Report, Top-Story: 13.10.2005

Heimatfilm in HDV: Cinemascope-Produktion Fläming

Heidi auf grüner Alm und Geyerwally im ewig rauschenden Silberwald stempelten in den 50er Jahren den »Heimatfilm« zur Flachbildfolge. Jetzt, ein halbes Jahrhundert später, ist es wieder Zeit, Heimat ins Kino zu bringen. Das meinen jedenfalls Regisseur Pepe Planitzer, Autor Oliver Bukowski und Produzentin Annekatrin Hendel, die mit »Fläming« einen Low-Budget-Film in Cinemascope auf HDV drehen. (PDF-Version des Artikels am Textende).

Eines der Probleme auf dem Weg zu einem »richtigen« Heimatfilm könnte darin bestehen, dass im Fläming, einem südbrandenburgischen Höhenzug, allenfalls die Historie röhrt, bestimmt aber kein Hirsch. »Fläming« lautet der Titel des abendfüllenden Kinospielfilmes (nach Motiven des Oliver-Bukowski-Stückes »Burnout«), der im August und September 2005 in dieser Region gedreht wurde. Ein Film, der wegen des angeblich überstrapazierten Settings im Osten keine Marktchance habe, urteilte das Medienboard Berlin-Brandenburg.

Aber gerade aus dem »Zufall« des Handlungsortes im Osten werde der Film seine soziale Genauigkeit und seine Universalität beziehen, argumentiert die Produzentin Hendel. So gehen die Filmemacher in die cineastische Revision. »Fläming« sei ja nicht der erste Film der letzten Zeit, dessen Chancen von den Förderern fehleingeschätzt wurde, meint Annekatrin Hendel und erinnert an »Muxmäuschenstill« oder »Die fetten Jahre sind vorbei«. Chancen sieht man auch beim Verleih Neue Visionen, der nach Sichtung erster Muster das Marktpotenzial positiv einschätzte, berichtet Hendel.

Statt der tarifgemäß notwendigen 1,5 Millionen Euro, muss Hendel also den Film nun nicht mit dem Notbudget von 750.000 Euro, sondern mit dem No-Budget von 60.000 Euro durchziehen. »Und die haben wir auch nicht.«. Also arbeiten alle, neben den genannten unter anderem die Schauspieler Marie Gruber, Simone Frost, Milan Peschel und Eberhard Kirchberg »für lau«.

»Fläming« soll ein Heimatfilm werden. »Ein moderner deutscher Heimatfilm«, so Hendel. Und zwar einer, der mit Humor und Hoffnung über ausweglose Situationen, Freundschaft und Liebe erzählt. Und einer, der da entsteht und handelt, wo sich die Macher auskennen und das ist eben im Osten.

Konkret gedreht wird im Ort Altes Lager bei Jüterbog in Brandenburg. Dort behinderten vor der Wende die Kasernenmauern der Sowjetarmee den Weitblick. Zwischen Ruinenabschnitten Marke »Roter Stern« scheinen heute sanierte Wohnungen und unvermietete Geschäfte das Brandenburger Heimatbild zu bestimmen.

Angesichts der Budget-Situation entschied sich Kameramann Uwe Mann für eine interessante technische Kombination und orderte zum HDV-Camcorder HVR-Z1E von Sony (einen Test finden Sie hier) nicht nur den bekannten P+S-Adapter, sondern noch einen Satz Cinemascope-Optiken. Die »Kreuzung zwischen der Mücke Kamera und dem Elefanten Objektiv« nennt Annekatrin Hendel das ästhetisch-technische Experiment. Eingesetzt hat Uwe Mann ein Set Cinemascope-Objektive des Typs Speedstar Anamorphic von Joe Dunton (35 / 50 / 85 mm).

»Für mich ist nicht nur der Bereich der Schärfe wichtig, sondern auch der der Unschärfe«, erläutert Uwe Mann sein Arbeitsprinzip und kritisiert die auf technische Parameter getrimmten Video-Optiken: Die an Nachrichtenproduktion und Homevideo orientierte Geräte-Philosophie lasse eine eigene ästhetischen Kategorie entstehen. Und die hat »mit dem Kinofilm nicht mehr so viel gemein. Das Bild ist nur scharf, nicht mehr schön«.

Dieser Dominanz der Technik über den Look will Uwe Mann mit seiner Cinemascope-Entscheidung entgegenarbeiten. »Bei Cinemascope verringert sich die Schärfentiefe. Der Reiz eines Scope-Objektives ist, dass die unscharfen Bereiche charmant aussehen.«

Zumindest in den unscharfen Bildbereichen, so Uwe Manns Erfahrung, sei der Faktor, mit dem MPEG-2 arbeitet, geringer. Damit sinke auch die Gefahr von Kompressionsartefakten. Die Scope-Optiken bringen aus Sicht Manns einen weiteren nützlichen Effekt mit sich: Für die Aufzeichnung wird das Bild optisch mit einem Anamorphoten im Verhältnis 1:2 gestaucht. So wird die im Camcorder verfügbare horizontale Auflösung optimal für die breite Leinwand genutzt.

Gemeinsam mit dem Koproduzenten und Postproduction-Dienstleister Koppfilm (Berlin) wurde der Workflow getestet. Praktisches Ergebnis: die Daten werden via Firewire-Anschluss des Camcorders ins Bearbeitungssystem überspielt und dort geschnitten. Für den letzten Schritt zur Farbbearbeitung/ Ausspielung wird das Material dann noch einmal über den analogen RGB-Ausgang überspielt.

Es sei »erstaunlich, wie gering der Verlust ist«, berichtet Uwe Mann. »HDV ist in der Post intoleranter« als andere Digitalformate, setzt er fort. So warnt er vor der »Halbwahrheit, mit Video einen geringeren Aufwand zu haben. Wenn man einmal angefangen hat, billig zu arbeiten, rutscht das Projekt ab«. Also müsse der Kameramann dafür sorgen, »den Aufwand in der Post so gering wie möglich zu halten«. Diese Übernahme von Verantwortung kann die Produzentin nur freuen.

Annekatrin Hendel ist, wie der Autor und einige Schauspieler, über eine freie Theatergruppe aus Berlin mit dem örtlichen Kulturzentrum »Das Haus« und dessen Publikum eng verbunden. So helfen Leute aus der Gegend im Hintergrund mit.

Da verleiht der Bürgermeister schon mal den Dorf-Transporter ans Team. Der Gemeindearbeiter baute in seiner Freizeit Requisiten aus Holz. Deren größte – das Modell einer Corvette – kann während eines Regens auf einem nahen Bauernhof sicher untergestellt werden.

Für ihr Engagement erwarten die Leute keine Bezahlung, vielleicht ist es eine Abwechslung und gut für das Selbstwertgefühl, wenn man – wie viele in der Region – zwar viel Zeit und Überlebenswillen, aber keine Arbeit hat. Auch das ist ein Ausdruck von Heimat und ein Regionaleffekt – unbezahlbar, aber durchaus förderwürdig.

Downloads zum Artikel:

T_1005_Flaeming.pdf

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