Sportarten und insbesondere im Fußball geht ohne Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung kaum noch etwas.

Eine der Auswertungen zeigt den Most Pressed Player.

Moritz Mücke erklärt im Detail, wie die DFL damit arbeitet: »Wir nutzen die Statistiken sowohl in unserem internationalen Produkt-Portfolio, als auch in der Bundesliga-App und auf unseren Digitalkanälen. Konkret: Die DFL ist für einen Großteil der Wertschöpfungskette selbst verantwortlich. Dazu gehört auch die Produktion und Distribution eines weltweiten Signals, das alle Bundesliga-Spiele in sendefähigem Zustand an unsere weltweiten Rechtenehmer distribuiert.«

Auch in die DFL-App fließen die Match Facts ein.

»In diesem werden die Grafiken eingebunden und somit auch weltweit ausgestrahlt und natürlich auch von den durch uns eingesetzten Kommentatoren aufgegriffen. Darüber hinaus gehört zu einem weiteren Teil auch die Bereitstellung von Postproduktionsformaten für unsere Lizenznehmer. Auch hier integrieren wir in einzelnen Analysen die entwickelten Bundesliga Match Facts. In den detaillierten Analysen besteht viel Zeit, auf einzelne Werte einzugehen und tiefe Einblicke in das Spielgeschehen zu liefern. Dabei entfalten die Bundesliga Match Facts nochmal eine ganz eigene Magie.«

»In unserer App nutzen wir ebenfalls alle Bundesliga Match Facts. Diese werden dabei in den Statistik-Bereich sowie in den Live-Ticker der einzelnen Spiele integriert. Darüber hinaus haben wir auch eine BMF-Zone auf der offiziellen Bundesliga-Website etabliert, in der es umfangreiche Blog-Artikel zu unseren neuen Statistiken gibt.«

Anzeige: Bilder, wie sie TV-Dienstleister wie HD Broadcast liefern, werden mit immer detaillierteren Infos über das Spiel angereichert.

Für Moritz Mücke ist dabei klar, dass die Bundesliga die Match Facts für die Fans entwickeln muss: »Wir haben eine Umfrage zu den Bundesliga Match Facts durchgeführt gutes Feedback erhalten. Die Fans fanden die Statistiken interessant und stehen dem Thema positiv gegenüber. Wir werden hierzu immer wieder Feedback einholen und das auch weiter in unsere Entwicklungen integrieren.«

Moritz Mücke will Fußball-Mythen greifbar machen. 

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit für ein Team ist, ein Spiel zu gewinnen, möchte natürlich jeder Fan erfahren, die Experten unter ihnen wollen sich noch zahlreiche weitere Fakten. Aber man muss differenzieren. Moritz Mücke erklärt: »Es kommt ganz auf das Sendeformat an, was die Zuschauer jeweils besonders interessiert. Im Live-Spiel gibt es andere Schwerpunkte als in einer Analyse-Sendung oder in einer Highlight-Zusammenfassung. Auch die individuelle Präferenz der Kommentatoren oder Moderatoren spielt dabei eine Rolle, deshalb ist das ganz unterschiedlich. Wir planen gemeinsam mit AWS, weitere Werte anzubieten. Der Fußball bietet noch viele Möglichkeiten, ‚Mythen‘ greifbar zu machen und dabei tiefere Einblicke in das Spiel zu gewähren. Wir freuen uns, dabei unser Angebot für unsere Fans und Lizenznehmer gemeinsam mit der Hilfe von AWS sinnvoll erweitern zu können.«

Nutzung der AWS-Cloud-Infrastruktur

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zusammenarbeit mit AWS ist das cloud-basierte Streaming. Ganz konkret nutzt die Deutsche Fußball Liga die AWS-Cloud-Infrastruktur, um ihren internationalen Kunden Live-Sendungen nun auch als Stream zur Verfügung zu stellen. Mit dem Angebot eines IP-basierten Live-Streaming reagiere man auf die steigende Nachfrage nach OTT-Content, betont die DFL.

©DFL Deutsche Fußball Liga
Cloud-basiertes Streaming ist bei der DFL Realität.

Die Notwendigkeit hierfür ist entstanden, weil mittlerweile viele Endkunden den Content mit dem Smartphone, dem iPad oder anderen digitalen Endgeräten abrufen. Das wiederum bedeutet, dass Broadcaster dafür sorgen müssen, diesen Content sehr schnell auf den entsprechenden Plattformen bereitzustellen. Hier setzt die DFL mit ihrer neuen Distributionsform an.

Rene van Koll, Solutions Architect AWS.

