Der Klassiker: Wie entwickelt sich das ZDF technisch weiter?
Das ZDF war 2014 im dritten Jahr in Folge Marktführer unter den deutschen TV-Sendern – mit durchschnittlich 13,3% Marktanteil. Doch wie rüstet sich der klassische, öffentlich-rechtliche TV-Sender für die technischen Herausforderungen der Zukunft? film-tv-video.de hat mit Produktionsdirektor Dr. Andreas Bereczky und Tobias Schwahn, Leiter des Teams Strategische Planung und Innovation, darüber gesprochen.
Wie wird sich das ZDF im technischen Bereich in den nächsten fünf bis zehn Jahren ausrichten? Welche Meilensteile sollen erreicht werden?
Dr. Bereczky: Es ist sehr schwer, heutzutage über einen so langen Zeitraum verlässliche Aussagen zu treffen. Hätten wir beispielsweise vor zehn Jahren geglaubt, dass es so etwas wie Facebook geben wird? Dass Twitter die Nachrichtenproduktion maßgeblich beeinflussen wird? Dass unsere Journalisten bei der Beobachtung der sozialen Medien manchmal nicht mehr wissen können, was wahr und was unwahr ist? Dass die Masse im Internet einzelne Personen beschimpft und an den Pranger stellt, bevor überhaupt alle Fakten auf dem Tisch liegen?
Solche Entwicklungen sind letztlich nicht voraussehbar, aber sie beeinflussen unser Geschäft natürlich maßgeblich.
Für die Nachrichtenproduktion bedeutet das etwa, dass wir die richtigen Lösungen bieten müssen, um es unseren Journalisten zu ermöglichen, einerseits schnell zu sein, aber die Quellen der Informationen auch absichern zu können.
Das geht natürlich dann am besten, wenn wir eigene Leute vor Ort haben und diese über mobile Netze sehr schnell verlässliche Informationen in unsere Infrastruktur einspeisen können. Aus technischer Sicht müssen wir es also ermöglichen, direkt über Smartphones Videos übertragen und in unsere file-basierte Infrastruktur einspielen zu können.
Dafür benötigen wir vor Ort eine hohe Flexibilität und eine schnelle file-basierte Infrastruktur. Daran arbeiten wir seit Jahren, und ich glaube, dass wir da auch relativ weit sind – wobei wir auch immer wieder mit neuen Anforderungen wie etwa dem Wechsel von SD zu HD konfrontiert werden: Dabei wachsen die Datenraten, die Speicheranforderungen, die nötigen Bandbreiten, und darauf müssen wir immer wieder reagieren, was natürlich Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des Wandels und Umbaus hat.
Lässt sich die Technik unter diesen Aspekten evolutionär anpassen, indem man bestehende Ressourcen ausbaut, oder muss man an manchen Stellen ganz neue Prozesse und Techniken installieren?
Schwahn: Seit Jahren arbeiten wir mit verschiedene File-Transfersystemen und unterschiedlichen Wegen, um Material in unsere Senderstrukturen einspielen zu können. Teilweise sind diese unabhängig voneinander gewachsen, weil sie etwa für jeweils unterschiedliche Anwendungen entwickelt wurden. Jetzt gilt es, diese Lösungen zu konsolidieren und weiterzuentwickeln.
Dabei arbeiten wir zweigleisig: Auf der einen Seite haben wir ein Projekt gestartet, mit dem wir ermitteln, welche Anforderungen die Journalisten aktuell haben, wie sie derzeit bestimmte Aufgabenstellungen lösen und welche weiteren Anforderungen entstehen. So können wir besser definieren, wo wir eigentlich hin wollen.
Auf der anderen Seite müssen wir aber auch kurzfristig auf Anforderungen reagieren und bestehende Systeme so anpassen, dass diese weiter genutzt werden können, denn in bestimmten Fragen benötigen die Journalisten eben hier und jetzt eine Lösung. Und natürlich werden die technischen Innovationszyklen seit einigen Jahren immer kürzer.
