Postproduction, Sponsored-Content: 05.07.2018

»Ingenium«: mit geringen Mitteln großes Kino schaffen

Über mehrere Jahre hinweg arbeitete Steffen Hacker an einem Independent Mystery-Thriller und musste dabei knifflige Postproduction-Aufgaben lösen.

»Ingenium« heißt der Debütfilm von Regisseur Steffen Hacker, den er im „Guerilla-Style“ mit geringem Budget realisiert hat. Dabei kam der Postproduction eine herausragende Rolle zu: Szenen und Dialoge mussten nachgedreht und ersetzt werden, ohne dabei das ohnehin geringe Budget zu sprengen. Im Folgenden beschreibt Hacker, mit welchen Mitteln ihm das gelang.

Schon als Student war ich auf Messen und Roadshows für Adobe unterwegs, um deren Videoprodukte zu zeigen und von meiner Arbeit aus dem VFX-Bereich zu berichten. Ich hätte mir trotz meiner täglichen Arbeit mit Adobes Kreativ-Software aber nicht träumen lassen, mal eine derart innige Beziehung zu Premiere Pro CC und After Effects CC aufzubauen – mit diesem Projekt, das mich fünf Jahre lang unzählige Nächte und Wochenenden an den Rechner fesselte.

Steffen Hacker, Ingenium
Steffen Hacker, Regisseur des Mystery Thrillers »Ingenium«.

Seit dreizehn Jahren bin ich als Werberegisseur im Regie-Duo »Alex & Steffen«, sowie als VFX-Supervisor bei der Stuttgarter Firma Unexpected tätig. Schon lange träumte ich jedoch von einem eigenen Spielfilm. Also bin ich im Winter 2013, nach einem halben Jahr Vorbereitung, zusammen mit der Schauspielerin Esther Maaß nach Thailand aufgebrochen, um dort die ersten Szenen für einen Thriller zu drehen, dessen Geschichte ich in den Folgejahren mehrmals komplett umgeschrieben habe. Dies hatte auch zur Folge, dass sich der Umfang stetig erweitert hat, wodurch wir uns im Besonderen auf unsere Postproduktions-Tools verlassen mussten.

Wilder Format-Mix

Premiere Pro CC half uns dabei enorm, denn es unterstützt nativ alle Formate ohne Transkodierung in einer Timeline. Das ist ein Feature, auf das wir uns stark verlassen haben, da wir das Projekt im Lauf der Jahre mit elf verschiedenen Kameras gedreht haben: Unter anderem mit FS700/FS100/F5 von Sony, GH2 von Panasonic, Blackmagic 2.5K und 4K, Canon 5DMK 2 und 3 sowie C300 — und am Ende sogar noch mit einer Alexa Mini von Arri.

Das bedeutet, dass viele verschiedene Wrapper und Codecs wild auf den Timelines gemischt und dann meistens sogar von externen USB-3.0-Festplatten ohne teure Highend-Video-Raids abgespielt wurden: Alles ohne Probleme, ohne jegliche Transcodes und Konsolidierungen. Der Ton von den extern aufgenommenen Mikrofonen wurde jeweils mit PluralEyes gesynct und direkt als Premiere-Timeline ausgegeben, so dass nur wenig manuelle Arbeit nötig war.

Die Timelines habe ich immer im Pancake-Prinzip bearbeitet, um gleich mit den Selected Takes weiterarbeiten zu können. Die Farbkodierungen für den Schnitt waren meist inhaltlicher Natur, wie Closeups, Schuss/Gegenschuss auf Charaktere bei Dialogen oder Totalen. Die verschiedenen Kameras wurden dann erst wieder in der Farbkorrektur interessant.

Morph Cut

Einem bestimmten Feature kam in der Postproduktion eine besondere Bedeutung zu: Dem MorphCut. Ich drehte vor einem Greenscreen eine Halbnahe auf Esther und wollte dann eine kurze Pause vor einer großen Reaktion nochmal verkürzen, um die Geschwindigkeit der Szene zu erhalten. Wie aber kürzt man eine halbe Sekunde heraus, ohne dass man erneut einen Gegenschnitt einbaut, der den Zuschauer dann wieder nur verwirrt?


Per Morphcut lässt sich eine Szene wie diese ohne Bildsprung kürzen – und damit verdichten.

