Generalprobe gelungen
Der Confederations Cup galt als Probelauf für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Entsprechend wurde der Confed Cup komplett in HD produziert – und kann jetzt im Rückblick als erfolgreiche Premiere für die HD-Produktion der Fußball-WM im kommenden Jahr gelten. (PDF-Download des Beitrags mit zusätzlichen Informationen am Ende des Textes.)
Wenn Ballartisten wie entfesselt Fußball spielen, das runde Leder kunst- und kraftvoll ins Netz befördern, wenn die Stimmung im Stadion kocht, dann begeistert das auch die Fans an den TV-Geräten in der ganzen Welt.
Fußball hat sich über alle Grenzen hinweg zum weltweiten TV-Quotenschlager Nummer 1 entwickelt. Kein Wunder also, dass Fußball mittlerweile so aufwändig wie keine andere Sportart produziert wird.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr will der Veranstalter ein Zeichen setzen: Die von der Fifa mit Planung und Durchführung der technischen Seite der TV-Übertragung beauftragte Firma Host Broadcasting Services (HBS) hat sich entschieden, die WM 2006 in HD und 16:9 zu produzieren. Da bot der Confederations Cup in diesem Jahr die optimale Gelegenheit für einen ausführlichen Testlauf des neuen Produktionsstandards. www.film-tv-video.de war vor Ort.
PRODUKTION
HBS produzierte das Weltbild des Confederations Cups und wird auch im kommenden Jahr bei der WM diesen Part übernehmen und dazu auch zahlreiche Subunternehmer beauftragen. Den Confed Cup nutzte das Produktionsunternehmen als HD-Testlauf und setzte bei jedem der Spiele 15 HD-Kameras ein. Das sind 10 Kameras weniger, als für die WM im kommenden Jahr geplant sind: Dort will HBS bei jedem Spiel 25 HD-Kameras einsetzen, um spannende Bilder vom Spielverlauf, einzelnen Spielern, Trainern und Stadien zu liefern. »Mit 15 Kameras hatten wir beim Confed Cup zwar deutlich weniger Kameras im Einsatz als bei der WM im kommenden Jahr, aber in diesem Jahr ging es für uns darum, die prinzipielle Produktionsweise zu testen und zu etablieren. Dabei haben wir durchgängig in HD produziert«, erläutert Franis Tellier, CEO von HBS, und ergänzt, dass auch die Super-Slomo-Kameras schon HD-Bilder lieferten.
Beim Confed Cup wurde das HD-Signal am Ende jedoch wieder in ein SD-Signal konvertiert, das die Sender dann auch so ausstrahlten. Zur WM werden die Broadcaster dann mehr Auswahl haben: So können sich die Broadcaster beim Extended Stadium Feed (ESF, siehe Kasten) auch für ein HD-Signal entscheiden. Dominik Schmid, Executive Director des Sportrechte-Vermarkters Infront, merkt hierzu an, dass darauf die HD-Länder Japan, Korea und USA und auch einige europäische Pay-TV-Anbieter zurückgreifen werden. In den vergangenen Monaten hat laut Schmid aber auch das Interesse für HD von anderer Seite zugenommen. So beschäftige sich etwa die britische BBC ernsthaft mit HD, und auch Mexiko habe Interesse an HD angemeldet.
Der Großteil der beteiligten Sender wird sich bei der WM 2006 allerdings für ein SD-Signal in 4:3 entscheiden. In rund 200 Ländern sollen die Fußballspiele mit Kommentar in eigener Sprache ausgestrahlt werden. HBS-Chef Tellier glaubt, dass auch die SD-Länder von der Produktion in HD profitieren werden, denn dank der HD-Produktion stehe am Ende auch ein qualitativ hochwertigeres und besseres SD-Signal zur Verfügung, als es bei der SD-Produktion der Fall wäre.
In puncto Formatwahl gibt es für die Sender ebenfalls mehrere Optionen: So können die Sender, die sich fürs SD-Format entscheiden, zwischen zwei Optionen wählen: einem Letterbox-Bild mit schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand oder einem »Pillarbox-Bild«, das rechts und links beschnitten wird. Selbst Sonderwünsche wie 14:9 mit schmaleren Balken sollen ermöglicht werden. Sender, die sich wie ARD und ZDF für 16:9-Letterbox entschieden haben, oder erst noch entscheiden, stellen ihren Zuschauern das »komplette« Produktionsbild zur Verfügung.
