Olympia in Sotschi: So übertragen ARD und ZDF die Winterspiele 2014
Vom 7. bis 23. Februar 2014 berichten ARD und ZDF im täglichen Wechsel umfassend von den Olympischen Winterspielen aus dem russischen Sotschi. Dabei nutzen die Sender eine gemeinsame technische Infrastruktur. Neben der Live-Berichterstattung im Fernsehen spielt auch die Verbreitung von Live-Streams via Internet eine große Rolle in der Berichterstattung. film-tv-video.de hat im Vorfeld mit Jörg Teufel vom Bayerischen Rundfunk gesprochen, der als Technischer Leiter innerhalb der ARD gemeinsam mit Gunnar Darge vom ZDF die technische Seite dieses Großprojekts verantwortet.
Die Taktzahl der Berichte über Olympia in Sotschi hat sich in den vergangenen Wochen deutlich erhöht. Eines hat sich dabei schon jetzt herauskristallisiert: Es gab schon Orte und Umstände bei den Olympischen Winterspielen, die deutlich positivere Gefühle und mehr Begeisterung ausgelöst haben — bei den Athleten, wie bei den Zuschauern. Unabhängig von der politischen und gesellschaftlichen Situation in Sotschi stellt sich aber den Technikteams von ARD und ZDF die Aufgabe, eine reibungslose Sportberichterstattung von den Olympischen Winterspielen zu ermöglichen. Das tun die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch in diesem Jahr, wie bei anderen Groß-Events zuvor, wieder gemeinsam — und sie kooperieren dabei enger als je zuvor.
Die Federführung der Produktion, die in 1080i und Stereo realisiert wird, obliegt dem ZDF, innerhalb der ARD leitet der BR die Produktion in Russland. Das Credo der Sender lautet: »Die konsequente Nutzung von Synergien im personellen und technischen Bereich, ein gemeinsames Studio, eine intensive Zusammenarbeit bei Organisation und Logistik — das sind die Voraussetzungen für eine umfangreiche und kostenbewusste Olympia-Berichterstattung. Die Zielsetzung heißt: Olympische Vielfalt kombiniert mit hoher Programmqualität.«
De facto haben die beiden Anstalten ihre Teams vor Ort in Sotschi im Vergleich zu anderen Spielen reduziert, denn für die Technik gab es die klare Vorgabe, Kosten zu sparen, aber dennoch keine technischen Kompromisse zu schließen, sondern innovative Produktionslösungen zu erarbeiten.
Für Gunnar Darge, den Technischen Leiter des ZDF in Sotschi und für Jörg Teufel, der die Technische Leitung für die ARD bei den Winterspielen inne hat, galt es, diese Herausforderungen in der Planung und Umsetzung des Großprojekts zu bewältigen. Dabei wurde die bewährte Aufgabenteilung in der Technik aufgegriffen: Während sich das ZDF auf die Detailplanung der beiden Fernsehzentren IBC und MBC konzentrierte, plante die ARD die Setups an den Wettkampfstätten, das Studio und die Anbindung der ARD-Heimredaktion beim BR.
Region Sotschi
Die Olympiastadt Sotschi liegt am Schwarzen Meer und erstreckt sich über 145 Kilometer entlang der nordöstlichen Küste des Schwarzen Meeres. Die Stadt liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Nizza und hat ein entsprechendes Klima, was im Vorfeld der Spiele für Diskussionen sorgte. Schon unmittelbar in Küstennähe beginnen aber die ersten Bergketten des Kaukasus mit Berggipfeln, die in Höhen jenseits von 3.000 m reichen.
Das Skigebiet Rosa Khutor in der Region Krasnaya Polyana liegt knapp unterhalb von 2.000 m, hier sind die Abfahrtsstrecken und die Snowboard-Parks angelegt. Ebenfalls in den Bergen befinden sich das Langlauf- und Biathlon-Center Laura, das Bob- und Rodelcenter Sanki und die Skisprung-Anlage Russki Gorki.
Damit die Bergregion Krasnaya Polyana von Sotschi aus gut erreichbar ist, wurde sie eigens über neue Auto- und Bahnstrecken angebunden, sodass der Transfer zwischen dem Flughafen von Sotschi im Stadtteil Adler, sowie der Bergregion und den Wettkampfstätten des Olympiaparks verbessert ist.