Dr. Bereczky: Um Ihre Frage auch aus einem anderen Aspekt ganz konkret zu beantworten: Ja, wir können neue Lösungen nur evolutionär einführen, denn wir sind kein neuer Sender auf der grünen Wiese – und diese Vorgehensweise erfordert auch Zeit.
Ein Beispiel dafür: Wir werden im Laufe dieses Jahres überhaupt erst die komplette HD-Einführung abschließen – obwohl wir schon 2009 die ersten HD-Testprojekte umgesetzt haben. Wir hatten beim ZDF etwa fünf Jahre für den Wechsel zu HD prognostiziert und angesetzt – und als letzte große Instanz werden wir im Laufe dieses Jahres die Nachrichtenschiene auf HD umstellen. Dann haben wir von der Aufzeichnung, über die Netzwerkinfrastruktur, bis hin zu den Speichern und Servern, alle Bereiche des Senders auf HD umgestellt.
Wie bewältigt ein großer Sender wie das ZDF die wachsenden Mengen an Material, die heutzutage mit den unterschiedlichsten Geräten aufgezeichnet und auf den unterschiedlichsten Wegen eingespielt werden?
Dr. Bereczky: Natürlich haben wir heute mehr Material zur Verfügung, als das früher der Fall war, aber das gibt uns auch die Möglichkeit, das beste auszusuchen – was natürlich eine journalistische Aufgabe ist.
Hier in Deutschland verfügen alle ZDF-Studios über eine Breitbandanbindung an die Zentrale in Mainz. Wir nutzen angemietete Netze als Managed Services, mit Kapazitäten bis zu 10 GBit/s, über die wir permanent Material einspielen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist natürlich das Fremdmaterial, das wir ja ebenfalls verwenden, bei dem man aber immer klären muss, ob der Inhalt des Materials der Realität entspricht und ob die jeweilige Quelle gesichert ist.
Auch auf der Ausspielseite gilt es, mehr Distributionskanäle zu bedienen. Welche Anforderung bringt hier das Web mit sich?
Schwahn: Im Web distribuieren wir natürlich schon Inhalte, die wir im linearen Programm aus Mangel an passenden Sendeplätzen nicht verbreiten können.
Dr. Bereczky: Letztlich ist das Internet aber für uns schon lange kein neuer Ausspielweg mehr. Wir hatten schon Ende der 90er-Jahre eine Kooperation mit T-Online und verwiesen am Ende der Heute-Nachrichten schon damals auf zusätzliche Informationen, die wir im Internet bereitstellten.
Auch die Mediathek betreiben wir seit nunmehr acht Jahren. Wir werden aber die Technik dahinter auf eine neue Basis stellen und in der zweiten Jahreshälfte mit neuem Design und neuer Technik antreten – um auch den technologischen Wandel der vergangenen Jahre abzubilden.
Im Internet gibt es ja mittlerweile auch etliche Anbieter, die durchaus mit dem ZDF in Konkurrenz treten: Netflix, Amazon oder Youtube sind nur einige davon. Wie geht das ZDF mit dieser neuen Konkurrenz um?
Dr. Bereczky: Das ZDF ist nun im dritten Jahr in Folge Marktführer im TV-Bereich und wir sind im Hauptprogramm, aber auch bei den Digitalkanälen stärker und besser geworden als unsere Wettbewerber. Zudem sind wir auch im Internet größer geworden, dort wachsen wir kontinuierlich um 30 bis 40% pro Jahr. Wir erreichen in der Spitze etwa eine Million parallele Streams, wobei Fußballübertragungen diesen Bereich natürlich anführen.
Das zeigt uns, dass sich das Internet als ergänzender Dienst prächtig für uns entwickelt und dass wir im Hauptprogramm keine nennenswerten Einbußen verzeichnen. Bei den Digitalprogrammen konnten wir sogar eine Verdoppelung der Marktanteile in den vergangenen fünf Jahren erreichen. Wenn man das Internet richtig einbindet, ist das für einen Broadcaster eine Bereicherung.
