Crossmedia: Neue Wege in der aktuellen Produktion
In der realen Medienwelt fließt heute Material diverser Formate aus ganz unterschiedlichen Quellen in Produktionen ein – und die fertigen Produktionen wiederum werden über ganz unterschiedliche Kanäle und Medienplattformen verteilt. Das stellt die Nachrichtenmacher und Broadcaster vor große Herausforderungen. Thomas Holzmann und Natascha Vostrovsky haben sich mit den unterschiedlichen Aspekten dieser Entwicklung auseinandergesetzt.
Die Medienwelt ist heute unter vielen Aspekten ein einziger, großer Schmelztiegel. Das betrifft einerseits die Arbeit und die Produkte der etablierten Nachrichtenmacher, die aus immer mehr Quellen schöpfen können – das aber auch in immer höherer Taktzahl tun müssen, um aktuell zu sein. Gleichzeitig nimmt aber auch der Rezipient immer öfter aktiv am Medienbetrieb teil. Er stellt sich quasi als sein eigener Redakteur online den gewünschten Informationsmix zusammen und er wirkt zudem auch selbst als Kommunikator. Statt ausschließlich als Empfänger aktueller Informationen oder von Anderen zusammengestellter Nachrichten zu fungieren, wollen immer mehr Endkunden selbst bestimmen, wann, wo und auf welche Weise sie am Nachrichtenfluss teilnehmen. Sie leiten selbst Informationen weiter und versehen sie mit Kommentaren oder erzeugen sogar selbst Nachrichten. Die Zahl der modernen Nachrichten-Kunden, die sich unabhängig von linearen Angeboten informieren oder zumindest zusätzliche Angebote nutzen wollen, sie wächst. Das stellt Redaktion und Produktion vor neue Aufgaben in einer Nachrichtenwelt, die sich ständig erneuert.
Medial, multimedial, crossmedial
Der Begriff Multimedia erlebte in den 90er Jahren seine Blüte und wurde damals für medienübergreifende Inhalte und Hardware genutzt. Im Broadcast-Bereich stand der Begriff später unter anderem für die Aufbereitung einer Nachricht für verschiedene Distributionswege.
Mittlerweile wird überwiegend von Crossmedialität gesprochen und in der Broadcast-Welt steht dieser Begriff für die Überschneidung und Ergänzung von Themenplanung, Produktion und Distribution. Aber auch die Nutzerseite wird als crossmedial beschrieben: Zu TV-Beiträgen etwa stehen parallel Zusatzinformationen zum Abruf mit einem Tablet-PC oder dem TV-Gerät selbst zur Verfügung. Zu Nachrichtenthemen werden beispielsweise im Internet Zusatzinformationen oder Intensivierungen angeboten. In Foren und sozialen Netzwerken kann teilweise mit den Machern und/oder unter den Nutzern diskutiert und verlinkt werden. Die Reaktionen im Netz werden wiederum zum Thema im Ausgangsmedium. Es entstehen Formate, die die bisherige klassische Medienaufteilung hinter sich lassen und den Zuschauer mit seiner Meinung direkt einbeziehen. Die Aktualität ist also crossmedial geworden.
Doch wenn die digitale Generation und ihre integrationswilligen Vorfahren jederzeit Zugriff auf alle möglichen Informationsquellen haben, was ist dann noch die Aufgabe des klassischen Nachrichtenmachers?
Die Antwort darauf ist einerseits klassisch: Die Recherche und Überprüfung, die Auswahl, die Einordnung, die Aufbereitung der Nachricht. Journalistisches Handwerkszeug ist angesichts der Nachrichtenflut, der Welt der Blogs und Tweets hilfreich. In der crossmedialen Welt kommt es allerdings nicht nur darauf an, dem journalistischen Qualitätsanspruch inhaltlich zu entsprechen. Zusätzlich geht es auch darum, nicht nur inhaltlichen, sondern auch organisatorischen und technischen Aspekten Rechnung zu tragen. Text, Bild, Audio und Video: alle Nachrichteninhalte sowie weiterführende Links müssen auf diverse Distributionsmedien verteilt, entsprechend angepasst und zueinander in Beziehung gesetzt werden. So mischen sich die Präsentationsformen immer mehr, Distributionsmedien und Nutzungsmedien entwickeln sich auseinander. Die kombinierten Nutzungsmöglichkeiten von Nachrichteninhalten stellen besondere Anforderungen an die Medienunternehmen. Sie müssen in der Lage sein, ihre Inhalte immer schneller generieren, aufbereiten und verteilen können.
