WM-Countdown: Equipment von Studio Berlin verschickt
Das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sahen weltweit 2,4 Milliarden Menschen als Live-Übertragung im Fernsehen. Damit auch in diesem Jahr die Ansprüche dieser Gemeinde nicht enttäuscht werden, erreichen die Vorbereitungen für die TV-Berichterstattung von der Fußball-WM aus Südafrika nun ganz langsam höchste Touren. Wenn am 11. Juni 2010 in der Johannesburger Soccer City der Ball für das erste Spiel zwischen Gastgeber Südafrika und Mexiko freigegeben wird, ist auch Studio Hamburg als technischer Dienstleister vor Ort.
Der Dienstleister hatte für HBS und Fifa bereits die Spiele der WM 2006 in Berlin und Leipzig technisch ausgestattet und betreut, sowie zwei Stadien der EM 2008. In Südafrika ist Studio Berlin auch wieder auf Seiten des Host-Broadcasters mit von der Partie — als einer von nur fünf Dienstleistern. Je ein TV-Unternehmen aus England, Frankreich, Spanien und Belgien, sind zusammen mit Studio Berlin Adlershof von HBS beauftragt, die zehn WM-Stadien zu betreuen. »Wir werden von der WM 14 Spiele aus der Soccer City in Johannesburg übertragen, darunter das Eröffnungsspiel und das Finale; außerdem alle Spiele aus dem Royal-Bafokeng-Stadion in Rustenburg«, erläutert Harald Becker. »Die kreative Mannschaft — Regisseure, Kameraleute, Grafik-Operatoren — werden von der Fifa beigestellt. Wir werden wieder mit einer französischen Kamera- und Regiecrew sowie italienischen Grafikern arbeiten, mit denen wir schon sehr gut zusammengearbeitet haben.« Gemeinsam produziert dieses Team mit Technik von Studio Berlin Adlershof, das von der Fifa autorisierte Weltbild im HD-Modus 1080i50.
Diesen Multi-Feed, der schon aus verschiedenen Signalen besteht, erhalten die Lizenznehmer — in Deutschland also ARD, ZDF, RTL und Sky — und reichern ihn mit jeweils exklusiven, von eigenen Teams produzierten Bildern und Tönen an.
Container statt Ü-Wagen
»Die Situation in Südafrika ist anders als bei der WM und EM in Europa, wo wir mit Ü-Wagen zum Einsatz kamen. Dieses Mal stellt HBS die Raumsituation zur Verfügung und die technischen Dienstleister bringen ihr Equipment mit«, berichtet Becker über diese Vorgabe des Veranstalters. Alle Standorte sind im wesentlichen identisch ausgestattet. In Bereichen, wo HBS keine Pflicht-Produkte genannt hatte, mussten die Dienstleister nachweisen, dass ihre Technik die vorgegebenen Anforderungen erfüllt. »Für uns hieß das: Wir mussten investieren, weil wir die Technik unserer Übertragungswagen hier brauchen. Was nach Südafrika geht, ist also nagelneu.«
»Weil in Südafrika die Zeit vom Aufbaustart bis zur Betriebsbereitschaft knapp ist, haben wir hier in Adlershof beide Stadion-Situationen vorgebaut. Hier wurde geprüft, dass die Forderungen des Auftraggebers erfüllt werden – dass alles in der geforderten technischen Güte funktioniert.«
Um das zu sichern, wurde das Studio L in Adlershof wochenlang zur provisorischen, doppelten Technikzentrale umgemodelt. An einer Pinnwand hingen die Lagepläne der Fernseh-Compounds: mit Container-Dörfern, Stellplätzen für Übertragungswagen und Uplink-Zonen. Außerdem Stromversorgungspläne und Bauzeichnungen aller Container für Hauptkontrolle, Produktion, Technik, Besprechungsräume und weiteres.
»Labor«-Aufbau in Adlershof
Die Stadien in Johannesburg und Rustenburg trennen 112 km Fahrstrecke. Im Studio L waren es dagegen nur wenige Schritte vom Johannesburger zum Rustenburger Compound. Innerhalb der jeweiligen Testinstallationen hatte dagegen alles das richtige Maß: »Beide Raumsituationen, jeweils über zwei Etagen verteilt, haben wir hier auf 1.400 Quadratmetern untergebracht.« Dafür wurden jeweils getrennt die Abmessungen der Regie- und Technikräume beider Standorte in Originalgröße und in der richtigen Position zueinander auf dem Boden mit Klebeband markiert. Was auf den ersten Blick wie ein heilloses Chaos von Arbeitstischen, Racks und Kabeln aussah, hatte also System: Die Hardware stand in Adlershof exakt an der »richtigen« Stelle mit dem korrekten Abstand voneinander. Die Kabel, die Regiezentrale, Kamerakontroll- und Messarbeitsplätze, sowie Hauptschalträume miteinander verbinden, wurden auf die Erfordernisse am Einsatzort abgestimmt. Allein die 34 km Kabel für Bild, Ton, Kommunikation und Steuerung schlugen beim Transport mit vier Tonnen Gewicht zu Buche.
