Dokfest München 2016: Vorschau und Empfehlungen
Am Donnerstag den 5. Mai 2016 beginnt das 31. Internationale Dokumentarfilmfestival München mit einem Programm aus 151 Filmen aus 46 Ländern. Der Doku-Kameramann Hans Albrecht Lusznat hat einen Teil der Filme schon gesehen und gibt hier seine ganz persönlichen Tipps und Bewertungen mit einer Abstufung von null bis zu fünf Sternen ab.
Haunted
Menschen im Krieg. Man begegnet ihnen in ihren Wohnungen, wo sie auf den gepackten Koffern sitzen und über ihr Schicksal reden. Teilweise hört man die Einschläge von Granaten und Geschossen. Es ist der Blick der Betroffenen, die über die nächsten Schritte reden, wie sie sich selbst und etwas von ihrer Habe in Sicherheit bringen können. Da gibt es den Mann, der alles in Kisten verpackt und gut beschriftet hat und hofft, dass nicht alles von anderen zerstört wird, wenn er geht. Ein Ehepaar sitzt im Schutzraum eines Gebäudes und redet über Skype von den immer näher kommenden Granateinschlägen. Ein Mann erzählt von der Fluchtgeschichte seiner Eltern, die von Jaffa nach Jerusalem, von Jerusalem nach Amman, von Amman nach Beirut, von Beirut nach Damaskus, von Damaskus nach Kuweit, von Kuweit nach Damaskus und von Damaskus nach Beirut gezogen sind. Es gibt Menschen, die in einem Gefängnis Unterschlupf gefunden haben und andere, die ihre Zelte in einer archäologischen Grabungsstätte aufbauten. Zwischen all diesen Innenansichten eines zivilen Lebens sieht man die verwüsteten Stätte, die den Trümmerlandschaften nach dem zweiten Weltkrieg gleichen.
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Girls don‘t fly
Lydia hat einen verkrüppelten Arm. Trotzdem will sie Pilotin werden und träumt vom Fliegen. Der Engländer Jonathan Porter betreibt den privaten Kpong Flughafen in Gana und hat eine Mission. Er will nicht nur Piloten ausbilden sondern auch Flugzeuge bauen, und weil seine schwarze Frau Paricia die Fluglizenz erwerben konnte, folgt eine Gruppe von zehn Mädchen in eine erste Klasse von Flugschülerinnen. Die Ausbildung soll vier Jahre dauern und beginnt mit militärischem Drill. Jonathan hat die Namen der Mädchen durch Nummern ersetzt und ist der Boss. Ester ist Nummer 25 und die erste, die an diesen kolonialistischen Methoden zweifelt und den Versprechungen von der Piloten-Lizenz misstraut. Die Filmemacher beobachten den Lernprozess bei den Mädchen über eine längere Zeit.
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Cafe Nagler
Das Cafe Nagler war in den 20er Jahren eines der berühmtesten Cafes in Berlin: so vermittelt die in Rente gegangene Fernsehproduzentin Naomi Kaplansky ihrer Enkelin ein Stück Familiengeschichte. Dazu packt sie im fernen Israel die Goldrandteller und Tassen aus, die mit der Häuserfront und dem Schriftzug von Cafe Nagler verziert sind. Von 1908 bis 1925 hat das Nagler am Berliner Moritzplatz gestanden, bis die Großeltern von Naomi nach Palästina auswanderten. Jetzt macht sich die Ur-Ur-Enkelin auf nach Berlin, um einen Film über das Cafe zu drehen. Und weil Erinnerung und Mythos nicht deckungsgleich mit den Realitäten sind, werden die Realitäten passend gemacht. Ein humorvolles Lehrstück über Erinnerung und Zeitzeugen.
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Zen for nothing
Die Schweizerin Sabine Timoteo reist in das Kloster Antaiji an der Nordküste Japans, um hier als Pilger die nächste Zeit ihres Lebens zu verbringen. Die Kamera beobachtet sie und die Gemeinschaft bei ihrer alltäglichen Arbeit und den Meditationen. Der achte Abt des Klosters, Muho Nölke, ist gebürtig Berliner und beschreibt seinen Werdegang zum Zen Meister ironisch: Wer den Absprung nicht schafft, der wird eben Meister. Über die Jahreszeiten hinweg wird das Klosterleben in langen statischen Kameraeinstellungen beobachtet, bis Sabine eines Tages wieder abfährt.
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Helmut Berger – Actor
Helmut Berger ist eine lebende Legende und begegnet dem Filmemacher mit extremen Gefühlen: von Liebe bis Hass ist alles dabei. Meist sitzt er in seiner Wohnung oder in Hotelzimmer, und die Dialoge drehen sich um die beiden Egos, die da aufeinander prallen. Diese Szenen hat der Macher geschickt in ein Portrait der Putzfrau gewoben, die kommt, um Bergers Salzburger Apartment aufzuräumen, und dabei über ihn und seine Besonderheiten spricht. Dazwischen gibt es immer wieder Bergers Hilferufe auf dem Anrufbeantworter, in denen er neue Projekte vorschlägt oder den Filmer beschuldigt, ihn auszubeuten.
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Dügün – Hochzeit auf Türkisch
In Duisburg Marxloh, gleich hinter dem gigantischen Industriekomplex am Rhein, liegt in der Weslerstraße eine Hochzeitsmeile mit unzähligen Geschäften für Brautmode und für alles andere, was zu einer türkischen Hochzeit dazu gehört. Es sind ehemalige Industriearbeiter, die damit Fuß gefasst haben und diese traditionellen Feste ausrichten. Zwei Paare mit ihren Hochzeitsvorbereitungen führen durch den Film und machen uns mit den verschiedenen Menschen bekannt, die beruflich als Saalvermieter, Gastronom oder Schneider ihr Auskommen gefunden haben.
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