Einige Medienunternehmen, darunter viele Nischenanbieter, sind erst in dieser multi- und crossmedialen Welt entstanden. Sie haben sich bereits für ihre Bereiche grundsätzlich aufgestellt und müssen ihr Angebot »nur« noch erweitern oder anpassen. Viele traditionelle Sender stehen hingegen vor großen, ganz neuen Aufgaben und Herausforderungen. Das betrifft vor allem jene, die zwar bereits mehrere Medien bedienen, bei denen aber bislang redaktionelle und technische Grenzen zwischen diesen Medien bestehen, die über viele Jahre entstanden sind. Hier müssen nun sowohl im organisatorischen, technischen wie auch im personellen Bereich neue Wege der Zusammenarbeit gefunden werden. Arbeitsmittel und Arbeitsabläufe müssen neu eingeführt oder umgestaltet werden. Vor allem aber müssen die Mitarbeiter den Weg in die crossmediale Produktionsweise aktiv unterstützen. Das dürfte für viele Sender zu einer der größten Herausforderungen überhaupt werden.
Crossmediale Produktion in der aktuellen Berichterstattung
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer modernen, aktuellen Produktionsweise ist die Einrichtung gemeinsamer Planungs- und Produktionsplattformen. Diese Plattformen sollen von Redaktionen genutzt werden, die
• oft gleiche Themen planen und produzieren.
• auf gemeinsames Material zugreifen müssen.
• generell den Anforderungen aktueller Produktionen unterliegen.
Die Programminhalte können unabhängig vom Distributionsmedium ganz unterschiedliche Bereiche abdecken und klassische Nachrichtenformate ebenso bedienen, wie aktuelle und semiaktuelle Magazine und selbst die Bereiche Sport oder Wirtschaft.
Um solche gemeinsamen Planungs- und Produktionsplattformen schaffen und Redaktionen vernetzen zu können, müssen zunächst technische Möglichkeiten geprüft und Konzepte entwickelt werden, die darauf eingehen, wie die Planungs- und Arbeitsabläufe künftig aussehen und etabliert werden können.
Das klassische Web-Layout oder der lineare Sendeablauf stehen nicht mehr im Vordergrund. Ihren Platz können standardisierte crossmediale Storyboards über mehrere Produktions- und Verbreitungswege einnehmen, aus deren Inhalt sich auch Produktionsanforderungen ableiten lassen.
Produzieren heißt also: Informationen besorgen und aufbereiten. Der Content in einer crossmedialen Welt muss für die verschiedenen Distributionswege und deren Verknüpfungen komponiert werden. Das Ergebnis kann nicht nur aus verschiedenen Beiträgen für unterschiedliche Medien bestehen. Es kann auch eine speziell aufbereitete Komposition aus Informationen und deren verlinkten publizistischen Darstellungsmöglichkeiten sein. Dabei ist es wichtig, Regeln festzulegen, wie diese Beiträge miteinander interagieren sollen. Das gilt besonders für Social TV. Hier wird mit der neuen Möglichkeit der Kommunikation zwischen Rezipient und Medienschaffenden gearbeitet, bei dem die Interaktion gleichberechtigt neben den Informationsinhalten steht.
Crossmedialität beginnt in der Planung
Entscheidend ist, dass die crossmediale Aufbereitung eines Themas schon am Beginn der Prozesskette berücksichtigt wird. Themenzentriert oder »story-centric« zu planen, ist dabei unerlässlich. Die Planung sollte sich aus diesem Grund künftig nicht mehr in erster Linie auf Sendungen oder Seiten konzentrieren, sondern format- und medienübergreifend stattfinden. Das ist ein zentraler Aspekt. Ausgangspunkt ist dabei das Thema mit seinen verschiedenen Herstellungs- und Publikationsmöglichkeiten. Mit der Planung eines Themas muss aber auch entschieden werden, wie die verschiedenen Kanäle interagieren sollen. Bei manchen Sendern gilt die Direktive »Online first«. Das ist ein erster Versuch, der bisher starren Aufteilung beizukommen, doch dieser Versuch ist meist nicht ausreichend.