Säulen der Berichterstattung
ARD und ZDF nutzen in Sotschi ein gemeinsames Studio, das nicht mehr mit unterschiedlicher Deko ausgestattet wird. Bei früheren von den beiden Sendern im Wechsel übertragenen Groß-Events war das noch anders, dort wurde mit unterschiedlicher Deko gearbeitet, es musste also täglich umgebaut werden. Das ist nun anders, was natürlich Zeit und somit auch Kosten spart.
Es handelt sich beim deutschen Olympiastudio in Sotschi um einen modernen Glaswürfel, der ungefähr 10 x 10 m misst und schöne Ausblicke gewährt. Aus diesem Panoramastudio berichten ARD und ZDF täglich im Wechsel mehrere Stunden live von den Spielen. Für die ARD stehen Gerhard Delling und Michael Antwerpes als Moderatoren im Rampenlicht, fürs ZDF Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne.
In den Bergen bei Sotschi gibt es eine weitere gemeinsame Location von ARD und ZDF: Dort befindet sich das Deutsche Haus, wo sich üblicherweise Sportler, Funktionäre und Fans zusammenfinden und wo Interviews und Schaltgespräche stattfinden können.
Programm
ARD und ZDF bestreiten während der Olympischen Spiele erhebliche Teile ihres Programms mit der Berichterstattung aus Sotschi. Das geplante Sendevolumen der beiden Sender liegt bei insgesamt über 240 Stunden und somit pro Sender bei rund 120 Stunden Programm verteilt auf jeweils acht Sendetage pro Partner. Neben den Moderatoren sind auch zahlreiche Experten vor Ort in Sotschi. Sie sollen in der Live-Berichterstattung natürlich ihr Expertenwissen zum Besten geben, aber auch besonders die Sicht der Athleten darstellen.
Nachdem das Online-Angebot der Sender von den Olympischen Sommerspielen in London so erfolgreich war, spielt diese Form der Berichterstattung nun in Sotschi natürlich eine noch größere Rolle: Nun planen die Anstalten neben einem Live-Stream des jeweiligen Hauptprogramms noch zusätzlich vier weitere kommentierte Live-Streams im Internet anzubieten. Zusätzlich liefern die ARD-Hörfunkwellen umfangreiches Radioprogramm.
OBS: Weltbild und Infrastruktur
ARD und ZDF nutzen für die Produktion ihres Programms die Weltbildsignale, die der Host-Broadcaster OBS produziert und den Rechteinhabern zur Verfügung stellt. OBS setzt in Sotschi rund 450 Kameras ein und plant, damit rund 1.600 Stunden Live-Programm in 1080i zu produzieren. Dafür beschäftigt der Host in der heißen Phase rund 2.700 Mitarbeiter.
Weiter ist OBS auch ganz generell für die Leitungen, aber auch für Stellplätze, Stromanschlüsse, Verkabelungen und mehr verantwortlich.
Die Live-Signale der diversen Venues laufen im IBC auf und werden dort den internationalen Broadcastern zur Verfügung gestellt. Zusätzlich bietet OBS über einen Server weiteres, file-basiertes Material von Athleten, Streckenbesichtigungen und Sportstätten an.
IBC und MBC
Das International Broadcast Center (IBC) befindet sich auf Meereshöhe im Coastal Cluster in Sotschi und stellt auf einer Fläche von rund 39.000 qm den Broadcastern aus aller Welt technische Facilities zur Verfügung. ARD und ZDF haben rund 1.800 qm angemietet.
Im IBC liegt der Live-Content von allen Sportstätten vor. Ein zweites Technikcenter befindet sich in der Nähe der Abfahrtsdisziplinen in den Bergen und bündelt dort den Content von den verschiedenen, in den Bergen verteilten Sportstätten: das Mountain Broadcast Center (MBC). Hier haben ARD und ZDF ebenfalls Technik und Flächen angemietet, rund 400 qm belegen die deutschen Sender im MBC.
ARD und ZDF erhalten von OBS 22 Feeds in Form von HD-SDI-Signalen, die für die Produktion des Programms genutzt werden. »Diese Feeds bekommen wir sowohl im IBC wie auch im MBC zugespielt, wir müssen das Material zwischen den beiden Locations also nicht noch mit eigenen Leitungen überspielen«, erklärt Jörg Teufel. Zusätzlich produzieren ARD und ZDF bei den besonders quotenträchtigen Sportarten auch eigene Signale, um damit die Berichterstattung noch besser an die Bedürfnisse der deutschen Zuschauer anpassen zu können.
