Klassik live aus Pjöngjang

Der Auftritt der New Yorker Philharmoniker in Pjöngjang wurde seit der ersten Ankündigung heftig kritisiert. Das Orchester unter Leitung von Lorin Maazel hatte sich aber auf Anfrage des nordkoreanischen Kulturministeriums entschlossen, nach dem Abschluss seiner China-Tour auch noch in Pjöngjang aufzutreten und sieht das Konzert in einer Reihe mit früheren »diplomatischen« Kassikkonzerten: 1956 hatte das Boston Symphony Orchestra die Sowjetunion besucht, 1959 folgten die New Yorker Philharmoniker, 1973 spielte das Philadelphia Orchestra in China, kurz nach dem mit Richard Nixon erstmals ein US-Präsident die Volksrepublik besucht und einen diplomatischen Kontakt eröffnet hatte.

Das Konzept, mit Kultur zur Verständigung beizutragen, stand auch beim Konzert des von Daniel Barenboim initiierten und geleiteten West-Östlichen Diwan-Orchesters in Ramallah in der Krisenregion Westjordanland Pate, das im Vorjahr stattgefunden hat.

Außerdem konnten die New Yorker Philharmoniker für ihr Konzert Bedingungen aushandeln, die verhindern sollen, dass das Konzert nur zum Privatvergnügen von Parteibonzen des stalinistischen Regimes von Nordkorea abgehalten wird. So wird das Konzert in Nordkorea vom staatlichen Fernsehen live übertragen, was als Sensation gilt: Normalerweise gibt es in Nordkorea, wo eine strenge Zensur herrscht, keine Live-Sendungen. Außerdem hatte sich das Orchester die Anwesenheit ausländischer Journalisten ausbedungen und sich versichern lassen, dass die acht Orchestermitglieder koreanischer Herkunft keine Probleme haben werden und dass das Orchester die amerikanische Hymne »Star-Spangled Banner« spielen darf.

Nachdem noch viele weitere Hürden ausgeräumt waren, die etwa auch die Anreise des Orchesters betrafen, kann das Konzert nun am Dienstag stattfinden. Die Live-Fernsehtechnik stammt aus Südkorea vom dortigen Broadcaster MBC, der an der Produktion beteiligt ist. MBC wird zudem ein Konzert des Orchesters aus Seoul übertragen, das die Philharmoniker auf dem Rückweg aus Pjöngjang ebenfalls noch anhängen.

Etliches Personal für die Live-Übertragung und die Aufzeichnung des Konzerts kommt aus Deutschland, weil es sich hierbei um eine Koproduktion der deutschen Produktionsfirma EuroArts Music im Auftrag von Arte mit dem südkoreanischen Sender MBC und dem amerikanischen Sender WNET/Channel 13 handelt. Als Regisseur wird Michael Beyer die Produktion leiten, Technischer Leiter vor Ort ist Rainer Kampe von Wireworx, für die Tonmischung ist der in Deutschland lebende Holländer Toine Mertens verantwortlich. Produzenten sind Paul Smaczny und Thomas Baer.

Tom Baer von EuroArts sagte englischsprachigen Medien, dass die Produktion außerordentlich kompliziert sei: »Wir müssen eine erstklassige Übertragung aus einem Land realisieren, das keine Infrastruktur in unserem Arbeitsumfeld bietet. Das gesamte Equipment, bis hin zu den Generatoren und den Kabeln, muss aus Südkorea in das Land gebracht werden. Man kann in Pjöngjang auch nicht einfach zu einem Verleiher gehen und ein Objektiv anmieten.« Die nordkoreanischen Regierungsoffiziellen hätten sich aber sehr kooperativ gezeigt.

Ort der Veranstaltung ist das »East Pyongyang Grand Theatre«, das für das Konzert noch in akustischer Hinsicht verbessert wurde. Zur Aufführung sollen unter anderem Werke von Richard Wagner (Präludium des dritten Akts von »Lohengrin«), Antonín Dvorák (Symphony No. 9 »Aus der neuen Welt«), George Gershwin (»Ein Amerikaner in Paris«) und Leonard Bernstein kommen.

Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-il hat sich nach Meldungen in asiatischen Medien als Konzertbesucher angekündigt. Nun wird erwartet, dass auch ein hochrangiges Mitglied der US-Regierung das Konzert besuchen wird. Es ist Rede davon, dass es sich hierbei eventuell sogar um Condoleezza Rice handeln könne, die derzeit in Asien unterwegs ist.

Das Konzert soll am 26.2.2008 abends in Pjöngjang stattfinden und live in Nordkorea ausgestrahlt werden, wo allerdings — soweit bekannt — nur sehr wenige Privathaushalte ein TV-Gerät besitzen. Arte in Europa und WNET in den USA werden die Aufzeichnung dann jeweils in ihrem Abendprogramm ausstrahlen. Zwei Tage später soll das Konzert in den USA dann landesweit zu sehen sein: bei den Sendern ABC und PBS.