Die Entscheidung, welche Medien in welcher Kombination bedient werden, beeinflusst auch die Entscheidung, welche Produktionswege beschritten, welche Produktionsmittel eingesetzt und wie Synergien sinnvoll genutzt werden sollen.
Crossmediale Planung ist ein rollierender Prozess. Zunächst wird ein Thema angelegt. Alle zugehörigen Informationen können darauf bezogen, zentral im Planungssystem erfasst und verlinkt werden. Es gibt beispielsweise Verbindungen zu Essenzen (Rohmaterialien und fertige Beiträge), zu Ablaufplänen und Layout-Vorlagen, zu Zusatzinformationen und zur Produktionsplanung.
In einer crossmedialen Planung ist für alle ersichtlich, für welche Medien welche Beiträge geplant sind, welches Material dafür generiert werden soll, oder wo es bereits zur Verfügung steht und welche Zusatzinformationen vorhanden sind.
Im Zusammenspiel mit Produktions- und Asset-Management-Systemen
• wird ein umfassender Überblick geschaffen.
• kann direkt auf das Material zugegriffen werden.
• kann der jeweilige Status von Essenzen nachverfolgt werden.
• sind Zusatz- und Hintergrundinformationen zentral abrufbar.
• kann die Disposition der Produktionsmittel zentral angebunden werden.
Rechtemanagement: Voraussetzung für gute Planung
Mit einer zentralen Planung können Synergie-Möglichkeiten in allen Bereichen transparent gemacht werden. Voraussetzung ist ein umfassendes Rechtemanagement (Zugriffs- und Verbreitungsrechte) und ein übergreifendes inhaltliches Management. Die Absprachen zwischen den Redaktionen und Dispositionen auf Basis der Planung müssen nach bestimmten Regeln und Vorgaben funktionieren.
Ein zentrales, crossmediales Planungssystem sammelt Informationen, stellt sie zur Verfügung, hinterlegt Planungen im Zusammenspiel mit den Produktionssystemen und stößt Prozesse an.
Die wichtigsten Aufgaben im Überblick:
• Sammeln aller redaktionellen Daten und Metadaten.
• Planung von Beiträgen für alle Verbreitungsformen.
• Planung von Produktion und Postproduktion (externe Transfers, Teams, Ingest- Planung). Hier kann auch ein Datenaustausch mit Dispositionstools erfolgen.
• Planung und Steuerung von Sendungsabläufen im Zusammenspiel mit Ausspielsystemen.
• Planung der Distributionswege. Beiträge werden hier einer oder mehreren Senken zugeordnet. Informationen, die von den Produktionssystemen übernommen und entsprechend weiterverarbeitet werden (z.B. ein linearer Beitrag, der auch für Online freigegeben ist, wird vom jeweiligen Produktionssystem in das entsprechende Format gewandelt und exportiert oder ans Transcoding übergeben).
• Anstoßen von Transfer-Prozessen.
Aus redaktioneller Sicht sind die zentralen und steuernden Komponenten in einem crossmedialen Workflow nicht die technischen Produktionssysteme, sondern die eigentliche Planung und das Prozessmanagement. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass die zentrale Steuerungseinheit nicht zwingend aus einem Redaktionssystem hervorgehen muss – sondern davon abgekoppelt eingesetzt werden kann: So können etwa Portallösungen mit Recherche- und Workflow-Tools Möglichkeiten bieten, mehrere Anforderungen und Quellen im Planungs- und Produktionsprozess darzustellen und zu verwalten. Die NRCS können dann ähnlich wie die Produktionssysteme auf Herstellungsseite besondere Aufgaben übernehmen, etwa die Ablaufplanung oder die Webseiten-Gestaltung.
Vernetzung von Planung, Asset-Management und Produktion
Im Planungs-Tool fließen auf der einen Seite alle Informationen für alle Nutzer zusammen – gestaffelt nach User-Rechten. Auf der anderen Seite muss ein komplexes System aus Postproduktions- und Distributionssystemen die Essenzen nicht nur verwalten, sondern auch verteilen. Der Vorteil: Die Spezialisten-Plattformen mit ihren ausgereiften Tools für Postproduktion und Distribution bleiben erhalten.