HBS-Chef Francis Tellier verschweigt bei der Formatdiskussion nicht, dass die Produktion der WM für die Kameraleute keine ganz einfache Aufgabe ist: Sie müssen 16:9 Bilder einfangen, sollen dabei aber den 4:3-Ausschnitt berücksichtigen – denn auch wenn HBS in 16:9 und HD produziert, wird die Mehrzahl der internationalen Sender ein 4:3-Signal verwenden. Alle spielentscheidenden Szenen müssen also innerhalb dieses 4:3-Ausschnitts stattfinden- – die Kameraleute werden auf Ihrem Monitor daher auch einen 4:3-Cache sehen. Auch die Grafiken sollen innerhalb dieses 4:3-Ausschnitts platziert werden, ebenso grafische Spielanalysen. Soweit die Theorie: Bei den Grafiken klappt das wahrscheinlich realtiv problemlos, beim Spielgeschehen darf man gespannt sein. Die Entscheidung von ARD und ZDF für das von der HBS gewählte 16:9-Seitenverhältnis ist hierbei zweifellos die sicherere Miete, denn es geht ja nicht nur um die Kameraeinstellungen, sondern auch um die Arbeit am Bildmischer. Dort wird garantiert mit 16:9-Bildern gearbeitet – und das wird man den Bildfolgen auch ansehen.
Die Entscheidung von ARD und ZDF wurde in der Branche auch deshalb sehr positiv aufgenommen, weil sie letztlich als wichtiger Markstein für die Einführung von HD in Deutschland gilt. Außerdem machen es die Sender damit auch ihren eigenen Kameraleuten, Bildregisseuren und Mischer-Operatoren leichter, denn ARD und ZDF werden, wie andere Broadcaster auch, die multilateralen Feeds der HBS mit eigenen Kamerabildern ergänzen. Die Konsistenz in der Bildgestaltung ist mit Sicherheit einfacher zu erreichen, wenn alles durchgängig im gleichen Seitenverhältnis produziert wird.
BESONDERHEITEN DER PRODUKTION
Den Confed Cup realisierte HBS mit den HD-Ü-Wagen-Dienstleistern Mediapro aus Spanien und Visions aus England. Bei der WM im kommenden Jahr wird sich HBS zusätzlich noch auf vier weitere erfahrene Sport-TV-Dienstleister verlassen: Neben den deutschen Ü-Wagen-Betreibern Studio Berlin und Wige werden die beiden französischen Dienstleister Visual TV und VCS mit von der Partie sein.
Francis Tellier von HBS gab während des Confed Cups bekannt, dass man die 64 Spiele der WM mit »Dreamteam«-Camera-Teams und sechs erfahrenen Bild-Regisseuren realisieren werde, die alle schon mehrere Top-Fußball-Events realisiert hätten und zum Großteil schon bei der WM in Korea und Japan mit dabei gewesen seien.
Aus England gehören John Watts und Jamie Oakfoard, der das Endspiel des Confederations Cup verantwortete, zum Team, aus Frankreich Francois Lanaud und Francois-Charles Bideaux. Aus Deutschland wird Wolfgang Straub mit dabei sein, der schon bei der WM in Japan und Korea mitgearbeitet hatte und der unter anderem für Sat.1 die Bundesliga, für RTL die Champions-League und für die ARD etliche Spiele der Nationalmannschaft realisierte. Neu im Team ist Knut Fleischmann aus Deutschland. Er hat als Bildregisseur ebenfalls schon zahllose Bundesligaspiele für ARD, Sat.1 und Premiere produziert, ebenso Champions-League-Spiele für Sat.1 und Premiere und den DFB-Pokal für die ARD.
Bei der Produktion der WM-Spiele können die sechs Bild-Regisseure mit ihren eigenen eingespielten Teams arbeiten, sie müssen sich jedoch an die Vorgaben von HBS halten, um ein einheitliches Produktionsbild zu liefern. Dass beim Weltbild kein Platz für außergewöhnliche Spielereien ist, versteht sich von selbst. Deshalb müsse HBS einen vergleichsweise konservativen Bildstil einhalten, der viele Broadcaster weltweit zufrieden stelle, merkte Francis Tellier von HBS an.
Wie bei der Produktion des Confed Cups will HBS auch bei der WM im kommenden Jahr ganz generell auf ein Produktionskonzept setzen, das sich schon bei der WM in Korea/Japan bewährt hatte: Es sieht die Produktion von Basic Feeds vor (BIF, Basic International Feed), die allen Sendern zur Verfügung stehen. Zusätzlich produziert HBS noch Super Feeds, also weitere Signale unterschiedlichsten Inhalts. Diese Super Feeds stehen jenen Sendern zur Verfügung, die entsprechende Rechte erworben haben. Im Unterschied zur WM 2002, wo es die Super Feeds lediglich im Komplettpaket gab, wird es den Sendern bei der WM 2006 möglich sein, einzelne Super Feeds individuell zu ordern und zu nutzen. Das hat viele Vorteile: Kleiner Sender, die sich keine oder nur eingeschränkte eigene Berichterstattung leisten können, haben etwa dank der EBIF-Show Zugriff auf ein hochwertig produziertes Komplettprogramm. »Theoretisch können Sender von der WM eine vollwertige Berichterstattung liefern, ohne ein einziges Team nach Deutschland zur WM zu schicken«, meint Dominik Schmid, Executive Director des Vermarkters Infront. Größere Broadcaster wiederum können sich dank des Multifeed-Konzepts von HBS auf die Produktion national relevanter Beiträge konzentrieren, weil sie bei den Multifeeds schon aus einer Vielzahl hochwertiger Bilder wählen können.
