Weltpremiere im Autokino
Beim Start des Filmfest München Pop-Up lief eine Weltpremiere im Autokino: »In Berlin wächst kein Orangenbaum«.
Wer würde schon eine Weltpremiere in einem Autokino veranstalten? In Zeiten von Corona gibt es aber auch das: »In Berlin wächst kein Orangenbaum«, das Solo-Regiedebüt von Kida Khodr Ramadan, lief als Welturaufführung im PopUp Autokino München.
Weitere Infos zu diesem temporären Autokino, das viel Eigeninitiative, der Hauptsponsor M-Net und weitere Sponsoren ermöglicht haben, steht im zweiten Teil dieses Artikels.
Ramadan (»4 Blocks«), der auch selbst die Hauptrolle spielte, war bei der Premiere persönlich vor Ort, auch Hauptdarstellerin Emma Drogunova und weitere Crew-Mitglieder waren anwesend.
Unverhofft kommt oft
Das Filmfest München hatte eigentlich alle seine Veranstaltungen schon Anfang April abgesagt (Meldung). Aber ganz ohne Event wollte das Filmfest 2020 doch nicht bleiben. Deshalb stellte das Festival-Team kurzerhand als »Notprogramm« das Filmfest München Pop-Up auf die Beine (Meldung). Es kooperiert mit einem temporären Autokino, das im Münchener Stadtteil Freimann installiert wurde.
Nun hat mit der Weltpremiere von »In Berlin wächst kein Orangenbaum«, die erste Pop-Up Veranstaltung im Autokino stattgefunden. Unmittelbar vor der Veranstaltung waren dabei die Bedingungen suboptimal: Bis kurz vor geplantem Filmstart regnete es kräftig. Aber letztlich klappte alles und die Verantwortlichen des Filmfests München freuten sich über eine gelungene Feuertaufe.
Über diesen aktuellen Anlass hinaus interessierte film-tv-video.de aber auch, wie das PopUp Autokino München entstand und umgesetzt wurde, das über die Filmfest-Popup-Reihe hinaus ein interessantes, eigenes Programm spielt.
PopUp Autokino München
Hinter dem PopUp Autokino München stehen Studierende und Alumni der Filmhochschule München.
Jungproduzent Simon Pirron von Junique Productions, mit dem film-tv-video.de sprach, erzählt: »Veronika Faistbauer hatte die Idee, konkret etwas gegen die kinolose Zeit zu unternehmen.« Daraus entstand ein temporäres Autokino für München.
Das Kernteam aus Simon Pirron, Veronika Faistbauer, Fabian Halbig, Agnes Stamml, Melissa Byrne und Berthold Wahjudi entwickelte die Idee weiter und suchte zunächst einmal Infos und Partner, um den Autokino-Plan umzusetzen.
Bevor aber auf einer Industriebrache nahe des Veranstaltungsortes Zenith in München tatsächlich am 20. Mai 2020 ein Autokino in Betrieb gehen konnte, war etliche Vorarbeit nötig. Schließlich sollte das Ganze nicht so ablaufen, als ob ein paar Freunde auf einem Parkplatz ein paar Blurays vorführen. Der Anspruch war professioneller, es sollte etwa ein richtiger Kinoprojektor her, der DCPs abspielen kann.
Deshalb galt es, eine FFA-Zertifizierung als Kino zu beantragen, man musste für die Tonübertragung per UKW mit der Landesmedienanstalt und der Bundesnetzagentur verhandeln, mit der Gema, dem Kreisverwaltungsreferat der Stadt München, dem Gesundheitsamt — und allerhand anderen Institutionen und Behörden.
So kontaktierte das PopUp-Autokino-Team Marcus Busler, einen der Geschäftsführer von ZweiB (Meldung), ein Münchner Unternehmen für digitale Kinotechnik, Veranstaltungstechnik und Medienproduktion. Nach und nach stießen weitere Partner hinzu: Kinoton für die Kinotechnik, CN Mediatec für Audio- und Lichttechnik, Ranzinger & Stamml für die Veranstaltungstechnik, später auch Gastronomie und natürlich auch die Sponsoren, allen voran M-Net.