Bis zu 39 Kameras sind bei der Fußball-WM pro Spiel im Einsatz. Neben einigen Spezialkameras tragen stationäre Grass Valley-Kameras der Typen LDK-8000- und LDK-8300 (Slow-Motion) die Hauptlast der Spielberichterstattung und bei der Beobachtung ausgewählter Spieler. Besonderheiten sind eine an Seilen über dem Spielfeld schwebende Spidercam, mobile Steadicam-Systeme am Spielfeldrand und eine Helikopter-Kamera. Bildzentrale für alle Kamerasignale ist der Mischer Kayenne XL HD, ein 4-M/E-Bildmischer von Grass Valley. Für die Grass-Valley-Produkte wurde entschieden, weil das neue Equipment mit der Technik der vorhandenen HD-Übertragungswagen kompatibel sein sollte.
Racks, Bedienpulte, Monitorwände, Möbel, Kabel, Stative und vieles weitere, wurden Anfang April auf dem Seeweg nach Südafrika verschickt. Die empfindlichen Kameras, Objektive, Produktionsmischer und weitere Signalelektronik folgten 14 Tage später im Flieger. Die Voraustruppe von Studio Hamburg trifft bereits fünf Wochen vor dem Anpfiff — also dieser Tage — in Südafrika ein, um die Container zu übernehmen und den Aufbau durchzuführen. »Wir werden mit 34 Mitarbeitern unter der technischen Leitung von André Schumann vor Ort sein und unseren Anteil für die Bilder, Töne, Grafiken und das Funktionieren der Übertragungen leisten.« Die Mitarbeiter werden während der WM dann zwischen Johannesburg und Rustenburg pendeln und dabei jeweils die Kameras mitnehmen.
Millionen-Investment zur Nachnutzung
Um den Fifa/HBS-Auftrag umsetzen zu können, hat Studio Berlin 7,3 Millionen Euro investiert. »Die Technik ist zur Nachnutzung konzipiert. Wir werden nach der WM damit eine weitere HD-Festregie für unsere Studios hier am Standort bauen. Ab Anfang September wollen wir dann mit dieser HD-Regie senden«, kündigt Harald Becker an. »Die großen Show-Formate werden wir hier aber weiterhin mit Ü-Wagen bedienen. In die großen Studios stationäre Technik einzubauen, rechnet sich nicht. Schon weil während der gesamten Vorbereitung einer Produktion — etwa Dekorationsbau und Einleuchten — die Technik nur im Wege steht und kein Geld verdient. Also kommt der Ü-Wagen maßgeschneidert zum Termin, erledigt seine Aufgaben und fährt zum nächsten Einsatz.«
Fernseh-Perspektiven für den Fußball
Bei der Fußball-WM und generell in der Branche, ist Stereo-3D derzeit ein großes Thema (siehe auch NAB2010-Video von der Sony-Pressekonferenz und Video-Interview mit Peter Angell von HBS). Harald Becker kommentiert das so: »3D ist der nächste Schritt in der Medientechnik, das ist unstrittig. Die Nachfrage der Rezipienten ist da. Technisch machbar ist es, auch wenn es im Live-Betrieb neu ist.« Becker ergänzt aber: »Nicht nur die Parallaxe der beiden Kamerasysteme, auch die gleichzeitige Verarbeitung des rechten und des linken Bildes innerhalb eines Bildkanals ist technisch recht anspruchsvoll.«
Die Einführung des stereoskopischen Fernsehens wird also aus Beckers Sicht wohl noch einige Zeit dauern. Es geht nicht nur darum, die gesamte Infrastruktur von der Produktion über die Sendestrecke bis zum heimischen Fernseher aufeinander abzustimmen. Und schließlich besteht ein Fernsehprogramm nicht nur aus Sport-Highlights …
Weitere Infos
Für die Übertragung der Fußball-WM bei Sky und RTL liefert das Rental-Unternehmen Presteigne-Charter Technik nach Südafrika und stellt vor Ort technisches Personal für Installation und Betrieb bereit. Mehr dazu lesen Sie hier.