ARD und ZDF an den Venues
Beim Biathlon wird ein Ü-Wagen des BR zum Einsatz kommen, an der Skisprungschanze ein Ü-Wagen des SWR und bei den Alpindisziplinen ein ZDF-Fahrzeug.
Der BR-Ü-Wagen FÜ3 ist mit Sony HDC-1400R-Kameras bestückt und für die Biathlon-Produktion zuständig. Er deckt diese Wettkampfstätte mit vier zusätzlichen eigenen Kameras direkt an der Sportstätte, sowie mit zwei Kameras an der Presenter-Position ab.
Die Skisprung-Wettbewerbe realisiert der SWR mit dem FÜ3, der ebenfalls mit Sony-Systemkameras arbeitet. Zwei eigene Kameras werden an der Schanze, weitere an der Presenter-Position und in der Mixed-Zone stationiert sein. Mit zwei weiteren, flexibel eingesetzten Kameras ist das Team beim Trainer und in den Wachskabinen vertreten.
Für die Alpin-Wettbewerbe ist das ZDF zuständig und mit einem HD-SNG-Fahrzeug mit zwei eigenen Kameras für die Presenter-Position und einer Kamera in der Mixed Zone präsent. Hier sind Ikegami-Studio-Kameras im Einsatz.
Es gibt natürlich auch Wettkämpfe, die ohne eigenen Ü-Wagen vor Ort auskommen müssen, aber dennoch für zusätzliche, eigene Live-Bilder, insbesondere aus der Mixed Zone, interessant sind. Hierfür haben sich die Techniker von ARD und ZDF zusammen mit Presteigne Charter eine besondere Lösung einfallen lassen, um auch in diesen Fällen eigene Video- und Audiosignale aus der Mixed Zone ins IBC übertragen zu können: die »Vanda-Boxen«.
Das sind maßgeschneiderte 19-Zoll-Flightcases, die mit der passenden Technik für die Signalübertragung der Kamerasignale ins IBC ausgerüstet sind. Die Vanda-Boxen werden im Zusammenspiel mit EB-Kameras genutzt, die sich jeweils vor Ort am jeweiligen Venue befinden.
Dieses System wurde von den deutschen Sendern erstmals bei Olympia in London eingesetzt (Bericht). »Wir buchen bei diesen Venues lediglich eine Leitung und können mit Hilfe der Vanda-Boxen ohne zusätzliche Techniker vor Ort quasi eine Live-Schaltung in die Mixed-Zone realisieren«, erklärt Jörg Teufel. Das jeweils vor Ort aktive EB-Team dockt sich selbstständig an die Vanda-Box an und nutzt dann einen Camcorder als Live-Kamera.
In Sotschi sind acht Vanda-Boxen in unterschiedlichen Ausbaustufen im Einsatz. Ulrich A. Maslak von Presteigne Charter hat die Vanda-Boxen individuell geplant. In die mobilen Boxen wurden unter anderem Aja-Embedder/De-Embedder des Typs HD10AMA sowie AIB-1-Mikrofonverstärker von Zähl, Testsignalgeneratoren von Lynx (PTG3610B/D) und Audiosignal-Splitter des Typs SP 31 von Millenium eingebaut. Darüber hinaus wurden die Boxen mit einer 3-HE-Schublade versehen, um Headsets, Mikrofone, In-Ear-Monitoringsets, XLR-Kabel und diverse Manuals platzsparend verstauen zu können.
Schlussendlich gibt es noch jene Wettkämpfe und Venues, bei denen ARD und ZDF gänzlich auf eigene Bilder verzichten und auf das Weltbild zurückgreifen.
Deutsches Haus
Ursprünglich wollten ARD und ZDF im Deutschen Haus eine kleinere Regie für mehrere Kameras einbauen und auch eine SNG-Einheit dort platzieren. Allerdings wurden vom Veranstalter keine Stellplätze zugeteilt, und es zeigte sich, dass auch im Gebäude selbst kaum Platz für die Technik verfügbar war. »Auf der Fläche, die für die Technik vorgesehen ist, kann man gerade mal zwei 19-Zoll-Gestelle aufbauen, sodass wir unsere ursprünglichen Pläne leider aufgeben mussten«, berichtet Jörg Teufel.
