Gib Gummi: Testdreh mit der Amira
Mit einem seriennahen Prototypen der Arri Amira drehte Tobias Körtge im März 2014 einen Spot zum Modelljubiläum der BMW M5 Limousine. Mit Unterstützung von Arri, Licht&Ton KLT und der BMW M GmbH wurde aus einem kleinen Testprojekt eine ziemlich aufwändige und eindrucksvolle Produktion. film-tv-video.de sprach mit dem Kameramann und Geschäftsführer von Eyes On Media über das Projekt.
Was eigentlich als kleiner Kameratest mit der Digitalkamera Amira von Arri geplant war, entwickelten der Produzent Philipp Schumacher und der Moderator Fero Andersen zusammen mit Tobias Körtge zu einem Autospot, der das 30jährige Modelljubiläum der BMW M5 Limousine feiert. Fero Andersen moderiert »Schau dich schlau« auf RTL II und steht durch seine Arbeit bei BMW TV in engem Kontakt zum Automobilhersteller BMW — und letzteres trifft auch auf Schumacher und Körtge zu. So ergab eins das andere und das jüngste Kind des traditionsreichen Münchener Kameraherstellers wurde in einem sehr praxisorientierten Test verwendet, um ein ziemlich sportliches Fahrzeug eines Münchener Autobauers in Szene zu setzen: Amira meets M5.
Basisinfos Amira
Die Amira ist das jüngste Kameramodell von Arri. Sie nutzt den gleichen Sensor wie die Kameramodelle der Alexa-Baureihe, ist aber im Unterschied zu den Alexas kompakter und eignet sich auch eher für Einsatzbereiche, in denen schnelles, sehr flexibles Arbeiten gefragt ist. Die Kamera kann HD- wie 2K-Bilder aufzeichnen. Den Dynamikumfang der Amira gibt Arri mit mehr als 14 Blenden an. Aufgezeichnet wird auf zwei CFast 2.0 Flash-Memory-Karten.
Die Amira bootet sehr schnell und lässt sich somit quasi direkt aus der Tasche einsetzen, ohne langen Setup — und sie kann auch von einem einzigen Nutzer bequem bedient werden, was sich besonders bei »Run-and-Gun«-Drehs auszahlt. Hier liegt aus der Sicht von Arri auch der grundlegende Unterschied der Amira zur Alexa: Während die Amira eher für ENG-artiges Arbeiten mit einem kleinen Team oder als Einzelkämpfer konzipiert ist, bringt die Alexa mehr Ausstattungsmerkmale für szenisches, kino-artiges Arbeiten mit und ist eher für das Arbeiten mit größeren Teams ausgelegt.
Integrierte, motorisierte ND-Filter sowie Zebra und False-Color-Tools unterstützen bei der Amira die Belichtungskontrolle, die Peaking-Funktion soll das Fokussieren erleichtern.
Die Audioeingänge sind so gestaltet, dass sie eine Einheit mit der Kamera bilden. Kein Kabel steht seitlich nach außen weg, die Audiofunktionen sind wie bei einer EB-Kamera erreichbar. Zusätzlich zu den beiden XLR-3-Pol-Eingängen gibt es auch einen 5-Pol-Eingang sowie die Möglichkeit, auch ein Bluetooth-Mikrofon zu nutzen. Unter anderem unterscheidet diese Audiofunktionalität die Amira von der Alexa.
Arri will die Amira ab dem zweiten Quartal 2014 zu Nettopreisen ab rund 26.000 Euro ausliefern. Dabei bietet Arri die Amira in drei Konfigurationen an, die sich in ihren Software-Sets unterscheiden. Zudem kann der Kunde den Objektiv-Mount, den Akku-Anschluss und die Basiskameraplatte für seine Kamera frei wählen. Gleichgültig, für welche Konfiguration man sich anfangs entscheidet: Später soll es möglich sein, über die Arri-Website zusätzliche Funktionen freizuschalten — wahlweise temporär oder permanent.
Das Amira-Einsteigermodell wird die Aufzeichnung in Rec 709 mit dem Codec ProRes 422 und bis zu 100 fps erlauben. Sie soll sich besonders für Kunden eignen, die im Corporate-, Online- oder TV-Markt arbeiten. Das nächsthöhere Modell ist aus Herstellersicht ein echter Allrounder und bietet unter anderem Log-C, ProRes 422 (HQ) bei 200 fps, In-Camera-Grading und eine Pre-Record-Funktion. Das Premium-Modell wird Funktionen für High-End-Produktionen bieten und soll sich auch als Ergänzung zur Alexa eignen. Es wird die Aufzeichnung in ProRes 4444 und 2K mit bis zu 200 fps, sowie umfassende Color-Control am Set und in der Post mit gängigen 3D-LUTs unterstützen.
