Volle Fernsehdröhnung: 24h Bayern
Nach »24h Berlin« und »24h Jerusalem« packt die Berliner Produktionsfirma Zero One 24 mit »24h Bayern« ihr nächstes TV-Großprojekt an.
Bei diesem Projekt geht es darum, einen Tag im Leben der Bayern zu dokumentieren – von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr des darauf folgenden Tages.
Wenn »24h Bayern« Anfang Juni 2017 ausgestrahlt wird, dann sollen damit mehr als 80 persönliche Geschichten eines Tages und einer Nacht in Bayern erzählt werden. Projektregisseur Volker Heise wählte die Protagonisten repräsentativ für die Bevölkerung aus, er wollte die vielfältigen Mundarten abbilden, die Reibungspunkte zwischen Stadt und Land, Industrie und Natur sowie Fremdheit und Heimat realistisch zeigen.
Dreharbeiten im Juni 2016, Ausstrahlung im Juni 2017
Das Originalmaterial wurde im Juni 2016 gesammelt: Mehr als 100 Kamerateams porträtierten für 24 Stunden das Leben im Freistaat Bayern aus der Sicht seiner Bewohnerinnen und Bewohner. In einem Drehgebiet, das rund 70.000 Quadratkilometer umfasst.
»24h Bayern«, soll schließlich wie seine Vorgänger, unterschiedliche Ereignisse, Abläufe, Personen und Regionen begleiten. Das Leben in Bayern soll in zahlreichen Aspekten festgehalten werden, aus der Perspektive der Menschen in diesem Bundesland, um zu zeigen, wie sie leben, wie sie arbeiten, was sie bewegt.
Anfang Juni 2017 soll dann das Ergebnis aus neun Monaten Vorbereitungszeit und zwei Drehtagen im TV-Programm des Bayerischen Rundfunks in Echtzeit ausgestrahlt werden. Für dieses Großprojekt, in das auch der BR Hörfunk und BR24 eingebunden sind, wirkten neben dem leitenden Projektregisseur Volker Heise auch bekannte Regisseurinnen und Regisseure wie Doris Dörrie, Andres Veiel und Marcus H. Rosenmüller mit. Sie waren 24 Stunden lang in Bayern unterwegs und filmten Menschen, Stadtansichten und das alltägliche Leben – in den ländlichen Gemeinden, von Franken über die Oberpfalz, Niederbayern, Schwaben und Oberbayern bis zur Großstadt München.
Direkt vom Erfinder
Erfinder des »24h«-Formats sind Regisseur Volker Heise und Produzent Thomas Kufus von Zero One Film. Zusammen mit dem BR und Arte realisierten sie bereits »24h Jerusalem« und davor auch »24h Berlin«. Das Porträt über Bayern setzen sie nun mit dem Bayerischen Rundfunk und der Münchner Produktionsfirma Megaherz von Franz X. Gernstl und Fidelis Mager um.
Stellt sich beim dritten Projekt dieser Art schon so etwas wie Routine ein? Mitnichten, lässt Volker Heise wissen, denn er weiß zwar den Wert der Erfahrung zu schätzen, sieht aber weniger die Parallelen, als die Unterschiede von »24h Bayern« zu den früheren »24h«-Projekten.
So berichtet er, dass er sich in der Anfangsphase sehr genau überlegt habe, ob er so ein Projekt erneut stemmen wolle: »Denn wir sprechen hier nicht über ein Stadt, sondern über ein ganzes Bundesland«, was aus logistischer Sicht natürlich deutlich aufwändiger umzusetzen sei. Ohne den Erfahrungsschatz von »24h Berlin« und »24h Jerusalem« hätte er sich wohl gar nicht an das Projekt gewagt, resümiert Heise.
Intensive Vorbereitung
Um ein Projekt dieser Größenordnung überhaupt stemmen zu können, brauchte es umfangreiche Vorbereitung. Ein wichtiger Aspekt war dabei die sorgfältige Auswahl der Protagonisten. »Die Kriterien der Suche haben sich entweder an statistischen Fakten orientiert oder an gesellschaftlichen Problemlagen oder an kulturellen Ereignissen. Ziel war es, ein repräsentatives Bild zu schaffen. Weil das Land groß ist und viele Menschen darin leben, war von Anfang an klar, dass wir Mut zur Lücke haben mussten«, erläutert Volker Heise.
