Site-Report: Philharmonisch ins Netz
Die Berliner Philharmoniker betreiben über ein Tochterunternehmen eine eigene Streaming-Plattform namens »Digital Concert Hall« und bieten dort gegen Abo-Gebühr Live-Konzerte und Zugriff auf ihr umfangreiches Archiv an. film-tv-video.de hat sich angeschaut, wie die Konzerte dafür produziert werden.
Konkret werden die Kameras mit 4K-Broadcast-Objektiven von Fujinon oder mit Canon-HD-ENG-Objektiven genutzt.
Alle Kameras geben insgesamt jeweils fünf einzelne Signale ab: ein Quadlink-UHD-Signal und zusätzlich ein HD-Signal. Die UHD-Signalverteilung erfolgt also bei der Installation in der Philharmonie via Quad-Link: vier einzelne, synchronisierte 50p-HD-Signale (3G) übertragen jeweils einen von vier Sektoren des UHD-Bildes und werden dann wieder zusammengefügt.
Die insgesamt fünf HD-Signale pro Kamera werden mit Bluebell-Konvertern auf Glasfaser umgesetzt und dann über die neue Glasfaserverkabelung verschickt. Auf diesem Weg gelangen sie in den Geräteraum, werden auf Glasfaserbasis von der Kreuzschiene entgegengenommen und stehen dann in der hybriden Regie zur Verfügung. Die Kreuzschiene von Utah Scientific bietet 288 Koppelpunkte.
Die Kamerasignale liegen in der Regie an einem Mischer an und stehen für die Live-Produktion zur Verfügung. Momentan ist hier noch ein HD-Mischer (AV-HS6000) im Einsatz, der aber in Phase 2 durch einen 4K-Mischer von Panasonic ersetzt wird.
Die Live-Produktion findet also derzeit in HD statt, aber schon seit der vergangenen Spielpause des Orchesters wird auch in 4K und HDR aufgezeichnet. Dazu haben sich die Planer und Techniker von Videocation eine trickreiche Lösung ausgedacht.
Es wurde eine Software entwickelt, die sozusagen auf Basis des HD-Programmsignals eine Hard-Cut-Version des Live-Signals in 4K aufzeichnet. Dazu wird die Kreuzschiene entsprechend gesteuert und gibt das geschnittene 4K-Signal auf einen Capture-Server aus. Parallel werden auch einzelne 4K-Kamerasignale (nicht alle) über die gesamte Konzertlänge separat aufgezeichnet. Am Ende des Konzerts gibt es also ein HD-Programmsignal, eine 4K-Hard-Cut-Version davon und einige durchgängige, abgesteckte 4K-Kamerasignale als Aufzeichnung — genug Material, um daraus später eine 4K-HDR-Version erzeugen zu können.
Die Software für diese automatisierte Parallelproduktion erforderte enge Kooperation zwischen Panasonic und dem Kreuzschienenhersteller Utah-Scientific, von dem die verwendete Kreuzschiene stammt. Panasonic modifizierte für die Philharmonie auch die Firmware der Kameras, um 4K-HDR-Produktionen gemäß der Anforderungen möglich zu machen.
Im Geräteraum sind neben der Utah-Kreuzschiene auch ein Multiviewer von Axon und Framesynchronizer von Aja im Einsatz. Letztere waren zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme die einzigen Geräte dieser Art, die auch zuverlässiges Quadlink-Audio-Embedding/De-Embedding boten. Bei der Auswahl aller verwendeten Geräte und Komponenten spielte neben Preis und Funktionalität auch stets der Platzbedarf eine wichtige Rolle — alles musste möglichst kompakt sein, um insgesamt die beengten Raumverhältnisse nicht zu sprengen.
Produziert wird parallel in HD im Raster 1.920 x 1.080 und 50p sowie in UHD im Raster 3.840 x 2.160 und 50p. Die HDR-Kodierung erfolgt in HLG.
Als Standard Production-Codec ist im Einsatz: AVC Intra Class 4K, 4:2:2, HDR, 10 Bit bei 800 Mbit/s. Als HQ Production Codec wird genutzt: Apple ProRes HQ, 4K, 4:2:2, HDR, 10 Bit bei 1.500 Mbit/s. Audio-Standard: min. WAV 48 KHz/24 Bit Stereo, plus optional 5.1 Surround Mix, total 8 Audiokanäle.
Eine Herausforderung stellte in dem beschriebenen, hybriden Umfeld das Monitoring und die visuelle Kontrolle der Signale dar: Schließlich geht es darum, HD- und UHD-Signale zu überwachen, außerdem hat man es mit SDR- und HDR-Signalen zu tun.
Ein Multiviewer von Axon sorgt für Überblick, er stellt alle Signale in HD dar. In der Regie sind sechs 4K-Monitore (31-Zöller) von Panasonic eingebaut (BT-4LH310), die über eine HDR-Emulation verfügen, aber strenggenommen SDR-Monitore sind. Um Bilder in echtem 4K-HDR sehen zu können, nutzt Berlin Phil Media derzeit zusätzlich hochwertige 55-Zoll-Oled-Monitore aus der 4K-HDR-Consumer-Palette von Panasonic (TX-55EZW1004).
Die Aufzeichnung der Signale erfolgt auf verschiedene Weise und an verschiedenen Orten — einerseits aus Sicherheits- und Redundanzgründen, andererseits auch, weil die Aufzeichnungen verschiedenen Zwecken dienen. So wird in der Regie ein Recorder des Typs KiPro Ultra von Aja für einen Sicherheitsmitschnitt eingesetzt. In einem Serverraum im Keller dient ein Zentralspeichersystem von Cinegy als weitere Aufzeichnungsstation.
Gute Organisation sowie passende Netzwerk- und Zentralspeicherfunktionalität sind nötig (etwa auch im Transcoding-Bereich), um den Workflow in dem vorgegebenen, weiter oben beschriebenen Takt zu realisieren.
Acht Capture-Server und der Zentralspeicher von Cinegy bilden die Hardware-Basis des MAM-Systems von Cinegy, mit dem das Material verwaltet und archiviert wird. Mit dem in Cinegy integrierten Editing-Modul wird das Material teilweise auch bearbeitet, Berlin Phil Media nutzt aber auch Edius-Systeme für die Aufzeichnung und Bearbeitung.
Von absolut zentraler Bedeutung ist für ein klassisches Orchester natürlich der Ton, auch in der Aufzeichnung. Hierfür gibt es in der Philharmonie eine eigene Tonregie, die in wesentlichen Teilen mit Equipment von Stage Tec ausgestattet ist. Auf diesen Bereich der medientechnischen Installation in der Philharmonie geht dieser Artikel nicht im Detail ein. In der Videoregie gibt es einen im Vergleich zur Audioregie nur kleinen Audiomischer, denn es geht hier ja im wesentlichen darum, die Audiosignale der separaten Tonregie zu übernehmen.
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Seite 5: Umstieg auf 4K: Phase 1
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