Im Verbund dieser Unternehmen gelang es, aus einem unerschlossenen, gekiesten Parkplatz ein Autokino zu errichten.
Unerwarteterweise kamen aber sogar gröbere Bauarbeiten auf das Team zu: Schnell wurde nämlich klar, dass es nicht praktikabel war, Strom-, Video- und Audiokabel in einem Autokino mit einfachen Kabelbrücken zu verlegen. Also wurden Gräben aufgehoben und 300 m Kabel in Rohren verlegt.
Dann wurden ein großer und ein kleiner Container aufeinandergestapelt. Im oberen Container wurde der Projektor installiert, in 80 m Entfernung die Leinwand.
Die Unterkante der Leinwand liegt 3 m hoch, damit man auch über einen davor geparkten SUV noch auf die 128 qm große Leinwand blicken kann. Vor der Leinwand gibt es auch eine 10 x 2 m breite Bühne.
Beitrag des BR über das Autokino.
Medientechnik
Einen ausreichend hellen Projektor und ein passendes Objektiv zu beschaffen, das erledigte Kinoton für das Autokino-Team. Eingesetzt wird im PopUp Autokino München ein D-Cinema-Projektor von Barco (Infos), so wie er heutzutage auch in einem stationären Kino eingesetzt wird.
Das Modell DP2K-23Bx bietet 2K-Auflösung und ein Kontrastverhältnis von 2.000:1. Um die große Leinwand mit einem hellen Bild zu bestrahlen, wird im Lampenhaus des Projektors ein superheller Xenon-Brenner mit 4.000 W verwendet.
Der motorisierte Zoom kann das Seitenverhältnis 1,85:1 und 2,39:1 abbilden.
Die Projektionseinheit wurde gemietet und das gleiche war auch bei der Leinwand geplant. Da aber die Idee für ein Revival des Autokinos nicht nur in München aufkam, sondern auch in anderen deutschen Städten und natürlich auch klassische Open-Air-Kinos im Sommer Saison haben, stand keine ausreichend große Leinwand auf dem Mietmarkt mehr zur Verfügung.
Also musste das Team die Leinwand kaufen. Dabei handelt es sich um ein spezielles Bildwandtuch für Open-Air-Aufprojektion, die Vorderseite ist mattweiß und unperforiert. Die Leinwand misst 16 x 8 m, also 128 qm.
Alle Herausforderungen im Bildbereich waren damit gelöst. Wer aber noch nie oder sehr lange nicht mehr im Autokino war, der weiß vielleicht gar nicht, wie dort heute der Ton zu den Zuschauern gelangt. Es wird nämlich eine lokal begrenzte Radiosendeantenne installiert und über eine UKW-Frequenz gesendet. Im Fall des PopUp Autokinos München ist das die Frequenz 91,9, die per Kurzzeitzuteilung beantragt werden musste. In einer Großstadt eine UKW-Frequenz-Kurzzeitzuteilung zu erhalten und regelgerecht umzusetzen, sei aber nicht trivial, ließ Simon Pirron durchblicken.
Der Filmton, Live-Musik und Moderation kommen also im eigenen Autoradio der Gäste an. Zwei Funkmikrofone hat das Autokino ebenfalls installiert.
Gut besucht
Das Autokino startete am 20. Mai 2020, und schon bei der ersten Vorführung waren rund 200 Autos und darin rund 500 Gäste vor Ort.
Die Mehrheit der Gäste hat sich bei mittlerweile fast acht Wochen Betrieb und dem angebotenen Programm des PopUp Autokinos München klar herausgeschält: Die meisten Gäste sind 23 bis 30 und weiblich.
Seit dem Start hat das Autokino im vorderen Bereich nahe der Leinwand auch Corona-tauglich platzierte Liegestühle installiert: Nun können also auch Gäste ohne Auto das Kino besuchen.