Der Austausch von Informationen und Essenzen über die redaktionellen und medialen Grenzen hinweg, wird zentral und übersichtlich mit Hilfe von Systemen verwaltet, die für die Journalisten schon heute zum redaktionellen Handwerkszeug gehören.
Ist der Beitrag, das Thema oder die Sendung geplant, kann der Journalist mit seiner Arbeit loslegen. Doch was bedeutet das? Wieder kommt das Planungs-Tool ins Spiel. Gegebenenfalls müssen mehrere User ihre Recherche- und Produktionsergebnisse dem Planungsobjekt zugeordnet speichern können. Dazu kommt das produzierte Material.
Ein crossmediales Planungssystem kann die Essenzen, also die Inhalte, auf den einzelnen Produktions- und Zuliefersystemen darstellen: Beispielsweise über direkte Verlinkungen zu den einzelnen Systemen oder über ein zentrales Asset- Management-System, das dann auch die Materialströme regelt. Befindet sich das Material auf der Produktionsplattform, die für den User direkt zugänglich ist, kann er sofort mit dem Bearbeiten beginnen.
Dann müssen die verschiedenen Beiträge in den verschiedenen Distributionsmedien positioniert und verknüpft werden. Dazu kommt in der Aktualität, dass dieser Prozess rollierend ist und nicht linear abläuft. Einen Redaktionsschluss gibt es nur für die einzelnen Beiträge: Nämlich dann, wenn sie distribuiert werden. Das Thema selbst aber kennt keinen Redaktionsschluss mehr.
IT in der Beitragsproduktion
Eine moderne, crossmediale Produktion stellt besondere Anforderungen an ihre Werkzeuge. Diese Anforderungen lassen sich mit folgenden Schlagworten zusammenfassen:
• Transparenz/Vernetzung
• Modularisierung/Architektur
• Standardisierung
Die Vernetzung der einzelnen Anwendungen ist dabei eines der Kernthemen, das die Technik im Produktionsprozess lösen muss. Dieses Thema hat zwei wesentliche Komponenten: einmal die Frage der Schnittstellen zwischen den Systemen, zum anderen die Frage der Datentransparenz.
Die crossmediale Produktion erfordert Datentransparenz und markiert damit auch das nahende Ende voneinander unabhängiger Content-Management-Systeme (CMS), die bisher oft getrennt nach Internet, Radio und Fernsehen arbeiten. Will man Themen auf verschiedenen Kanälen bearbeiten und auswerten, müssen die CMS mindestens miteinander kommunizieren.
Herausforderung Metadaten
Eine moderne Prämisse von Medienunternehmen lautet: Jegliches Material, das generiert wird, ist hauseigenes Vermögen und soll so schnell wie möglich allen Redaktionen zur Verfügung stehen. Dabei muss man aber immer berücksichtigen, dass Verwendungsrechte eine immer größere Rolle spielen: So kann etwa bestimmtes Material sehr sensibel bezüglich der Auswertung sein, deshalb müssen Personen und Informationen geschützt werden können. Auch die medienspezifischen Verbreitungsrechte werden immer komplexer, Material muss bis auf die kleinste Einheit mit Rechteinformationen versehen werden können – das ist eine Herausforderung der besonderen Art.
Den Metadaten, die den Content begleiten, kommt in der crossmedialen Produktion also eine zentrale Rolle zu. Sie sichern die schnelle Auffindbarkeit und klare Zuordnung des Contents im Geschäftsprozess.
Mindestens ebenso viel Bedeutung kommt den Schnittstellen zu. In diesem Feld bieten die Hersteller ihren Kunden eigentlich nur zwei Lösungen: entweder der Kunde entscheidet sich für ein in sich abgestimmtes System eines einzigen Herstellers oder er versucht, die unterschiedlichen Anwendungen verschiedener Hersteller mit allen Schnittstellen zu verheiraten.
Die erste Lösung bietet dem Kunden zwar ein in sich weitgehend funktionsfähiges System, birgt aber gleichzeitig auch das Risiko, vollständig von einem einzigen Anbieter abhängig zu sein.
Die zweite Lösung wiederum mag für den Kunden viele unterschiedliche Anforderungen abdecken, lässt ihn aber mit einer unüberschaubaren Vielfalt von Schnittstellen in unterschiedlichen Technologien zurück. Spätestens bei größeren Release-Wechseln von zentralen Anwendungen führt das in aller Regel zu erheblichen Mehrkosten – und in Einzelfällen sogar dazu, dass die gewohnten Arbeitsabläufe nicht mehr realisiert werden können. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte eine vielversprechender Architektur-Ansatz sein.