Basisinfos BMW M5 Limousine
Seit einigen Jahren nutzt BMW in Werbung und Marketing den Claim »Freude am Fahren«. Das passt zum sportlichen Image der Marke, ohne aggressiv zu wirken. Wer aber mehr von seinem BMW will, als diese Art von Fahrfreude, für den gibt es die BMW M GmbH. Dieses Tochterunternehmen des Autoherstellers ist verantwortlich für die Entwicklung und Produktion leistungsstarker Fahrzeuge der M-Serie und für die Individualisierung aller BMW-Modelle — eine herstellereigene Tuning-Manufaktur also. Kurz gesagt, macht die M GmbH aus »normalen« BMWs besondere BMWs — gern auch mit deutlich mehr Motorleistung.
So etwa die BMW M5 Limousine, ein Modell, das in diesem Jahr sein 30. Jubiläum feiert. Der M5 schöpft aus acht Zylindern eine Leistung von 560 PS. Damit ist Fahren in einem Bereich möglich, den nicht nur der Normalbürger als sportlich bezeichnet — zu einem Einstiegspreis jenseits von 100.000 Euro.
Hintergrund, Fragestellungen
Tobias Körtge drehte bisher öfter mit der C300 von Canon (Test) und der F5 von Sony (Test), hat aber auch Erfahrungen mit anderen Kameras, etwa von Red. »Die Alexa war für unsere Art von Produktionen kein Thema, weil sie für unsere Zwecke meist zu groß und zu schwer wäre. Außerdem ist der Workflow mit der Alexa für uns nicht so praktikabel, wie eben mit den Kameras von Canon und Sony. Aber natürlich wünscht man sich immer die Bildqualität einer Alexa. Deshalb hat es mich besonders gereizt, die kompaktere Amira in die Hände zu bekommen.«
Das Drehen mit dem Prototypen einer Kamera birgt natürlich immer Risiken. »Es gab beim Dreh durchaus noch das eine oder andere kleine Problemchen, doch wir konnten sie alle lösen. Insgesamt waren wir sehr überrascht, wie stabil die Kamera lief und wie ausgereift sie sich schon als Prototyp präsentierte«, erläutert Tobias Körtge und bedankt sich im gleichen Atemzug bei Olli Temmler von Arri, der das Team beim Dreh mit dem Prototypen unterstützte. »Man hat bei Arri auch den Eindruck, dass die Entwickler den Anwendern viel besser zuhören und wir Kameraleute dadurch letztlich auch bessere Werkzeuge von Arri bekommen.«
»Für mich stand bei dem Projekt ganz klar im Vordergrund, die Amira in der Praxis ausprobieren und mir ein eigenes Bild von dieser Kamera machen zu können«, führt Tobias Körtge aus: »Was kann sie und was kann sie nicht?«
Gedreht wurde an drei Drehtagen in HD-Auflösung mit ProRes-4444, Log-C — in einer Halle in der Münchener Kultfabrik und außen, in der Gegend um Starnberg. Beim Dreh in der Halle wurde unter anderem ein Dolly eingesetzt, ansonsten kamen Stativ und das Tragebügel-Stabilisierungssystem Easy-Rig zum Einsatz.
Vorgeschnitten wurde das Material dann mit Final Cut (Test), das Finshing fand mit einem Media Composer von Avid (Test) statt, das Grading mit DaVinci von Blackmagic (Test).
»Ich wollte es vermeiden, all zu häufig die Optik zu wechseln, denn das kostet einfach zu viel Zeit und bringt Unterbrechungen mit sich, die manchmal sehr störend sind. Licht&Ton KLT unterstützte uns mit einem Cabrio-Zoom von Fujifilm, das den Brennweitenbereich 19 bis 90 mm abdeckt, und dabei sehr kompakt und vergleichsweise leicht ist. Für unsere Zwecke war das der optimale Partner der Amira, denn man erhält eine relativ kompakte, leichtere Einheit, die einen großen Brennweitenbereich abdeckt. Wenn man das etwa mit dem Arbeiten mit Alura-Zooms vergleicht, ist man eben mit dem Cabrio-Zoom sehr viel flexibler und mobiler. Follow-Focus dran, Mattebox drauf, fertig.«
Zum Einsatz kamen dabei als Kamerazubehör ein FF1-Follow-Focus, ein MB19-Kompendium und eine Broadcast-Plate von Arri, sowie ein 5,6-Zoll-Fieldmonitor von TV Logic. Das Funksystem Teradek Bolt (News) wurde für die kabellose Bildübertragung zur Regie genutzt. Die Kamera wog mit diesen Zubehörteilen rund 12 kg.