Im Unterschied zu »24h Berlin« oder »24h Jerusalem« musste das Team auch mit ganz anderen Entfernungen und Räumen umgehen sowie deren Besonderheiten herausarbeiten. Volker Heise erklärt: »Es gibt nicht nur die Stadt als urbanen Ort, sondern auch das Land mit seiner eigenen Kultur und Geschwindigkeit — und das Bundesland Bayern ist groß und vielfältig. Am Ende wird es also viel mehr als in Jerusalem und in Berlin darauf ankommen, die Landschaften und die Entfernungen und die Mundarten und Reibungspunkte wie Stadt/Land, Industrie/Natur, Fremd/Zuhause zu erzählen. Und Bayern ist natürlich eine besondere Herausforderung, weil es so viele Bilder und Klischees von Bayern gibt — und es sehr interessant sein wird, sie zu überprüfen.«
Unterschiedliche Teamschwerpunkte
Das beeinflusst auch die filmische Umsetzung des Projekts, denn der Zuschauer muss ja immer wieder auf neue Orte, Landschaften und Umfelder eingestellt werden.
So waren von den 100 Teams allein 20 nur für Landschaftsaufnahmen da. »Der Rest drehte mit Protagonisten«, erläutert Heise und ergänzt: »Mindestens 80 Teams, 80 Protagonisten und 80 Themen braucht man, um den Sendetag adäquat abdecken zu können mit Geschichten — und um der Vielfalt des Landes gerecht zu werden.«
Mit Megaherz hat Zero One einen potenten Partner an der Seite, der ebenfalls über viel Erfahrung bei Dokus und Reportagen verfügt. Deren Geschäftsführer Franz X. Gernstl ist für seine Reportagereihe »Gernstl unterwegs« zusammen mit seinem Kameramann Hans Peter Fischer und dem Tonmann Stefan Ravasz häufig in Bayern auf Achse, um Menschen und ihre Geschichten zur porträtieren. Er gilt als absoluter Bayernkenner, meint aber: »Als Außenstehender hat man manchmal einen klareren Blick darauf, was ungewöhnlich ist.«
So könnte es sein, dass gerade durch den Austausch der beiden erfahrenen Produktionsfirmen, das Projekt insgesamt profitieren kann.
100 Kameras auf einen Punkt
Ohne einen durchgängigen und reibungslosen Workflow – vom Dreh bis in die Postproduktion – sowie perfekt aufeinander abgestimmte Technik, wäre ein ambitioniertes Projekt dieser Größenordnung nicht zu bewältigen.
Für die Woche um den Hauptdrehtag am 3. Juni 2016 mussten rund 100 Kameras eines Herstellers auf den Punkt bereit stehen. Diese sollten sich einerseits technisch so einstellen lassen, dass sich später ein harmonischer »Look and Feel« für den Fernsehzuschauer ergibt. Auf der anderen Seite musste das Kamerasortiment des Herstellers von der Bauweise und den technischen Möglichkeiten her auch so vielfältig sein, dass für jede Drehsituation – ob Protagonisten in beengten Räumlichkeiten, Autofahrten oder weite Landschaftsszenen – die passende Kamera zur Verfügung stehen konnte.
Bewährte Partner
Wie schon zuvor bei »24h Berlin« und »24h Jerusalem« unterstützten Sony und der Hamburger Händler BPM Broadcast & Professional Media das ambitionierte Projekt. Mehr als eine Tonne Equipment wurden in der Produktionszentrale und Technikschleuse versammelt, einer großen Studiohalle auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks in München-Unterföhring. Dort holten über einen Tag verteilt, die über 100 Drehteams insgesamt 107 XDCAM-Camcorder von Sony ab: 22 PDW-700, 45 PXW-FS7, 30 PXW-Z150, fünf PXW-FS5 und fünf PMW-F5 waren im Einsatz.
Die Teams zeichneten das Material auf SxS-Karten, SDXC, XQD und Professional Disc mit 128 und 64 GB Speicherkapazität auf.
Ein großer Anteil an Kameras wurden inklusive des entsprechenden Zubehörs zuvor von BPM technisch überprüft, katalogisiert und einzeln pro Kamerateam drehfertig konfektioniert. Weitere zwölf PDW-700 wurden vom BR gestellt.