Schließlich sollte auch das Thema der Standardisierung wieder in den Vordergrund rücken, denn sie sollte auf mehreren Ebenen erfolgen:
Die erste Ebene ist die der Standardisierung für den Nutzer. Für die Recherche ist es noch akzeptabel, dass diese in verschiedenen Systemen, bei mehreren Agenturen und im Internet erfolgt. Wenn es aber darum geht, Rechercheergebnisse zu sammeln, muss dies für den Nutzer unter einer einheitlichen Oberfläche geschehen, gleichgültig, ob er in einer Internet- oder Fernsehredaktion sitzt.
Auch bei der Erstellung des Beitrags, wenn mit den Produktionssystemen gearbeitet wird, muss es zu einer Standardisierung kommen. Das betrifft sowohl die geplante Wahl der Produktionsweise – also die Regelung, welche Beiträge mit welchem Aufwand wie produziert werden – als auch die jeweiligen Systeme selbst.
Auf der Nutzerebene sollten die Produkte in jedem Fall den Ansprüchen der jeweiligen Arbeitsabläufe und der daraus entstehenden Use-Cases gerecht werden. Die Produktionssysteme sind nicht mehr nur für Fachleute da, sondern müssen für die jeweiligen Benutzergruppen an die gewünschten Prozesse angepasst sein.
Usability ist hier wichtig: Die Bedienbarkeit muss an den einfachsten Ansprüchen orientiert sein. Das System muss nach den Ansprüchen der Benutzer abgestuft sein. Es darf keine Medienbrüche geben. Schnelligkeit in der Produktion und Distribution ist dafür eine Voraussetzung.
Der zweite Grund, warum Standardisierung notwendig ist, sind die Kosten des technischen Betriebs, die man natürlich in Grenzen halten will. Die Zeiten, in denen man sich für ein und dieselbe Aufgabe verschiedene Systeme leisten konnte, sind vorbei.
Nicht nur die Skaleneffekte bei der Anschaffung, sondern auch der Personalaufwand für eine Diversifizierung der Systeme und deren Wartung sind kostenintensiv. Gerade in der Aktualität werden heute teilweise teure Produktionssysteme eingesetzt, die eigentlich für einen High-End-User konzipiert sind, das gilt besonders für das Fernsehen.
Aktueller Journalismus im crossmedialen Prozess
Besonders für die Journalisten finden im crossmedialen Umfeld starke Veränderungen ihrer Aufgaben und Tätigkeiten statt. Sie müssen immer mehr Schritte im Produktionsprozess selbst ausführen, zusätzlich zentrale Planungsszenarien berücksichtigen und dabei in manchen Situationen auch noch für mehrere Distributionswege arbeiten. Darunter sollte aber natürlich die originäre journalistische Arbeit, der kreative Prozess, nicht leiden. Das ist ein hoher Anspruch, dessen Umsetzung sich im Produktionsalltag nicht immer halten lässt.
Im besten Fall sollten durch die neue Technik neue Möglichkeiten und einfachere Arbeitsabläufe geschaffen werden. Gerade in der aktuellen Produktion ist Zeitersparnis ein wichtiger Punkt, außerdem die Möglichkeit, parallel zu arbeiten. Die Technik muss außerdem einfach zu erlernen und zu beherrschen sein, als sprichwörtlicher »digitaler Bleistift« des Journalisten. Bei der Konzeption der neuen Prozesse und der Planung der eingesetzten Technik ist es darum unabdingbar, bei den redaktionellen Bedürfnissen anzusetzen. Die Journalisten müssen eingebunden sein, denn sie sind die eigentlichen Auftraggeber.
Es gilt, Insellösungen zu überwinden, sowie Produktionsplattformen und die Materialströme dazwischen an die Bedürfnisse der aktuellen Produktion der jeweiligen Medien noch besser anzupassen. Journalisten müssen über Instrumente verfügen, die es ihnen ermöglichen, einen zentralen Überblick zu behalten und die nötigen Prozesse zu bestimmen. Crossmedialität im aktuellen Bereich steht auf zwei Säulen. Die eine ist die zentrale Planung, die andere die technische Unterstützung der Arbeitsabläufe.