Rene van Koll, Solutions Architect, AWS Media Services, erläutert: »Begrenzte Bandbreite und feste Hardware schränkten die Möglichkeiten der DFL ein, sich schnell mit den Märkten und Broadcastern zu bewegen. Mit AWS Media Services und Amazon CloudFront kann die Distribution nun aber in Sekundenschnelle erfolgen. Das wird der DFL nicht nur Zeit sparen, sondern im Live-Streaming viele Vorteile und auch mehr Interaktivität bieten.«

Mit dem neuen Setup werden die Videosignale in die AWS-Umgebung eingespeist und anschließend automatisch verarbeitet und encodiert. Das Cologne Broadcasting Center (CBC) überwacht und steuert die event-basierten Livestreams und nutzt dafür das durch Logic bereitgestellte Produkt »Portal«. Pro Spieltag werden so bis zu 13 Channels gestartet.

Dominik Scholler, Head of Audiovisual Rights International bei der DFL.

Mittlerweile ist die Cloud-Infrastruktur schon einige Monate im Einsatz, und für die DFL hat sich das neue Angebot bewährt: »Die neue Technologie funktioniert reibungslos, und pro Spieltag wird der neue Übertragungsweg von mindestens neun internationalen Medienpartnern genutzt, Tendenz steigend«, sagt Dominik Scholler, der als Head of Audiovisual Rights International bei der DFL die internationalen Medienprodukte und deren Distribution konzipiert.

Darüber hinaus werde man aber wie auch in den vergangenen Jahren die Medienrechteinhaber weltweit via Satellit und Glasfaser mit dem sendefähigen Signal versorgen.

Die Cloud-Lösung ist zunächst also als ergänzender Signalweg konzipiert, die DFL attestiert der Lösung aber durchaus ein hohes Potenzial als alternativer Auslieferungsweg. Glasfaser und Satellit werden aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen, so die DFL.

Über das von Logic entwickelte Portal überwacht und steuert CBC die event-basierten Livestreams.

So dient die Videoübertragung per Glasfaser zum zentralen Produktionsort bei CBC in der Bundesliga nach wie vor als wichtiger Sendeweg, ebenso auch das Satellitensignal, das als Backup fungiert und in der 2. Bundesliga sogar ausschließlich für die Übertragung genutzt wird.

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Bei CBC laufen dann alle Signale zusammen, werden qualitativ geprüft und für die Produktion des internationalen Produktportfolios der DFL bereitgestellt. »Cloud-basiertes Streaming ist für uns ein Service, der perspektivisch eine höhere Anzahl an zusätzlichen Übertragungen kosteneffizient und leicht skalierbar bieten kann«, resümiert Dominik Scholler von der DFL.

Sicherheit spielt dabei eine wichtige Rolle. Rene van Koll erläutert, dass dieses Thema allerdings sehr vielseitig und komplex sei.

AWS ist verantwortlich für jene Services, die der Hersteller kontrollieren kann.

AWS verfolge dabei einen »Shared Responsibility« Ansatz. Soll heißen: AWS ist verantwortlich für jene Services, die der Hersteller kontrollieren kann. Es gebe aber nun mal Bereiche, die ausschließlich in der Hand der Kunden lägen. Van Koll verdeutlicht: »Wir liefern die Bausteine für die jeweilige Kundenumgebung, aber die Art und Weise, wie diese Bausteine zusammengebaut werden, bestimmt, wie sicher eine Umgebung ist.«

Personalisierte Inhalte mit AWS
Über die App könnten Fans künftig Vorschläge für personalisierte Inhalte erhalten.

Mit Beginn der Partnerschaft mit AWS kündigte die DFL auch die Bereitstellung personalisierter Inhalte mit AWS-Technik an. Dabei hat die DFL in einem ersten Schritt damit begonnen, innerhalb der offiziellen Bundesliga App Nutzern, die sich dazu bereit erklären, Content vorzuschlagen. Weitere Features sollen dabei folgen. »Es handelt sich entsprechend nicht um ein alleinstehendes Projekt, sondern um Schritte unserer ganzheitlichen Produktentwicklung. Basierend auf quantitativen Daten und qualitativem Feedback werden wir weitere Schritte unternehmen, um ein persönliches Bundesliga-Erlebnis zu schaffen«, so Moritz Mücke.

Fazit

In ganz verschiedenen Feldern bewegt sich die DFL, um immer wieder neue, noch attraktivere Blickwinkel auf das Thema Fußball zu bieten. Neben den in diesem Artikel genannten, stärker IT-lastigen Innovationen, beleuchtet film-tv-video.de in einem separaten Artikel auch das DFL-Tochterunternehmen Sportcast und stellt deren neue Kamera- und Broadcast-Technologien vor.

Alle Artikel über aktuelle Trends in der Fußball-Liveberichterstattung sind in einem Dossier zusammegefasst. 

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