Broadcast, Live, Sport, Streaming, Top-Story: 14.08.2019

Finals 2019: Ein Hauch von Olympia

Das gab es noch nie: Am 3. und 4. August traten in Berlin mehr als 3.300 Sportlerinnen und Sportler im Kampf um 202 nationale Titel an. »Da liegt schon ein Hauch von Olympia in der Luft«, beschreibt ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann »Die Finals 2019«.

Bahnrad, Bogensport, Boxen, Kanu, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Schwimmen, Trial, Triathlon, Turnen – zehn Deutsche Meisterschaften zur gleichen Zeit, in einer Stadt und vom Ablauf her koordiniert. Das war nicht nur eine Herausforderung für die veranstaltenden Sportverbände, sondern auch für das Fernsehen.

Zehn Venues in der Hauptstadt im Blickpunkt der Werbung …

»Die Finals 2019« blieben aufgrund ihres nationalen Charakters live im Lande. Das machte den technischen Aufwand der TV-Produktion freilich nicht geringer. Das ZDF teilte sich die Pflichten des Hostbroadcasters mit der ARD. Im Ersten wurde am Samstag, im Zweiten am Sonntag übertragen – zusammen 19 Stunden live. Parallel gingen um die 40 Programmstunden in acht Streams ins Internet. Um die 99 Kameras erfassten das Geschehen an den Wettkampfstätten, zehn Ü-Wagen waren im Einsatz.

… und in der Planung für den Technik-Einsatz von ARD und ZDF.

»Wir haben drei große Ü-Wagen im Einsatz und SNGs. Wir haben zwei große Schnittmobile á drei Avid-Schnittplätzen dabei, einen Schaltraumcontainer und einen Container mit Schnittplätzen und SloMo-Maschinen. Alles, was bewegt werden kann, ist hier«, berichtete der technische Leiter des ZDF, Gunnar Darge. Für diese Technik und die Container mit den Büros (auch der ARD-Technikkollegen Torsten Schollbach und Hagen Schuler), Lagerflächen usw. für ARD und ZDF wurde ein Compound ein paar Meter südöstlich des Olympiastadions eingerichtet.

Die RBB-Abendschau beim Blick hinter die Kulissen der TV-Finals: RBB-Sportchef Dirk Walsdorff in einem der Ü-Wagen.

24 Kameras »betreuten« allein die Leichtathleten im Olympiastadion. Um parallele Wettbewerbe zu visualisieren, wurden für Lauf- und Wurfdisziplinen, Weitsprung und Hochsprung/Kugelstoßen jeweils eigene Regien in zwei Ü-Wagen eingerichtet. Der Regieplatz »Lauf« war zugleich als Leichtathletik-Gesamtregie konzipiert. Die Sportfeeds (ohne Moderationen, Interviews usw.) wurden parallel live gestreamt. An allen Venues standen weitere Kameras für Interviews zur Verfügung, die unabhängig vom Sportfeed auf Sendung geschaltet werden konnten. Natürlich waren überall Möglichkeiten zur Produktion und zum Playout von Einspielern vorhanden.

Für die Übertragung in die Zentralregie wurden Glasfaser-Leitungen gebucht. Multiplexer von Nimbra bündelten die benötigten Signale. »Da sind die Sportfeeds drauf und die unilateralen Kameras. Es gibt für die Reporter vor Ort einen Rückkanal«, erläuterte Compound-Chef Jörg Bösendorfer vom ZDF. »Nach unseren Erfahrungen reicht eine 1GB-Glasfaser aus«, nahm Gunnar Darge das Thema auf. Die Belegung »hängt davon ab, was die Redaktion an den einzelnen Wettkampfstätten möchte. Das bereiten wir vor.«

Zehn Venues, zehn Ü-Wagen

Gut beschirmt: Ein Kameramann auf dem Olympischen Platz.

Die Schauplätze der Finals konzentrierten sich um das Olympiastadion. Auf dem Olympischen Platz nutzten die Redaktionen von ARD und ZDF ein an die Hauptregie angebundenes Presenter-Studio vor dem Hintergrund der Tribüne einiger Disziplinen des Bogenschießens und des Modernen Fünfkampfs. Dort wechselten die Triathleten vom Rad in die Laufschuhe und hatten den Zieleinlauf. Diese Bilder lieferte ein Ü-Wagen des NDR zu. Auch den Start und Schwimmkurs des Triathlon am sowie Drohnen und Motorrad-Kameras längs der Radstrecke betreute der NDR mit einem Ü-Wagen am Strandband Wannsee. Dieser Produktionsort hatte Ausnahmestatus, weil dort kein Glasfaserzugang verfügbar war. »ARD und ZDF haben auf dem Astra 3B ein eigenes Raumsegment für die Tagesschau oder die 19 Uhr-Heute Nachrichten. Das wird für uns bereitgestellt«, erläuterte Jörg Bösendorfer. Das ZDF stellte die beiden SNGs. Deren Restkapazität wurde mit einem Streaming-Signal gefüllt, das in den Glasfasern an die Sendezentralen von ARD und ZDF keinen Platz hatte.