Wofür ich in After Effects CC mit Plug-Ins ewig hätte rumexperimentieren müssen, erledigte MorphCut mit wenigen Klicks – zumal der Hintergrund für den Shot durch den Greenscreen völlig irrelevant war und das Ergebnis nahezu perfekt ausfiel. Niemandem, der es nicht schon vorher wusste, würde der Morph-Übergang im Gesicht auffallen.

Ähnlich sind wir bei vielen anderen Szenen im ganzen Film vorgegangen – meist als Resultat von Kürzungen im Schnitt. Hat man eine Szene irgendwann auf ihr Minimum gekürzt, kann man mit den Takes, die man bisher auf der Timeline benutzt, einfach nicht weiter verdichten. Das bedeutet, dass man dann testweise anfängt, Aktionen von Schauspielern (zeitlich unterschiedlich oder aus anderen Takes) parallel zu montieren. Um diese schließlich zusammen in den gleichen Take zu kriegen, musste ich mit After Effects CC einen der beiden Shots stabilisieren. Früher war das ein großer Aufwand, heute aber ist das dank dem Warp Stabilizer ein Kinderspiel. Schließlich musste man das Material nur noch an einen 2D-Track des zweiten Takes linken und mit einer weichen Maske beide Schauspieler voneinander trennen.

Über 600 VFX Shots

Bei diesen kleinen Retuschen sollte es aber nicht bleiben, denn der Film hat über 600 VFX-Shots. Viele davon sind jedoch unsichtbar, wie die folgenden Bildbeispiele zeigen.

In dieser kleinen Übersicht sieht man Polizeiautos und Polizisten, wo es keine gab, Kirchtürme, wo keine waren (um die Szenen-Kontinuität zu erhalten), oder sogar ganze Sets im Hintergrund einer Location. Grund dafür war, dass ich kein Geld für die entsprechende Ausstattung hatte. Daher habe ich das alles lieber mit After Effects CC in die Szenen eingesetzt.

Ingenium
Hier ist ein Polizeitauto zu sehen, wo ein anders Auto stand …
Ingenium
… und hier ein Polizist, wo keiner war.
Ingenium
Auch Hintergründe mussten neu eingefügt …
Ingenium
… und Kirchtürme verändert werden, wo sie nicht hin passten.

Das Wichtigste beim Einsetzen der 3D-Renderings ist die Einstellung des Schwarzwertes per Levels-Effekt. Denn wenn der nicht stimmt, fallen die digital eingesetzten Bildteile sofort auf. Ein bisschen Light-Wrap perfektioniert dann das Ergebnis.

Zum Abschluss des Projektes, das vier Jahre Dreharbeiten und ein ganzes Jahr Postproduktion kostete, gab es noch eine besondere Herausforderung: Alle Dialogteile, die 2013 in Thailand gedreht wurden, passten storytechnisch nicht mehr zur finalen Geschichte des Filmes. Also mussten wir das (ohne erneute Thailand-Reise) nachdrehen.

Ingenium
Alle Dialogteile, die in Thailand gedreht wurden, mussten nachgedreht werden. Dafür mussten genügend »freie Bildteile« gefunden werden.

Dafür mussten genügend »freie Bildteile« gefunden werden, um den Hintergrund hinter Esther zu restaurieren, um sie so aus jeder der Aufnahmen »heraus zu retuschieren«. Anschließend haben wir das Licht-Setup nachempfunden und all die Szenen vor einem Greenscreen mit neuem Dialog wiederholt.

Um das Compositing der neuen Aufnahmen glaubhafter zu machen, habe ich am Ende noch einen kleinen Trick auf das Gesamtmaterial angewendet, indem ich ein Discolicht-Flare über den oberen Bildteil in Premiere gelegt habe (hier gibt es kostenlose Flares, um so etwas nachzubauen).

Ich hoffe, dass dieser Einblick in die Postproduktion und der Trailer einen guten Einblick in das Projekt geben.


»Ingenium«: der aktuelle Trailer des Mystery Thrillers.

International läuft »Ingenium« schon auf Filmfestivals. Wann es den Film in Deutschland zu sehen gibt, wird auf der Homepage www.ingenium-film.com, oder auf Facebook veröffentlicht. Weitere Einzelheiten zur Postproduktion von »Ingenium« und noch mehr Workflow-Tipps von Steffen Hacker stehen im Creative Connection Blog von Adobe.