BR-Webserie »Homo Digitalis«
Künstliche Intelligenz, Chips im Gehirn, digitale Sexpartner – wie verändern solche Zukunftstechnologien unser Leben? Antworten darauf möchte die neue Webserie Homo Digitalis liefern, ein Gemeinschaftsprojekt von BR, Arte und ORF mit einem interessanten Ansatz.
Gute zwei Jahren haben Wissenschaft und Technik noch Zeit, dann muss es soweit sein. Denn für das Jahr 2020 ist der »direkte Kontakt zwischen menschlichem Gehirn und Computern« vorhergesagt, oder präziser: »die Heraufkunft der Mensch-Maschine«.
Das klingt für manche wie ein Zitat aus »Blade Runner 2049«, einem Science-Fiction-Thriller, der gerade die Kinos erobert. Oder es könnte im Zusammenhang mit einem Song von Kraftwerk aus dem gleichnamigen»Mensch-Maschine«-Album von 1978 stehen. Aber nein: So lautet eine reale Prognose von Zukunftsforschern, welche die neue BR-Webserie »Homo Digitalis« amüsant und beiläufig in einem Youtube-Video vom Zündfunk-Netzkongress zitiert.
Ein Grund mehr für die Macher von »Homo Digitalis«, den Titel gebenden digitalen Menschen einmal genauer zu erforschen. Auf dem Zündfunk-Netzkongress präsentierte der BR das Projekt, das seit 18. Oktober 2017 online auf der BR-Webseite zur Verfügung steht.
Auf spielerische Weise begibt sich Moderatorin Helen Fares in sieben rund 10-minütigen Episoden auf die Suche nach der Welt von morgen: Mal trifft sie sich mit einem Pornostar, um einen Sexroboter zu testen; mal soll sie mithilfe einer Elektrodenhaube mit ihren Gedanken eine Drohne zum Fliegen bringen; mal erforscht sie, wie ein Chip den gesamten Gen-Pool eines Menschens hacken soll; mal plauscht sie mit einem Hologramm ihrer besten Freundin Josi.
Im Zentrum stets die Frage, die nicht nur Wissenschaftler schon lange beschäftigt: Wann wird künstliche Intelligenz den Menschen überholen? Wo liegen die Grenzen und wie weit sind wir bereit zu gehen?
Bertolt Meyer, Tech-Psychologe der technischen Universität Chemnitz, formuliert das in einer der Folgen so: »Wir sprechen hier über eine krasse Zukunftsvision, die noch weit in der Zukunft liegt.« Oder vielleicht sogar »über die Verschmelzung von Mensch und Technik auf der Bewusstseinsebene.« Das könne man aber heute noch nicht so recht sagen.
»Homo Digitalis« forscht, probiert, spekuliert. Helen Fares fragt nach, unter anderem beim Verschwörungstheoretiker und Futurologen Ian Pearson und bei der Robo-Psychologin Martina Mara, die das Electronica Future Lab in Linz leitet. Oder sie blickt kurz nach Japan, wo es bereits ganz normal sei, dass sich geschäftige Digital Natives lieber eine Freundin für einen Tag mieten: Die macht wenigstens, was der- oder diejenige möchte, ohne Streitereien und Konflikte, die eine echte, gleichberechtigte Beziehung und Freundschaft eben mit sich bringt.
In schnell geschnitten Szenen collagiert »Homo Digitalis« geschickt altes Science-Fiction-Nostalgiearchivmaterial mit Interviewpassagen und witzigen Animationen. Ein Format, das im Netz gut funktionieren kann. In zehnminütigen Häppchen zubereitet, jederzeit auf der BR-Webseite abrufbar – und dazu gut recherchiert und tiefgründig.
Christiane Miethge, Regisseurin und Projektleiterin von »Homo Digitalis«, glaubt an die Qualität von Webserien: »Als Filmemacherin sehe ich derzeit in Web-Formaten den größten Freiraum, Geschichten so zu erzählen, wie das Thema und der Inhalt es verlangen. Das Fernsehen ist mit seinen festen Formaten und Sendeplätzen oft weniger flexibel. Im Web kann man mit neuen Formaten und Erzählweisen leichter experimentieren. Zudem können wir ganz andere Zielgruppen erreichen. All das heißt aber nicht, dass Web-Formate wie »Homo Digitalis« nicht auch im Fernsehen laufen können. Im kommenden Jahr werden wir die Web-Serie als 60-minütige Dokumentation für das TV-Programm aufbereiten«, sagt sie in einem Interview mit der Zeitschrift Wired.
»Homo Digitalis« soll aber nicht nur die Zuschauer informieren und unterhalten, das Format soll auch zum Mitmachen animieren. Deshalb haben sich die involvierten Sender BR, Arte und ORF mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zusammengetan, um daraus ein wissenschaftliche – oder im besten Fall auch gesellschaftliches – Experiment zu machen.
Jeder Zuschauer, jede Zuschauerin kann über die »Homo Digitalis«-Webseite und den Facebook-Messenger mit einem Chatbot interagieren, der sich spielerisch mit dem User unterhalten und individuelles Feedback über dessen Zukunft geben soll, gemäß dem Motto: »Wo sind die Grenzen? Was willst du?«
Der Chatbot fragt dann nach Alter, Wohnort, Alltagsgewohnheiten, und auch danach, wie lange und zu welchem Zweck man so – der eigenen Einschätzung nach – täglich sein Smartphone benutzt. Tut man das sehr regelmäßig und vielleicht sogar mehrere Stunden am Tag, rutscht man möglicherweise in die Kategorie »Smartphone Smoocher Boy or Girl«, die einen als so genannten Nomophoben identifiziert. Jemanden, der Angst davor hat, ohne Handy zu sein.
Lässt man sich auf das Spiel ein, kann das Spaß machen und gleichzeitig zum Nachdenken anregen. Und das könnte man schon als einen Erfolg des Webformats »Homo Digitalis« sehen.