»Bei mehr als 100 Drehteams gibt es sehr unterschiedliche Erfahrungs- und Kenntnisstände in Hinblick auf die Sony-Kameras. Mit der Auswahl der Kameras konnten wir jedem Team das Modell zuteilen, mit dem es am besten zurechtkam«, sagt Julian Steinemann, der zuständige Technische Koordinator für die Technik und das Kopieren des gedrehten Materials.
Aus der Sicht von Thomas Kufus, Geschäftsführer und Produzent von Zero One 24, war es ein großes Plus, mit Sony wieder den Wunschpartner als Hauptlieferanten für die technische Ausstattung der Produktion gewonnen zu haben: »Kaum ein anderer Hersteller ist in der Lage, in so kurzer Zeit so viel professionelles Equipment auf den Punkt für unsere Produktion bereitzustellen und eine so solide Finanzierung auf die Beine zu stellen«, urteilt Kufus.
Autonomes Arbeiten der Drehteams, aber mit Presets
80 Kamerateams waren jeweils einem Protagonisten zugeteilt. Die Teams bestanden in der Regel aus Regie, Kamera, Ton und Set- Aufnahmeleitung.
Etwa 20 weitere Teams fingen mit der Sony PXW-FS7 Impressionen der bayerischen Landschaften ein.
Die Drehteams arbeiteten komplett selbständig, allerdings gab es eine Art grundlegendes Regelwerk: Alle Kameras wurden mit denselben Presets voreingestellt. Gedreht wurde bei den Protagonisten durchweg im Format 1080i50 XDCAM 422, Impressionsteams filmten mit 1080i50 XAVC-L 50 MBit in SLog3/Gamut3.Cine. Außer Pol-, UV- und ND-Filtern durften keine anderen Filter eingesetzt und keine bildverändernden Einstellungen vorgenommen werden.
Um neben dem durchgängigen Look auch einen einheitlichen Erzählstil zu kreieren, mussten die Kamerateams die Geschichten der Protagonisten ohne Stativ und nur mit vorhandenem Licht einfangen. Lediglich die Impressionen-Teams durften auch mit Stativ drehen.
»Eine enorme Hilfe beim Download der Daten waren unter anderem auch die fünf Sony-Cardreader MRW-E90 XQD/SDXC, die Sony freundlicherweise bereits vor dem Roll-Out zur Verfügung stellte. Die haben den Vorzug mit circa 350 MB/s XQD-Karten zu lesen. Der komplette Download war etwa eine Stunde nach der Rückkehr des letzten Teams fertig gestellt«, so Julian Steinemann weiter.
Aufbereitung und Postproduktion
Nach dem Drehtag Anfang Juni 2016 haben die Macher nun rund ein Jahr Zeit bis zum geplanten Ausstrahlungstermin, um das umfangreiche Material zu sichten und aufzubereiten.
Sonja Scheider ist beim BR verantwortlich für die redaktionelle Begleitung des trimedialen Projekts. Sie berichtet: »Wie bereits bei „24h Jerusalem“ räumt der BR 24 Stunden Programmfläche frei und strahlt die Dokumentation einen Tag und eine Nacht lang am Stück, ohne Unterbrechung aus – das ist eine höchst unkonventionelle und mutige Entscheidung und nur möglich, wenn ein Sender nicht von kommerziellen Interessen abhängig ist.«
Der BR sieht in »24h Bayern« letztlich auch ein Zeitdokument des Freistaats: »Auf die Idee, keine Stadt, sondern mit Bayern ein ganzes Land zu porträtieren, kam schließlich Intendant Ulrich Wilhelm. Denn dieses einzigartige Format gibt uns die Zeit und den Raum, den es braucht, um allen Aspekten und Facetten einer Gesellschaft und Kultur gerecht zu werden«, erläutert Sonja Schneider.
Bis zum Sendetermin im kommenden Jahr werden allerdings zunächst noch viele Stunden Arbeit in das Projekt einfließen, um »Alltag in Bayern« herauszuarbeiten. Und wenn es dann soweit ist, kann man seine eigene Blase für einen Tag lang verlassen und über die Doku in andere Blasen eintauchen.