Die Veränderungen, die sich hier abspielen, haben ja auch Rückwirkungen auf die Technik: Je mehr Inhalte die Zuschauer übers Internet abrufen, desto mehr Technik ist nötig, um die Inhalte bereitzuhalten und die Streams bereitzustellen. Wie lösen Sie diese Anforderungen?
Dr. Bereczky: Das grundsätzliche Thema ist für uns nicht neu, denn alles, war wir senden, müssen wir auch archivieren – und das sind sehr viele Inhalte. Sicher, mit der zunehmenden Internet-Präsenz wachsen die Inhalte noch mehr an, doch was seitens der Distribution passiert, realisiert das ZDF ja ohnehin nicht selbst: Wir haben noch nie ein Kabelnetz oder eine Satellitendistribution betrieben.
Ganz ähnlich betrachten wir auch die Distribution im Internet: Hier übergeben wir unsere Signale einfach an jene Unternehmen, die eine entsprechende Ausschreibung gewinnen. Bisher hatten wir immer das Glück, dass die Preise für die Distribution etwa alle zwei Jahre in dem Maß gesunken sind, wie die Nutzerzahlen gewachsen sind.
Die Frage ist natürlich, was geschieht, wenn nicht eine Million Zuschauer die Streams abrufen, sondern 18 Millionen. Wie sich das entwickelt, kann man aber letztlich nicht prognostizieren – und man muss auch beobachten, wie sich die Breitbandnetze entwickeln, denn Deutschland steht in diesem Bereich leider nicht an der Spitze der Bewegung.
Abgesehen von der technischen Seite: Glauben Sie, dass das ZDF auch die Youtube-Generation an sich binden kann?
Dr. Bereczky: Sie können natürlich im Internet viele Inhalte sehen, die sie bei uns nicht sehen können. Aber das gilt auch umgekehrt: Es gibt auch bei uns viel zu sehen, was man bei Youtube nicht findet. Außerdem werden über Youtube üblicherweise kürzere, zwei bis dreiminütige Clips abgerufen – und weniger lange Beiträge.
Aber es ist natürlich richtig, dass Youtube bei Jugendlichen eine große Rolle spielt, das ist uns auch bewusst. Deshalb diskutieren ARD und ZDF darüber, ein Jugendportal zu schaffen, das nur im Internet verfügbar ist und über das wir versuchen wollen, die Jugendlichen an die Marken ARD und ZDF zu binden.
Jugendliche werden aber auch älter, und ihr Verhalten ändert sich. Also lautet die Frage vielleicht auch, wie wir sie im Lauf ihrer Entwicklung einfangen können.
Die Broadcast-Welt diskutiert aktuell neue, IP-basierte Produktionsstrukturen. Welche IP-Strategie verfolgt das ZDF? Wie lange werden SDI-basierte Produktionstechnologien beim ZDF noch eine Rolle spielen?
Schwahn: Das ist ein sehr wichtiges Thema und wir sind auch schon mit diversen Firmen im Gespräch. Aktuell denken wir darüber nach, ob es bereits Sinn ergibt, entsprechende Pilotversuche durchzuführen. Bei diesen ersten Tests könnte man prüfen, wie sich Kamerasignale per IP verschicken lassen, welche Latenzen dabei auftreten und ob es andere Effekte gibt, die man berücksichtigen muss.
Aktuell tummeln sich im Bereich IP-basierter Produktionsstrukturen allerdings sehr viele unterschiedliche Hersteller mit zum Teil unterschiedlichen Technologien. Zum einen reden wir natürlich mit den klassischen Netzwerk-Equipment-Herstellern, wobei ja aktuell mit AVB und SMPTE 2022 unterschiedliche Standards in der Diskussion sind. Auf der anderen Seite sprechen wir auch mit den klassischen Broadcast-Herstellern, die in ihre Produkte nun eben auch IT-Interfaces integrieren, etwa bei Kameras oder Monitoren.
Derzeit stellen die Hersteller aber teilweise noch proprietäre Interfaces und Protokolle vor und hoffen natürlich, dass sich jeweils ihre eigenen durchsetzen. Aber am Ende wird man sich auf Standards verständigen müssen – anders kann es gar nicht funktionieren.