Dennoch wurde eine Lösung gefunden, die es trotz der beengten Platzverhältnisse erlaubt, live aus dem Deutschen Haus zu berichten: Presteigne Charter baute eine aufs Nötigste abgestrippte, kleine Mini-Regie für zwei HDC-2500-Studiokameras von Sony, die an drei vorverkabelten Interviewpositionen eingesetzt werden können. Zwischen den Signalen der beiden Kameras kann mit einer Harris-Panacea-Kreuzschiene (16×16) hart »geschnitten« werden. Als Intercom-Verbindung zum IBC verbaute Presteigne Charter in dieser der mobilen Mini-Regie eine Riedel-Artist-Anlage. Auch im Tonbereich herrscht hier gezwungener Maßen Minimalismus: Es gibt nur ein Mikrofon, dessen Signal über einen Limiter auf einen Embedder und die Sendeleitung geführt wird — für eine wie auch immer geartete, noch so winzige Tonregie wäre einfach kein Platz mehr gewesen.
Studio
Neu für alle Beteiligten ist das gemeinsame Panorama-Glasstudio im Olympia-Park, das sich etwa 1,5 km entfernt vom IBC befindet — in unmittelbarer Nähe zu den Sportstätten des Olympiaparks und vor der Bergkulisse Sotschis.
»Technisch ist es so, dass dieses Studio vom IBC abgesetzt ist – und damit auch von der zuständigen Regie. Wir betreiben das Studio somit letztlich quasi im Remote-Production-Modus«, erläutert Jörg Teufel. Mikrofone und Rückhörstrecken sind, wie auch die Kameras per Glasfaser ans IBC angebunden. Lichtseitig gibt es in Sotschi eine Premiere, denn erstmalig ist hier durchgängig LED-Technik im Einsatz. Die Wahl fiel hierbei auf Lichttechnik von Desisti und Creamsource.
Eine weitere Besonderheit: Erstmals bei einem großen Sport-Event nutzen ARD und ZDF dasselbe Studio ohne Umbauten: Es gibt keinerlei unterschiedliche Dekorationselemente, das Corporate Design der Sender wird durch die unterschiedliche Lichtfärbung der Effektbeleuchtung an den ARD- und ZDF-Sendetagen erzielt, mit dem die beiden Sender unterschiedliche Akzente im Studio setzen. Kameraseitig sind im Olympiastudio zwei neue LDX-Worldcams von Grass Valley als klassische stativgebundene Studiokameras im Einsatz, zusätzlich eine Polecam als Krankamera, sowie ein kabellos angebundenes Steadicam-System. Die Steadicam-Kamera kann innerhalb wie außerhalb des Studios genutzt werden.
Die CCUs der Kameras, der Mischer und alles andere, was üblicherweise hinter den Kulissen eines Studios in einer Regie versammelt ist, ist in Sotschi, wie schon erwähnt, im rund 1,5 km vom Studio entfernten IBC abgesetzt untergebracht.
Auf große Displays oder Monitorwände als Bestandteil des Studios verzichten die Sender dieses Mal, man setzt auf den Ausblick aus dem Glaswürfel und will letztlich die Wirkung des Panorama-Studios nicht durch zusätzliche Elemente schmälern oder gar zunichte machen.
Produktion und Schnitt im IBC
Auch im IBC belegen ARD und ZDF, wie schon in den Jahren zuvor, eine gemeinsame Produktionsfläche. Gunnar Darge, Technischer Leiter des ZDF in Sotschi, ist mit seinem Team für Planung und Realisierung der Technik im IBC und auch für die Planung und Nutzung der Fläche im MBC zuständig.