Praxiserfahrungen
»Die Amira ist für mich der optimale Kompromiss aus Alexa-Bildqualität und einer kleineren Bauform, die flexibleres Drehen erlaubt. Das Handling ist super — das ist es, was die Kamera ausmacht und den größten Benefit bringt: das einfache und schnelle Handling. Man muss beispielsweise so gut wie nie ins Menü, sondern hat alles, was man beim Dreh braucht, im direkten Zugriff. Ich brauchte beispielsweise beim Dreh verschiedene Bildraten von 25, 50, 100 und 200 fps und wollte verschiedene ISO-Werte nutzen. Das Wechseln zwischen solchen Parametern ist bei der Amira supersimpel und geht blitzschnell. Man ist immer sofort wieder drehbereit. Und wenn man sich spontan denkt: ‚Ach, 200 fps wären doch noch schön‘, dann macht man das einfach, ohne den ganzen Betrieb aufzuhalten.«
»Wir haben beispielsweise Autoaufnahmen gedreht, bei denen die Kamera außen am Auto befestigt war und unseren Darsteller Fero Andersen zeigt. Wir hatten bei den Außendrehs wunderschönen Sonnenschein und somit einen hohen Kontrastumfang. Trotzdem konnte ich ohne zusätzliches Licht im Auto drehen und hatte in allen Bereichen des Bildes Zeichnung«, berichtet Tobias Körtge.
»Was ich auch faszinierend fand, das ist die Qualität der ND-Filter. Während man sonst doch immer leichte Effekte im Bild sieht, wenn man die ND-Filter zuschaltet, ist das bei der Amira absolut nicht der Fall: Man sieht einfach nichts Negatives, die Filter sind wirklich von überragender Qualität.«
Einige Aspekte der Kamera erfordern aber auch eine gewisse Umstellung beim Dreh. Hier nennt Tobias Körtge die Leistungsaufnahme: »55 W sind nicht gerade wenig für eine Kamera, aber heutzutage auch nicht mehr völlig ungewöhnlich und somit machbar. Wenn man aber etwa noch einen Monitor aus dem Kameraakku speist, sollte man eher einen Akku mehr mitnehmen als gewohnt. Für unseren eher werbemäßigen Dreh war das kein Problem, aber wenn man den ganzen Tag dokumentarisch unterwegs ist, muss man diesem Aspekt sicher mehr Aufmerksamkeit widmen.«
Die Amira bietet interne Aufzeichnung in höchster Qualität, was Körtge gut findet: »Man spart sich die Mühe, einen separaten Recorder zu transportieren, zu befestigen und anzukabeln.« Allerdings muss man sich auch hier auf die modernen Zeiten einstellen: »Die Amira nutzt CFast-2.0 -Speicherkarten, die man aber mit gängigen CF-Speicherkartenlesern nicht verarbeiten kann: Die Pin-Belegung der Karte ist anders und man arbeitet auch mit höheren Datenraten. Also braucht man ein neues Lesegerät. Außerdem sind diese Karten relativ teuer: rund 1.000 Euro muss man für eine 120-GB-Karte investieren. Da passen dann in der von uns genutzten Qualität rund 48 Minuten drauf, wenn man mit normaler Bildrate arbeitet. Geht man auf 200 fps, hat man 7 Minuten Aufnahmekapazität. Das war für unsere Zwecke völlig ausreichend, aber wenn man etwa an Naturdokus denkt, sollte man schon ein Sack voll dieser relativ teuren Karten dabei haben.«
»Wir haben in Log-C gedreht und die Amira bietet die Möglichkeit, verschiedene LUTs für die Darstellung der Bilder im Sucher oder auf einem externen Monitor auszuwählen. Das ist eine sehr schöne, praktische Funktion, mit der man sich aber etwas beschäftigen und auseinandersetzen sollte, um für den jeweiligen Fall optimal zu belichten. Während des Tests habe ich mir gewünscht, dass man direkt zwischen der unkorrigierten Log-C-Darstellung und ein oder zwei vorausgewählten LUTs umschalten könnte. was aber nicht ging. Das hat das Arri-Team aber mittlerweile schon umgesetzt, diese Möglichkeit gibt es im nächsten Software-Update. Die Belichtungskontrolle ist dank integrierter False-Color-Funktion der Amira sehr gut unterstützt und man sammelt auch sehr rasch Erfahrung — die braucht man aber auch, wenn man auf die Hilfsmittel verzichten und nur nach Auge belichten will.«
