Fußball-WM: live aus Baden-Baden

Centralized Production: Leitungs-Setup

Das zentrale Studio für die WM-Berichterstattung außerhalb des WM-Landes zu betreiben, das wurde erst durch moderne Übertragungstechnik möglich. So ist das NBC mit den WM-Spielorten und dem DFB-Quartier durch 45 Bildleitungen verbunden. Eine davon wird sogar ein UHD-Signal übertragen – das UHD-Material dient als Zuspielquelle für die LED-Wand im Studio. »Da der Host-Broadcaster das komplette Turnier auch in UHD anbietet, können wir hier aus fünf UHD-Signalen jeweils das passende auswählen«, so Florian Rathgeber.

Für die Übertragung braucht es große Breitband-Kapazitäten. Die Leitung zwischen Baden-Baden und Russland bietet eine Leistung von zehn Gigabit pro Sekunde. Mit der Nimbra-Leitungstechnik von Netinsight werden die Signale JPEG2000-komprimiert übertragen. Laufzeitunkritische Signale, etwa Beautyshots, werden MPEG4-komprimiert, erläutert Vitino Zoiro.

Natürlich hängt man mit einem Centralized Production-Konzept in besonderem Maß von stabilen Signalverbindungen und -leitungen ab. Daher gibt es in diesem Bereich natürlich Redundanz, um im Havarie-Fall ausreichende Sicherheit zu haben. So steht für den Fall einer Unterbrechung eine zweite Leitung mit gleicher Kapazität als Backup zur Verfügung.

Eine weitere Leitung mit geringerer Kapazität von einem Gigabit pro Sekunde verbindet Baden-Baden mit den Produktionsplätzen im Hotel der Nationalmannschaft in Watutinki bei Moskau. Auch für diese Verbindung gibt es ein gleichwertiges Backup.

Wie wichtig die redundante Signalführung ist, verdeutlicht Vitino Zoiro, wenn er berichtet, dass es bei den vergangenen Produktionen bisher jedes Mal vorkam, dass eine der Leitungen ausfiel – teilweise sogar bis zu zehn Stunden lang. Mal war ein Bagger Schuld, mal fanden irgendwo auf der Strecke Wartungsarbeiten statt, mal wurden Kabel geklaut. »Die Umschaltung ist für uns aber nicht sichtbar, wir erhalten lediglich eine Meldung darüber, dass und wie lange eine Leitung ausgefallen ist«, beschreibt Florian Rathgeber.

Leitungen mit den genannten Kapazitäten sind zwar schon länger verfügbar, die Anmietung war aber bisher sehr teuer und somit wirtschaftlich nicht sinnvoll. Die Entwicklung der Breitbandtechnik hat aber die Leitungspreise mittlerweile in vertretbare Dimensionen gerückt und damit unter anderem die Lösung mit Baden-Baden als Sendezentrale ermöglicht.

»Wir schaffen es allerdings immer noch nicht, das gesamte Signal-Bouquet zu übertragen. Deshalb wird je nach Spieltag ausgewählt, welche Signale aus dem Paket, das der Host-Broadcaster zur Verfügung stellt, über die Leitung nach Deutschland übertragen werden«, erläutert Florian Rathgeber.

»Nachdem in der Planung klar wurde, dass eine 10-Gigabit-Leitung nicht reichen würde, um das komplette Signalpaket zu übertragen, diskutierten wir, ob eine zweite Leitung notwendig wäre, haben uns aber schlussendlich aus Kostengründen dagegen entschieden«, erläutert Gregor Schmid, der die Technische Leitung beim SWR inne hat.

Deshalb wird nun während der Fußball-WM 2018 mit den erwähnten 45 Bildleitungen gearbeitet, um die Signalführung in beide Richtungen umzusetzen. »Zusätzlich haben wir auch noch Data-Services im Einsatz und binden unsere Büro-Kommunikationsnetze ein, sodass man beispielsweise im IBC in Russland die heimischen Systeme genauso nutzen kann, wie hier in Baden-Baden« erläutert Florian Rathgeber.

Gregor Schmid ergänzt: »Sind die Signale aus Moskau hier im NBC angekommen, befinden wir uns allerdings noch längst nicht in der ARD- und ZDF-Welt. Deshalb mussten wir dafür die nötigen Querverbindungen schaffen, etwa in den Hauptschaltraum des SWR, um von dort weiter zu den anderen ARD-Anstalten zu gelangen. Für die Anbindung des ZDF in Mainz wurde über den Dienstleister Vidi eine Leitungsanbindung gebucht, über die das Material aus Baden-Baden über Sende-/Rück- und Datenleitungen zum Lerchenberg nach Mainz gelangt.

»Untermieter« beim SWR

Das National Broadcast Center (NBC) ist beim SWR in den Studios 5  und 6 untergebracht. Lars Stahl, SWR, berichtet, dass sein Sender diese beiden Studios bisher für Unterhaltungsproduktionen wie »Ich trage einen großen Namen«, »Die Pierre M. Krause-Show« oder »Sag die Wahrheit«, aber auch für seine Service-Sendungen genutzt habe.

Aufgrund von Reinvestitionen und eines Dekorations-Neubaus seien zwei Service-Sendungen (»ARD-Buffet« und »Kaffee oder Tee«) beim SWR zum Jahres-Beginn in zwei andere Studios umgezogen und die Unterhaltungsformate für 2018 wurden zeitlich verschoben, sodass die Studios 5 und 6 nun für die Produktion der WM zur Verfügung standen.

»Den Confed Cup im Vorjahr, der in kleineren Studios realisiert wurde, konnten wir noch mit vorhandener Technik und dem Hauptschaltraum des SWR abwickeln. Das Volumen einer WM war damit aber zu nicht meistern«, so Lars Stahl. »Deshalb mussten wir zunächst noch einige Umbauten realisieren, um die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.«

Seite 1: Eckdaten
Seite 2: Centralized Production in Baden-Baden
Seite 3: WM-Studio, Augmented Reality, Moderatoren
Seite 4: Regien, Avid-/EVS-Produktionssystem
Seite 5: IBC Moskau, DFB-Quartier, Venues und Kameratechnik
Seite 6: Distribution: Online, Social Media, Hörfunk, Resümee