Im MBC werden die Signale der gesamten Bergwettkampfstätten zusammengefasst und über eine Sammelleitung ins IBC überführt. Mit diesem Setup sparen sich die Sender immense Leitungs- und Transportkosten. Es sprechen aber nicht nur Kosten- sondern auch logistische Gründe für diese Lösung, »denn die Redakteure, die an den Wettkampfstätten in den Bergen arbeiten, wollen natürlich auch direkt dort die Beiträge fertigstellen und hierfür nicht erst wieder ein bis zwei Stunden ins IBC fahren — mit dem Risiko von verkehrsbedingten Verzögerungen«, erläutert Jörg Teufel. »Aus diesem Grund haben wir zwölf Schnittplätze für alle Bergwettkampfstätten im MBC zentralisiert und dort auch einen kleinen Schaltraum und ein Produktionsbüro eingerichtet.« Insgesamt handelt es sich um zwei EVS-Arbeitsplätze, und zehn Avid-Schnittplätze. Weitere Schnittplätze wurden im IBC untergebracht. Auf den Einsatz von Schnittplätzen direkt an den einzelnen Venues haben ARD und ZDF in diesem Jahr verzichtet — letztlich auch, um Kosten einzusparen.
Wie immer bei den Sport-Groß-Events ist Equipment der Mobilen Produktionseinheit (MPE) von ARD und ZDF im Einsatz, eines gemeinschaftlichen Geräte-Pools der Sender. Wellen+Nöthen stattete die MPE im Auftrag des ZDF mit zusätzlicher Technik für Schnitt, Redaktion sowie die Grafikbearbeitung im IBC und MBC aus (Meldung).
Den Kern der mobilen Infrastruktur bildet Equipment von Avid und EVS, mit dem eine file-basierte HD-Produktionsumgebung realisiert wurde. Im Bereich Ingest, aber auch für Transfers von Material und auch für den Highlight-Schnitt und fürs Playout ist ein integriertes System im Einsatz, das aus der Avid-Software Interplay, dem Speichersystem Isis 7000, Ingest- und Playout-Servern des Typs AirSpeed 5000 sowie XT-3-Servern von EVS und IP-Director-Systemen besteht, fasst Gunnar Darge zusammen. Das Setup im MBC nutzt eine ganz ähnliche Ausstattung.
Wie schon bei den Großprojekten in den Jahren zuvor, wird in der Produktion erneut mit dem DNxHD–Codec gearbeitet. Sowohl im IBC, wie auch im MBC sind MOG-Ingest-Server im Einsatz, die das Material, das etwa auch von EB-Teams eingespielt wird, automatisch in DNxHD kodieren und in dieser Form dann ins System einspielen. Eine Besonderheit besteht darin, dass das Material schon während des Einspielens im zentralen Speicher zur Verfügung steht und geschnitten werden kann, bevor es dann an die EVS- oder Airspeed-Server weitergereicht wird.
Den HiRes-Schnitt realisieren ARD und ZDF mit Media Composern von Avid in der Nitris-DX-Ausführung. Insgesamt sind 14 Schnittplätze im IBC installiert, davon vier EVS- und zehn Avid-Schnittplätze. Den Redakteuren stehen zudem sowohl das Redaktionssystem iNews, wie auch diverse Interplay-Clients für die News-Produktion zur Verfügung.
Für die Grafik ist ein Vizrt-System im Einsatz, mit dem Titel, 3D-Grafiken, Tafeln, Übersichten und vieles mehr realisiert werden.
Generell ist es so, dass es sowohl gemeinsame, wechselweise für das ARD- und das ZDF-Programm genutzte Schnittplätze gibt, aber auch solche, die ausschließlich für die ARD und solche die exklusiv vom ZDF genutzt werden. Der Hintergrund dafür besteht darin, dass beide Sender auch an den Tagen, an denen sie nicht das Olympia-Live-Programm bestreiten, Stories vorbereiten und ihre Nachrichtensendungen bestücken müssen.
Regie im IBC
Im IBC ist einerseits die Haupt-Senderegie mit dem bestehenden Equipment aus dem MPE-Pool untergebracht: Dazu zählt der Sony-Bildmischer MVS-8000 ebenso, wie das MC90-Audiopult von Lawo. Der Hauptregie vorgelagert ist eine Venue-Regie, deren Aufgabe darin besteht, ein fertiges, unilaterales Signal von jeweils einer Wettkampfstätte an die Hauptregie zu liefern.