Wann die überwiegend IP-basierte Signalübertragung in der Broadcast-Welt Realität ist, wird sich noch zeigen müssen – aber dass es in diese Richtung geht, steht für uns außer Zweifel. Das wird auch bedeuten, dass wir im Produktionsumfeld noch mehr Standard-IT-Produkte haben werden – und zwar noch viel mehr, als dies jetzt schon der Fall ist.
Im Live-Bereich gibt es ebenfalls starke technische Veränderungen: Inwieweit ist etwa Remote Production beim ZDF schon Realität?
Dr. Bereczky: Wir haben bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien schon eine sehr erfolgreiche Remote Production umgesetzt: Dort war die Regie 30 km von der Moderatoren-Plattform entfernt untergebracht. Das hat hervorragend funktioniert. Wir mussten das so machen, weil wir in der Wohnung, auf deren Dachterrasse die Moderatoren arbeiteten, schlichtweg keine Regie einbauen konnten. Glücklicherweise konnten wir auf eine sichere Stromversorgung vor Ort zugreifen, denn es waren auch andere Sender in der Nähe tätig. Dadurch hatten wir auch die nötige Sendesicherheit.
Remote Production ist für uns also durchaus ein Thema und wir werden auch im Laufe der Zeit versuchen, hier in Deutschland Produktionen zu realisieren, bei denen wir nicht mit der gesamten Ü-Wagen-Struktur ausrücken müssen. Die Kollegen arbeiten aktuell an Konzepten und Lösungen.
Welche Rolle spielt für das ZDF im Produktionsbereich das Thema Cloud und vor allem auch die Sicherheit in der Cloud?
Dr. Bereczky: Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen: Was ist überhaupt die Cloud? Ich bin nun schon einige Jahre im IT-Umfeld unterwegs und früher sprachen wir in der IBM-Welt von zentralen Großrechnern, die über vergleichsweise dumme Terminals bedient wurden. Heute haben wir im Internet letztlich auch nichts anderes: Wenn Sie ein Tablet in die Hand nehmen, haben Sie das dumme Terminal von 1975 in etwas ansprechenderer Form und über das Internet sind sie mit dem Pendant zum IBM-Mainframe von damals verbunden.
Natürlich sprechen wir hier von anderen Dimensionen, aber letztlich haben wir unsere schöne Welt der verteilten Server-Infrastrukturen wieder zurückentwickelt zu einer Welt von zentralen Servern und dummen Terminals.
Doch kommen wir zurück auf die Cloud: Man muss unterscheiden zwischen der »Private Cloud« und der öffentlichen Cloud. Die »Private Cloud« ist letzlich das Unternehmensnetzwerk – nur eben mit anderem Namen. Die öffentliche Cloud hingegen ist jene, die wir auch als private Anwender kennen, wenn wir etwa Musik, Bilder oder Videos in der Cloud speichern. Damit habe ich persönlich kein Problem, aber als Unternehmen muss ich mir natürlich schon Gedanken darüber machen, wie ich den Austausch von privater und öffentlicher Cloud hinbekomme.
Man kann sich als Unternehmen natürlich auch die Frage stellen, ob man sich sogar weitgehend in der öffentlichen Cloud aufhalten kann und will, sodass die Unternehmens-Cloud gar nicht mehr notwendig ist. Aber bis wir soweit sind, müssen noch viele Fragen beantwortet werden, die vor allem mit Verfügbarkeit und Verschlüsselung zu tun haben.
Zusammengefasst können wir sagen: Wir haben eine gut funktionierende Unternehmens-Cloud, und bei der öffentlichen Cloud beobachten wir, welche Teile wir nutzen können, um unsere eigene Infrastruktur zu entlasten.
Spielt 4K aus Ihrer Sicht aktuell eine große Rolle?
Dr. Bereczky: 4K spielt immer eine große Rolle, aber die Frage ist: Für wen?