Die Qualifikationen der Boxer hatten im Kuppelsaal des Olympiaparks bereits am 30. Juli begonnen; die TV-Bilder besorgte der RBB. Fünf Schauplätze lagen allerdings kilometerweit entfernt längs des östlichen S-Bahnringes: Die Turner waren in der Max-Schmeling-Halle untergebracht; der WDR produzierte dort mit zwei Regien in einem Truck. Bild und Ton vom Rad-Trial im Jahn-Sportpark und vom Kanusport auf der Spree westlich der Oberbaumbrücke verantwortete der RBB. Das Velodrom nutzten zweckentsprechend die Bahnradler, und die Schwimmer kämpften im Europasportpark um Medaillen. Für diese Standorte stellten Beta Mobil bzw. TopVision die Produktionstechnik.

©RBB/ZDF/Jule Roehr
V. li.: Jürgen Kessing, Axel Balkausky, Katrin Günther, Andreas Geisel, Franziska Weber, Thomas Fuhrmann und Jörg Brokamp.

Alle Signale liefen am Olympiastadion im dritten ZDF-Truck und dem Schaltcontainer zusammen. Dort war die technische Zentrale für das Management der von den Venues zugelieferten TV-Signale und Streams sowie der internen Kommunikationsstrecken. Die Sendesignale wurden von dort über Glasfaser zum ZDF nach Mainz bzw. zum Sternpunkt Frankfurt der ARD geschickt. Bösendorfer: »Das sicherste Medium ist die geschützte Glasfaser-Verbindung – selbst wenn ein Bagger die Leitung kappt. Über Satellit hätten wir ein Delay von etwa einer Sekunde.« Für Redakteure wie Zuschauer ist unschön, wenn zwischen Fragen und Antworten ein »Luftloch« entsteht.

Geballte Werbung für den Sport

Sicherlich beförderte der mediale Erfolg der letztjährigen European Championchips in Glasgow und Berlin die schon vorher erfolgten Entscheidungen der Sportverbände für »Die Finals 2019«. Prominente Sportler waren begeistert von der Idee des Schulterschlusses so vieler Disziplinen und ihrer geballten Präsentation. Die Berliner Politik sah das auch so und stellte die Sportstätten und 3,3 Mio. Euro zur Verfügung.

Kanuten mit HbbTV-Bauchbinde im Wohnzimmer.

Sportler und Verbände fühlten sich, ihren Äußerungen folgend, wohl bei dem Berliner Mega-Event. Die Zuschauer hatten vor Ort oder vor dem Fernseher Spannung und Spaß. Einige Wettbewerbe waren gewöhnungsbedürftig, mögen aber gerade darum Interesse geweckt haben. Das betraf vor allem die ultrakurzen Kanu-Sprints über nur 160 Meter. Die Trophäen über die üblichen Kanu-Strecken werden erst später im August ermittelt. Auf den Marathon-Lauf quer durch die Stadt (und die Kritik der Berliner wegen permanenter umfangreicher Straßensperrungen in der City) verzichtete man; die Meister waren im April 2019 ermittelt worden.

Gute Quoten, auch für »Randsportarten«

ARD und ZDF meldeten für beide Tage einen durchschnittlichen Marktanteil von etwa 13,2 Prozent. Das entsprach für das Erste am Samstag 1,39 Mio. Zuschauern und am Sonntag im ZDF 1,6 Mio. Zuschauern. Quoten-Spitzen erreichte die Leichtathletik mit über 2,2 Mio. Zuschauern an beiden Tagen. Gute Quoten hatten u.a die Modernen Fünfkämpfer, die Kanuten und Boxer. Für die Live-Streams wurden 410.000 Sichtungen gezählt. Das größte Interesse gab es dabei für die Leichtathletik-Wettbewerbe mit 248.000 Sichtungen (61 Prozent).

Sport als Gemeinschaftsaufgabe der öffentlich-rechtlichen TV- und Radiosender.

»Technisch und organisatorisch hat alles gut funktioniert«, stellte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky im Nachklang fest und freute sich über einen Marktanteil von durchschnittlich 13 Prozent. Für das ZDF lag die Premiere der Finals »weit über den Erwartungen«, so Thomas Fuhrmann. Das Konzept der Mischung aus Live-Broadcast und Live-Streaming sei aufgegangen. Aus seiner Sicht sind »die ‚kleinen‘ Sportarten die großen Gewinner des Wochenendes. Ich will mich dafür einsetzen, dass diese Multisport-Meisterschaften eine Fortsetzung finden.«

Das sah erwartungsgemäß auch Berlins Sportsenator Andreas Geisel (SPD) so und bot die Hauptstadt als Austragungsort künftiger Finals an. Die kann es allenfalls im Zweijahres-Rhythmus geben. Denn in den geraden Kalenderjahren beanspruchen vor allem die Olympischen Spiele Sportler und Zuschauer ebenso wie die Fernsehleute aus Produktion und Redaktionen und die Produktionstechnik.

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