Mit weiteren Services will HBS zur WM die Ansprüche der Broadcaster noch besser bedienen: So soll es eine Clip-Compilation-Channel geben, der Slow-Motion-Aufnahmen enthalten wird, die nicht in den Main-Feeds enthalten waren. Außerdem will HBS einen MediaServer realisieren, der Footage des kompetten Turniers enthält und von dem die Sender Material via Pull-Service herunter laden können. Beim Confed Cup realisierte der belgische Hersteller EVS schon einen solchen Service mit einem zentralen Server. Dieser bot 4,5 Terabyte Speicherkapazität, verfügte über je sechs Ein- und Ausgänge und speicherte folgende Feeds: Broadcast International Feed (BIF), Clean International Feed (CIF), PlayerCam-Feeds (Team A und B), Team-Feeds sowie eine Compilation der Highlights (Replay). Der Compilation-Feed wurde von einem LSM-Operator produziert, der Zugriff auf das Material hatte, das auf sechs vernetzten HD-XT-Servern von EVS zur Verfügung stand.
Das Server-Material wurde von zwei IP-Logger-Workstations aus verwaltet und verschlagwortet. Vier Operator konnten dann mit IP-Browser-Workstations auf diese Datenbank zugreifen und aus diesem Footage zusätzliches Material für Playout oder Editing zu suchen. Schon über die Browsing-Oberfläche war es dabei möglich, das Material zu trimmen und Clips zu generieren. Diese Clips ließen sich dann als SDI-Signale mit Embedded Audio in NLE-Suiten einspielen oder via Xnet zu einem Mediaserver überspielen. Eventuell notwendige File-Transfers erledigte der FlipFactory-Conversion-Engine von Telestream.
VERNETZUNG
T-Systems betrieb als Telekommunikations-Partner von HBS an den fünf Spielstätten des Confed Cups die technische Infrastruktur für die Fernsehübertragung. Die TV-Bilder für das weltweite Publikum wurden aus den Stadien via Glasfaser in das zentrale Sendezentrum am Frankfurter Waldstadion übertragen. Von dort verteilte T-Systems die Live-Bilder an die Sender aus der ganzen Welt.
Auch im kommenden Jahr bei der WM wird T-Systems die komplette Telekommunikation übernehmen und die von HBS produzierten
Nach dem erfolgreich absolvierten Confed Cup wird T-Systems seine Glasfaser-Infrastruktur in Deutschland weiter ausbauen und alle zwölf Stadien, in denen WM-Spiele stattfinden, an das schon existierende WDM-Glasfasernetz anschließen. In jedem Stadion werden 2 x 20 Gbps als Datenrate bereitstehen. Die komplette Bandbreite, die dann zur Verfügung steht, beträgt 480 Gbps, was rund 7,4 Millionen ISDN-Kanälen entspricht.
Für die Broadcaster bedeute dies, dass SD-Feeds in transparenter, also annähernd verlustfreier Qualität zur Verfügung stünden, erläutert Wilfried Bauer, Head of Project Management für die WM bei T-Systems Media & Broadcast. Er ergänzt, dass HDTV-Feeds bei der WM ebenfalls transparent (1,5 Gbps) und komprimiert (MPEG) zur Verfügung stehen sollen.
Vom IBC in München aus werden die Signale dann per Telekom Global Net, ATM Broadcast Services und Satellit an Broadcaster in der ganzen Welt verteilt.
Damit die Satelliten-Übertragung im kommenden Jahr für die Broadcaster besonders einfach wird, arbeitet T-Systems mit SES-Astra zusammen. Beide Unternehmen bündeln ihre Angebote im Service-Paket »Content Delivery Worldwide«. Es setzt sich zusammen aus Programmzuführung, Transponder-Kapazitäten sowie Uplink- und Downlink-Diensten. Damit können TV-Sender ihre Sportberichte von der Fußball-WM über das International Broadcasting Center (IBC) in München in die ganze Welt übertragen. Aber auch Bilder von anderen Schauplätzen, wie dem Brandenburger Tor, wird T-Systems so um die Welt schicken. Das Herzstück bilden dabei die Erdfunkstellen der Telekom-Tochter in Raisting und Usingen, von denen aus die Satellitenflotte von SES beschickt wird.
BLICK INS WM-JAHR
HBS und T-Systems ziehen ein erfolgreiches Resümee des Confederation Cups und freuen sich über die erfolgreiche HD-Premiere. HBS-Chef Tellier urteilt, dass die HD-Produkte mittlerweile so ausgereift seien, dass auch solche Top-Events damit realisiert werden könnten. Lediglich bei der 5.1-Tonproduktion habe man einige Hürden nehmen müssen. Aber das, so Tellier, dürfte bei einer Produktion dieser Größenordnung niemanden verwundern. Jetzt gelte es, die positive Stimmung des Confed Cups ins nächste Jahr zu tragen – und damit die Grundlagen für eine erfolgreiche Fußball-Weltmeisterschaft zu schaffen.
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