Als Broadcaster bin ich da völlig entspannt. Draußen sind etwa 60% der Schirme Full-HD-fähig, aber wir senden immer noch in 720p und noch nicht in Full HD. In einem ersten Schritt wäre es daher sinnvoll, zunächst einmal mit anderen Broadcastern auf die Ausstrahlung in Full HD zu setzen.
Bei 4K gibt es aktuell noch keine standardisierte Produktionskette, da werden noch zwei, drei Jahre vergehen, bis wir soweit sind. Wir haben auch noch nicht die Bandbreiten, um 4K übertragen zu können. Deshalb glaube ich, dass 4K für Consumer zuerst über das Internet kommen wird – etwa über Video-on-Demand-Services oder auch über Mediatheken.
Das ZDF wird aber wie bei allen wichtigen Technologien noch früh genug ein Pilotprojekt realisieren. Das haben wir auch bei Stereo-3D so gemacht, wobei wir damals nicht davon überzeugt waren, dass das zum Erfolg führen wird – und es wurde auch kein Erfolg.
Aber lassen Sie mich noch eine Gegenfrage stellen: Wenn wir aktuell in 4K produzieren und das Material auch in 4K senden würden, wer könnte das denn überhaupt ansehen?
Der 4K-Bildschirm alleine ist noch nichts wert, wir brauchen die Dekoder. Wenn wir nicht mindestens ein paar Hundertausend Zuschauer haben, die in der Lage sind, 4K zu empfangen, brauchen wir mit dem Senden gar nicht erst anzufangen.
Natürlich kennen wir die Diskussion, dass ohne Angebote auch die Technik nicht angeschafft wird. Aber letztlich müssen wir Kosten und Nutzen in eine vernünftige Relation setzen. Vielleicht bringt die Einführung von DVB-T2, die für 2017 vorgesehen ist, hier wichtige Impulse und Möglichkeiten – und bis dahin wird es sicher auch mehr Geräte am Markt geben, die 4K-Signale dekodieren können.
Welche technischen Projekte stehen beim ZDF aktuell im Vordergrund?
Dr. Bereczky: In den vergangenen Jahren lag bei uns der Schwerpunkt auf der Umstellung zu HD. Jetzt geht es darum, den administrativen IT-Bereich zu verbessern und eine stärkere Integration mit den Sekundärprozessen zu schaffen, was allerdings nicht broadcast-lastig ist. Außerdem arbeiten wir aktuell an der nächsten Generation der Mediathek, was ebenfalls ein großes Projekt ist.
Die aktuellen technischen Entwicklungen beeinflussen auch die Arbeitsbereiche der Mitarbeiter. In welchen Bereichen erwarten Sie die tiefgreifendsten Veränderungen?
Dr. Bereczky: Wir entwickeln unsere Mitarbeiter kontinuierlich weiter. Draußen im Feld arbeiten etwa zunehmend sogenannte Multis, die Kamera, Ton und Schnitt komplett selbst realisieren und das Material in unsere Cloud überspielen. Hier gibt es eine klare Veränderung der Berufsbilder. Auch bei den Journalisten ist das so. 2005 haben wir beispielsweise erstmals mit Videojournalisten gearbeitet, also mit Journalisten, die kleine Beiträge selbst produzieren.
Bei den Produktionsmultis und auch bei den Videojournalisten hat sich über die Jahre manches verändert. Solche Veränderungsprozesse sind immer noch im Gange, aber auch schon weit fortgeschritten. Natürlich brauchen wir heute stark IT-orientierte Mitarbeiter, aber die meisten wollen sich auch in dieser Richtung weiterentwickeln.
Sie sprechen den Stellenwert von IT-Know-how an. Ist das ein Thema, das zunehmend wichtiger wird, etwa auch, wenn es darum geht, die richtigen Schnittstellen für den Übergang von einem System oder einem Produkt zum anderen?
Schwahn: Die Vernetzung hat in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen, und es fand auch eine zunehmende Vermischung mit Geräten aus dem Consumer-Bereich statt.