»Wenn wir eine Wettkampfstätte ohne Ü-Wagen haben, die mit ein oder zwei Kameras über Vanda-Boxen angebunden ist und wir ansonsten zusätzlich das Weltbild von OBS übernehmen, wird die Venue-Regie aus diesen Signalen ein fertiges Wettkampfsignal liefern«, erklärt Jörg Teufel. Das ist beispielsweise bei den Bob- und Rodel-Wettbewerben der Fall und hat den Vorteil, dass die Hauptregie sich darauf konzentrieren kann, von Wettkampf zu Wettkampf zu schalten und zudem immer ein fertiges Signal vorgelegt bekommt.
Streaming-Regie
Für den wachsenden Bereich Online-Streaming haben ARD und ZDF im IBC eine eigene Streaming-Regie integriert. Das wurde notwendig, weil die Sender aus Sotschi neben dem Hauptprogramm auch vier kommentierte Live-Streams via Internet anbieten werden. Dafür wird dann jeweils das unveränderte Weltbild übernommen, mit deutschem Kommentar ergänzt und über Mainz nach München zum BR übertragen. Vom BR aus wird das Material dann für die ARD direkt gestreamt. De facto heißt dies, dass bei ARD und ZDF der selbe Stream zu sehen ist. Kommentiert werden die Streams jeweils von den Kommentatoren, die keinen Live-TV-Sendetag haben.
Leitungskonzept
Von Sotschi führt eine Glasfaserverbindung nach Frankfurt (STM-16 mit 2,5 GB Bandbreite), die über OBS gebucht wurde. Von Frankfurt geht es auf einer ZDF-eigenen Strecke weiter nach Mainz. Vom MTI werden die Signale, die nur für die ARD benötigt werden, weiter vom Schaltraum des ZDF nach München geleitet.
In der Strecke Sotschi-Frankfurt ist zum einen die Haupt-Sendeleitung realisiert, die beide Sender wechselweise nutzen. Für jeden Sender ist zudem eine Rückleitung nach Sotschi enthalten. Darüber lassen sich beispielsweise Beiträge nach Sotschi transferieren, die in Deutschland produziert werden. Auch Live-Schaltungen können darüber realisiert werden — etwa dann, wenn beispielsweise mit nicht mitgereisten Angehörigen eines erfolgreichen Sportlers gesprochen wird. Weiter werden die Streaming-Signale und noch zusätzliche EDV- und Kommunikationsdaten über diese Leitung übertragen. Das Hauptsendesignal ist zusätzlich über Satellit abgesichert.
Produktion in der Heimredaktion
Eine Besonderheit innerhalb des Leitungskonzepts stellt die Übertragung der Streaming-Signale dar. Sie werden mit einem Nevion-Encoder in MPEG-4 mit 25 Mbps Bandbreite pro Signal kodiert. Die Signalübertragung in diesem Codec ist bei ARD und ZDF ein Novum in der Berichterstattung von Groß-Events.
Sind die HD-Signale am BR-Standort in Freimann ankommen, werden sie unterschiedlich ausgewertet: Zum einen findet hier das Web-Streaming des Hauptprogramms und von vier weiteren Wettkämpfen statt. Zum anderen werden die in MPEG-4 übertragenen Signale auch für die Produktion in der Heimredaktion in Freimann genutzt. Das ist überhaupt nur möglich, weil dank des effektiven Codecs das Material bei der Übertragung nur vergleichsweise wenig Bandbreite bei gleichzeitig sehr guter Qualität benötigt.
Um für die abgesetzte Produktion in der Heimredaktion nicht nur auf die fünf Live-Streams zugreifen zu können, werden zusätzlich auch noch zwei Embedder/De-Embedder-Systeme eingesetzt, die ohnehin für den Havariefall bereitstehen. »Wir haben uns dazu entschlossen, diese ohnehin vorgehaltenen und für den Havariefall bereitstehenden Reservegeräte für diesen Zweck zu nutzen, solange kein Havariefall eintritt«, erläutert Jörg Teufel und ergänzt: »Auf diese Weise kommen alle Weltbildsignale der parallel stattfindenden Wettkämpfe beim BR in Freimann an und stehen für die Produktion in der Heimredaktion zur Verfügung.« Diese Beiträge werden also nicht mehr wie früher vor Ort, sondern in der Heimredaktion in München produziert.
Eine ähnliche Doppelnutzung erfährt auch das Olympia-Havariestudio, das in Freimann eingerichtet ist. Dort werden, solange kein Havariefall eintritt, die Olympia-Telegramme mit Moderator Alexander Bommes für den aktuellen Bereich produziert, wie auch die Tageszusammenfassungen. Die Beiträge für diese beiden News-Blocks werden in Freimann geschnitten, vertont und fertiggestellt — und zwar aus dem Rohmaterial, das von Sotschi nach München übertragen wird.