Die Lichtempfindlichkeit der Amira überzeugte Tobias Körtge: »Mit 800 ISO kommt man fast immer hin und erhält dann eine sehr schöne, hohe Bildqualität. Ich musste auch erst lang nach Sonnenuntergang auf 1.600 ISO schalten — das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie lichtstark die Kamera ist. Ich habe bei unserer Produktion auch einige Passagen mit 3.200 ISO gedreht, einfach um das mal auszuprobieren. Da sieht man dann schon deutliches Rauschen in den dunklen Partien, was aber in der Post kein Problem darstellte.«
Was sagt Tobias Körtge dazu, dass die Amira als HD- und 2K-Kamera ausgelegt ist und nicht mehr Auflösung und Raw-Aufzeichnung bietet? »Die Bilder, die wir mit der Amira gedreht haben, konnten uns voll und ganz überzeugen, die Reserven, die das Material im Grading bot, haben völlig ausgereicht. Insofern wären höhere Auflösungen und Raw für uns kein Thema. Außerdem hat sich bei der Art von Produktionen, die ich normalerweise realisiere, auch ein gewisser Pragmatismus durchgesetzt: Mehr Daten verursachen mehr Kosten in der Postproduktion. Man braucht mehr Speicher, schnellere Rechner, hat viele längere Kopiervorgänge und Processing-Dauern. Beim Spielfilm spielt das vielleicht keine so große Rolle, aber ich mache eben keine Spielfilme. Bei uns geht es hingegen immer auch um hohe Effizienz — und mit einer Kamera wie der Amira kann ich sehr hohe Bildqualität mit einem schlanken, effizienten Workflow erreichen. Wenn man dagegen vom Dreh mit riesigen Datenmengen kommt, macht das die Postproduction langsam und teuer — und wenn man am Ende keinen echten Unterschied sieht, ergibt das keinen Sinn. Das sehen mittlerweile in dem Teil der Branche, in dem ich unterwegs bin, sehr viel Leute so.«
»Ich war auch sehr beeindruckt von der Robustheit der Kamera, die ja noch nicht mal aus der Serienfertigung stammte. Wir haben unter anderem in einer Halle gedreht, wo das Auto mit durchdrehenden Reifen durchaus stattliche Mengen Schmutz aufgewirbelt und Qualm erzeugt hat. Weil die Amira aber eine gekapselte Konstruktion mit einer Art internem Kühlkamin verfügt, hat uns Olli Temmler von Arri versichert, dass hier keine Probleme zu erwarten sind — und er hat Recht behalten.«
Die Amira hat einen Rolling Shutter. Sorgte das für Probleme? »Wir hatten keinerlei Probleme mit dem Rolling Shutter«, erläutert Tobias Körtge. »Dieses Thema ist meiner Meinung nach durch. Man kann natürlich Rolling-Shutter-Probleme provozieren, aber bei einer Kamera wie der Amira muss man dazu im Grunde schon mutwillig vorgehen.«
»Was jetzt noch fehlt, sind mehr Objektive, die zur Amira passen, was die Abbildungsverhältnisse, die Preisstruktur sowie Baugröße und Gewicht betreffen — aber hier wird sich sicher noch etwas tun«, vermutet Tobias Körtge.
»Ich war von der Amira insgesamt total begeistert und besonders das Handling überzeugt mich. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die in der Praxis einen großen Unterschied machen: Der verstellbare Griff der Amira etwa hilft beim Ausbalancieren am Easy-Rig, seitlich steht kein Stecker raus. Man merkt einfach, dass Arri seine Kameras nah am Set-Alltag entwickelt.«
Credits
Kamera: Tobias Körtge, Eyes On Media
1. Kameraassistent: Max Schmelzer
2. Kameraassistent: German Strigl
Ton: Ulrike Daniel
Oberbeleuchter: Christoph Blase
Cutter: Alexander Hell, Julian Topehlen / Blickfang Media
Producer: Philipp Schumacher
Assistenz: Sina Blaschek
Darsteller: Fero Andersen
Precision Driver: Astrid Gerda Schmid
Setfotograf: Matthias Jarochowski
Konzept: P. Schumacher/F. Andersen/T. Körtge
Arri: Oliver Temmler
Technik: Kameraverleih Licht&Ton KLT GmbH