Bayreuther Festspiele: Alles ganz speziell
Einmal im Jahr findet in Bayreuth das Hochamt der Wagner-Fans statt: Im 1873 speziell zu diesem Zweck errichteten Festpielhaus kann man dann eine jährlich wechselnde Auswahl aus den Hauptwerken Richard Wagners erleben. Seit 2008 ist TV Skyline zusammen mit TMT Broadcast für die TV-Übertragung und Aufzeichnung der Opern zuständig.
Ausgelagert: Kameraoperation
Weil im Saal selbst keine Kameraleute arbeiten können, wurden alle Kameras von Fernbedienpulten aus gesteuert. Von einem Nebenraum des Festspielhauses aus bedienten sieben Mitarbeiter die insgesamt zwölf Kameras. Die Bildtechnik im Ü8 überwachte die Signale und steuerte sie aus. Damit unter dieser Konstellation im Rahmen einer Opernaufführung mit starken Lichtwechseln und teilweise turbulenter Bühnenhandlung ein stimmiges Gesamtbild herauskam, war einiges an Vorarbeit und Proben nötig.
Der lichtsetzende Kameramann schaute sich daher die Haupt- und Generalproben aller Aufführungen an und definierte dafür die Lichtstimmungen der Fernsehbilder, machte sich Notizen und briefte die Kameraleute entsprechend.
Während die Aufführung lief, sagte er dann in der Bildtechnik jeweils vorher an, was als nächstes kam, damit sich die Bildtechniker auf die Wechsel vorbereiten konnten. Der lichtsetzende Kameramann führte sozusagen die Bildtechnik durch die Oper.
Die Regisseurin wiederum führte von der Bildregie im Ü-Wagen aus die Kameraleute durch die Oper und wurde dabei von einer Assistentin unterstützt, die in der Partitur mitlas und Ansagen zum jeweils kommenden Geschehen machte.
Für die Kameraoperatoren waren viele Besonderheiten zu beachten. So etwa auch, dass sich die Kameras selbst nicht zu viel bewegen sollten: Übermäßige Pan/Tilt-Bewegungen der Remote-Köpfe und Zoombewegungen der Objektive könnten sonst Zuschauer oder Musiker ablenken oder stören, deshalb musste auch die eigentliche Kameraarbeit möglichst unbemerkt vor sich gehen.
An den freien Tagen, wenn keine Live-Übertragungen oder Aufzeichnungen stattfanden, schauen sich die Mitarbeiter mit den Regisseuren nochmal das Material an, um eventuell einzelne Passagen anders aufzulösen oder kleine Verbesserungen realisieren zu können. Man muss also schon ein besonderes Interesse am Thema mitbringen, um in dieses Team zu passen.
Bayreuther Festspiele: Tonmischung
Katharina Wagner selbst saß bei den Produktionen im Ü-Wagen, denn der Ton hat für sie die höchste Priorität. »Es liegt wahrscheinlich bei keiner TV-Produktion mehr Augenmerk auf dem Ton, als bei den Opernproduktionen in Bayreuth«, resümiert Robert Kis. Als Tonmeister waren Peter Hecker und Peter Rafailov hierfür verantwortlich.
Als Team haben Hecker und Rafailov das Tonkonzept für die TV-Übertragung aus Bayreuth entwickelt und über die Jahre immer weiter verfeinert.
Peter Hecker sitzt während der Produktionen am Pult und realisiert die Mischung, Rafailov macht die Ansagen, liest also in der Partitur mit und sagt an, wann was auf der Bühne passiert. »Anders hätte man keine Chance, hier eine hochwertige Mischung zu realisieren: Die schnelle Handlung erlaubt es nicht, auch nur ganz minimal zu spät zu reagieren«, erklärt Peter Rafailov. Der Kollege am Pult kann sich so voll auf die Mischung konzentrieren und bleibt durch die Ansagen informiert und vorgewarnt, wann was passiert.
»Die wichtigste Tonherausforderung hier besteht darin, die Atmosphäre und die akustischen Besonderheiten des Festspielhauses in die Wohnzimmer der Zuschauer zu übertragen«, fasst Peter Hecker zusammen. »Das spezielle ist, dass sich das richtige Klangbild im Festpielhaus erst am Publikumsplatz einstellt, man dort aber keine Mikrofone aufstellen oder abhängen kann, weil sie stören würden.«
So galt es letztlich, bei weitestgehend unsichtbarer Mikrofonierung, durch spezielle Pulteinstellungen, Klangaufbereitung und Mischung, möglichst nah an den Höreindruck der Zuschauer im Festspielhaus heranzukommen. Zusätzlich waren hierfür neben dem Tonmeister-Team ein Ton-Ingenieur, ein Kommando-Ingenieur, ein Drahtlos-Ingenieur, eine Drahtlos-Assistenz sowie zwei Tontechniker vor Ort im Einsatz.
»Katharina Wagner ist bei allen Proben dabei und achtet sehr genau darauf, dass die Zuschauer zuhause ein möglichst ähnliches Klangbild zu hören bekommen, wie diejenigen im Saal. Das ist ihr sehr wichtig«, erklärt Peter Hecker.
Über die Zusammenarbeit der musikalischen Leitung mit den Tonmeistern sagt Peter Hecker: »Katharina Wagner spricht in sängerischen Parametern und gibt damit die entscheidende Hilfe, um den Klang der Sänger und des Orchesters in der Mischung maximal an den Originalklang im Festspielhaus anzunähern. Da passiert im Dialog während der Proben und der Produktion noch sehr vieles, um das Klangbild zu optimieren.«
»Die Herausforderung besteht also darin, mit versteckten Mikrofonen den Ton aufzunehmen und diese Quellen am Mischpult mithilfe der Audiotechnik so zu kombinieren und zusammenzusetzen, dass das Ergebnis so klingt, wie es im Festspielhaus natürlich entsteht«, führt Peter Rafailov aus.
Das entspricht dem gemeinsamen Wunsch von Christian Thielemann, dem Musikdirektor der Bayreuther Festspiele und Katharina Wagner, die beide möglichst viel des besonderen Klangs von Bayreuth auch im Fernsehton wiederfinden wollen.
Christian Thielemann steht in Bayreuth auch regelmäßig am Pult, ihm fehlt nur noch »Lohengrin«, dann hat er sozusagen den »Wagner Grand Slam« geschafft und alle in Bayreuth gegebenen Werke dirigiert.
Thielemann und manche andere Dirigenten haben es auch erlaubt, dass sie am Anfang der TV-Übertragungen gezeigt werden, wenn der Vorhang noch geschlossen und im Festspielhaus alles dunkel ist, aber schon Musik erklingt. Üblicherweise war der Orchestergraben sonst immer für alle Kameras Tabu.
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