Die Server-Infrastruktur, die in Sotschi steht, kann beim BR allerdings aus Budgetgründen nicht parallel abgebildet werden. Deshalb wird das ankommende Material dort ins Fernseharchiv verschoben, nur die jeweils aktuellen zwei bis drei Wettkampftage werden im Isis-System des BR vorgehalten. »Auf diese Weise können wir auf die hausinternen Strukturen zugreifen, ohne sie aufrüsten zu müssen«, erläutert Jörg Teufel. Für den Schnitt werden dabei vier Avid-Schnittplätze der bestehenden Infrastruktur eingesetzt: drei im aktuellen Bereich, einer für Trailer und Teaser, die ausschließlich in Freimann produziert und dann nach Sotschi überspielt werden.
Auch die komplette Paint-Grafik entsteht in München und wird schon hier in die Beiträge eingebaut oder nach Bedarf auch erst in Sotschi eingebunden. Die Grafik kann wahlweise über die Rückleitung, aber auch per File-Transfer nach Sotschi übertragen werden.
Die Schriftgrafik wird wiederum direkt in Sotschi produziert, wenngleich die Grafik für die aktuellen Beiträge der News-Telegramme in Freimann ebenfalls Schriftgrafik realisiert — dort allerdings mit Chyron-Systemen, während in Sotschi Vizrt im Einsatz ist. Die Grafikvorlagen mussten somit in beiden Systemen angelegt werden. Dieses Konstrukt hat aber den Vorteil, dass in Sotschi nur noch zwei Grafik-Operatoren vor Ort sein müssen, die im Schichtbetrieb arbeiten.
Social Media
Die Bereiche Fernsehen, Radio und Online der Sender arbeiten in Sotschi redaktionell enger als je zuvor zusammen. So können alle drei Bereich auf die Inhalte der jeweils anderen Bereiche zugreifen. Die Koordination vor Ort obliegt einem trimedialen Redaktionsbüro, in dem sich die Leiter der Online-, TV- und Hörfunkberichterstattung abstimmen.
Im Online-Bereich gibt es zudem erweiterte Möglichkeiten, die Social-Media-Kanäle zu bestücken, und die Fernsehleute haben wiederum die Möglichkeit, Kommentare aus den Netzwerken aufzugreifen und in ihr Programm einzubinden. Hierfür ist das Chyron-System Shout im Einsatz, das in Freimann installiert ist. Die in Shout generierten Daten werden als xml-File nach Sotschi übermittelt und dort direkt in das Vizrt-System übernommen. Im Vizrt-System werden aus diesen Daten und aus vorgefertigten Templates die Grafikeinblendungen generiert und dann übers Bildmischpult ins laufende Programm insertiert.
Audio: Stereo statt 5.1
Im Audiobereich haben sich ARD und ZDF für die Produktion in Stereo entschieden — und damit letztlich eine pragmatische Entscheidung gefällt. Der Hintergrund ist klar: Bei den Olympischen Spielen finden zahlreiche Wettkämpfe parallel statt und es gibt häufig schnelle Wechsel zwischen den Sportarten. Diese Rahmenbedingungen erschweren die Audioproduktion in 5.1. Zusätzlich stellt sich aus der Sicht der Fernsehmacher die generelle Frage, ob eine 5.1-Produktion bei Sportarten wie etwa Abfahrtslauf oder Biathlon viel Sinn ergibt oder nicht viel eher für Sportarten wie beispielsweise Fußball geeignet ist, wo der Zuschauer über einen längeren Zeitraum das gleiche Event verfolgt.
Von Sotschi nach Brasilien
Umfangreiches Equipment, das bei den Olympischen Spielen in Sotschi eingesetzt wird, reist nach den Olympischen Spielen und den Paralympics, von denen ARD und ZDF ebenfalls mit umfangreichem Programm berichten, direkt weiter nach Brasilien, wo es bei der Fußball-WM eingesetzt wird. Bis dahin wird sich zeigen, ob die Spiele in Sotschi den Spagat zwischen Sport und Politik geschafft haben.
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