Nehmen wir als Beispiel die ActionCams, die mittlerweile eine gute Qualität bieten und an vielen Stellen im Einsatz sind. In den Anfängen dieser Geräte wurde noch darüber diskutiert, ob man deren Einsatz für ZDF-Produktionen untersagen soll, aber das war natürlich nicht möglich und heutzutage sind sie letztlich nicht mehr wegzudenken.
Wir müssen mit all diesen unterschiedlichen Geräten und Formaten umgehen können. Das macht unsere Arbeit ein Stück weit komplexer, wobei wir viele Transcoding-Fragen lösen müssen.
Die Vernetzung all dieser unterschiedlichen Geräte wird letztlich aufwändiger. Ein Beispiel: Bis vor wenigen Jahren gab es an vielen Stellen die klassische Watchfolder-Integration, wo man teilweise auch Metadaten – kodiert in Dateinamen – übergeben hat. Das gibt es nach wie vor, aber wir bewegen uns hin zu einem wesentlichen höheren Integrationsgrad.
Bei dieser Integrationsarbeit müssen wir natürlich aufpassen, dass wir auch weiterhin Zugriff auf unsere Systeme haben und uns nicht zu sehr von einzelnen Dienstleistern oder Herstellern abhängig machen.
Es gibt aber durchaus Hersteller, von denen das ZDF bei realistischer Betrachtung schon jetzt abhängig ist – etwa auch von Avid. Was würde passieren, wenn es Avid nicht mehr gäbe?
Dr. Bereczky: Überall dort, wo man eine Software-Infrastruktur mit Lizenzen eines Software-Partners betreibt, gibt es eine große Abhängigkeit. Das gilt nicht nur für Avid, sondern auch für Oracle und SAP, von denen wir ebenfalls abhängig sind.
Aber um Ihre Frage zu beantworten, was passieren würde, wenn es Avid nicht mehr gäbe: Das ist nicht vorgesehen. Und ernsthaft: Irgendjemand würde die Firma kaufen, und wenn es nur für einen Dollar wäre. Aus meiner Erfahrung aus dem Software-Business weiß ich, dass es in solchen Fällen immer jemanden gibt, der den anderen Laden kauft. Es gibt sehr viele Hersteller, deren Namen verschwunden sind, deren Produkte aber weiterleben, weil sie von jemandem übernommen wurden.
In dieser Frage der Abhängigkeit von Produkten bin ich also sehr entspannt. Nicht entspannt bin ich hingegen, wenn es eine Abhängigkeit nicht vom Produkt, sondern von dessen Hersteller gibt. Aber dieses Problem können Sie nicht wirklich lösen: Man muss letztlich entscheiden, ob man eine einheitliche, integrierte Lösung installieren und betreiben möchte, bei der man von einem Anbieter abhängig ist – oder ob man sich bei zwei oder drei Herstellern bedient, eine geteilte Infrastruktur mit all ihren Nachteilen hat und dafür auf Herstellerseite einen gewissen Wettbewerb aufrecht erhält. Einen Tod muss man immer sterben – und wir haben uns eben für den ersten Weg entschieden.
Als großer Avid-Kunde ist das ZDF auch Gründungsmitglied der Avid Customer Association. Was sind die Gründe für dieses Engagement und welche Vorteile hat das ZDF dadurch? Gibt es schon konkrete Ergebnisse der Zusammenarbeit?
Dr. Bereczky: Das kann ich Ihnen sehr einfach beantworten: Wir wollen den direkten Zugang zum Management bei Avid, um gelegentlich klarmachen zu können, dass wir als größter Avid-Anwender in Europa bei wichtigen Entscheidungen berücksichtigt werden sollten. Außerdem ist für uns auch der Austausch mit anderen europäischen Topkunden sehr wertvoll.
Das sind die Gründe, weshalb wir Mitglied der Avid Customer Association sind – und ich habe die Ehre, zum Board of Directors zu gehören.
So kann man sich mit den anderen Topkunden austauschen, deren Situation und auch Probleme kennenlernen und davon insgesamt profitieren. Das ist für uns sehr wertvoll – und auch für Avid, denn der Hersteller erhält so ein sehr klares Feedback, was der Kunde wünscht. Also eine echte Win-Win-Situation.
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