Die IT muss Journalisten und Mitarbeitern des Betriebs adäquate Werkzeuge zur Verfügung stellen, die deren Arbeitsabläufe optimal unterstützen und sich flexibel neuen Anforderungen anpassen. Dies wird nach unserer Einschätzung am besten erreicht, wenn die übergeordneten Kriterien wie Standardisierung, Modularisierung, horizontale Architektur, Transparenz und Verknüpfung während des Systemdesigns optimal auf einander abgestimmt werden.
Für Crossmedialität müssen redaktionelle Teamkonzepte neu definiert werden, unabhängig von Medium und Redaktionsschluss. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Journalist – quasi heimatlos – gleichzeitig für alle Kanäle und deren Verbreitungsformen produzieren soll. Es bedeutet, dass vom Thema ausgehend, redaktionell sinnvolle Synergien bei Produktion und Postproduktion gebildet und genutzt werden können. Ein übergreifendes, inhaltliches und technisches Content-Management muss diesen Ansatz unterstützen. Organisatorisch kann dies in einer übergreifenden aktuellen Planungsredaktion abgebildet werden. Zentrale, lokale oder auch virtuelle Newsrooms können die Planungs-Absprachen zwischen den redaktionell Verantwortlichen institutionalisieren.
Wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, müssen die Journalisten und alle anderen Mitarbeiter, die an einer crossmedialen Produktion beteiligt sind, die neuen Werkzeuge auch beherrschen und die neuen inhaltlichen Notwendigkeiten und technischen Möglichkeiten kennen und kennenlernen.
Das kann nur dann erreicht werden, wenn die Nutzer am Entstehungsprozess dieser neuen digitalen Welt in der aktuellen Berichterstattung aktiv und verantwortlich beteiligt sind. Denn die eigentliche Herausforderung besteht darin, den Wandel in der Technik zusammen mit dem Wandel in den Köpfen zu vollziehen.
ESB und SOA als Lösung für Schnittstellen-Probleme
Die Industrie hat für die Probleme mit den Schnittstellen eine Lösung hervorgebracht: den Enterprise Service Bus, kurz ESB. Der Begriff beschreibt in der IT einen Datenbus, der in einem Netzwerk unternehmensweit bestimmte Services zur Verfügung stellt.
Ein ESB ist in der Regel Bestandteil einer übergreifenden Gesamtarchitektur, die als serviceorientierte Architektur, kurz SOA, bezeichnet wird. Hierunter versteht man eine geordnete Gesamtarchitektur für das Zusammenspiel von Geschäftsprozessen und IT.
Die Implementierung von Diensten wird dabei so vorgenommen, dass es keine unstrukturierte Verzahnung von »Umsystemen« untereinander gibt. Der gesamte Austausch von Informationen (Metadaten und Essenzen) erfolgt immer über standardisierte Schnittstellen und zentrale Datenbusse. Ein wesentlicher Vorteil dieser Architektur besteht unter anderem darin, dass Umsysteme – in unserem Fall etwa Produktionsplattformen – ausgetauscht werden können, ohne dass das Gesamtsystem davon in Mitleidenschaft gezogen wird.
Auch für die Normierung der Metadaten aller am Produktionsprozess beteiligten Systeme, kann der Bus eine zentrale Rolle spielen. Dieser Bus kann über standardisierte Metadatenobjekte (etwa in Form von BMF-Elementen) verfügen. Beim Austausch von Metadaten von einem Umsystem zum Bus werden die proprietären Metadaten des Umsystems in standardisierte Objekte übersetzt. Umgekehrt werden standardisierte Metadatenobjekte bei der Übertragung in ein Umsystem in die entsprechenden proprietären Metadatenobjekte übersetzt.
Mit dieser Architektur kann das Thema Modularisierung weit nach vorne getrieben werden, allerdings muss sie auch mit Augenmaß betrieben werden. Studien aus anderen Branchen belegen, dass eine »flächendeckende« SOA-Architektur mit höheren Kosten verbunden sein kann, als die Verbindung der einzelnen Anwendungen mittels dedizierter Schnittstellen. Deshalb kommt der FIMS-Initiative der EBU erhebliche Bedeutung zu, die versucht, die Anbindung zum ESB hin branchenspezifisch zu standardisieren.