Willkommen in Deutschland
Das Auswärtige Amt ließ von Broadview TV einen Imagefilm produzieren, der Deutschland in Japan präsentieren soll. Das Color-Grading, das den Look entscheidend bestimmte, realisierte Oliver Kenneke von ACT mit einem Quantel-iQ-System. (PDF-Download am Ende des Textes).
Japan und Deutschland können auf eine lange Geschichte gegenseitiger Beziehungen zurück blicken. Um diese Verbindung auch weiterhin lebendig zu halten, hat die Bundesregierung für die Jahre 2005/2006 die Kräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zu einer gemeinsamen Präsentation unter dem Motto »Deutsch-land in Japan« aufgerufen. Dafür gab das Auswärtige Amt in Berlin einen zehnminütigen Imagefilm in Auftrag, der in Japan gezeigt werden soll. Produziert hat den Film Broadview TV (»Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte« und »Revolution on Air«). Wieder setzte das Unternehmen in der Postproduktion auf das iQ-System von Quantel. Gedreht wurde in HDCAM mit dem Sony-Camcorder HDW-F900H in
Deutschland im 10 Minuten-Porträt
Schloss Sanssouci, Weingüter am Rhein, das Frankfurter Bankenviertel – das und vieles mehr sollte im Filmporträt enthalten sein. Um dies in zehn Minuten unterzubringen, ließen sich die Macher eine Rahmenhandlung einfallen: Während eines Zwischenstopps am Frankfurter Flughafen bittet ein japanischer Fluggast eine Stewardess um eine schnelle Deutschland-Darstellung. An Hand einer Landkarte mit Zauberstab beginnt eine imaginäre Reise durch das Land. In Hochglanzimpressionen werden vielseitige Eindrücke von Land und Menschen vermittelt, Regionen und Städte präsentiert. Im Verlauf des Filmes treten unter anderem Richard von Weizsäcker und Franz Beckenbauer auf.
Die Nachbearbeitung im Detail
Die ACT Videoproduktion GmbH wurde von Broadview TV mit der Nachbearbeitung des Films betraut. Unter Leitung von Robert Gross setzt das Unternehmen bereits seit zwei Jahren auf das Digital Intermediate-System iQ von Quantel. iQ bietet mit der QColor-Option hochauflösende Farbkorrektur in Echtzeit.
Als erste Schritte beim Projekt »Deutschland in Japan« bkonvertierte ACT das HD-Original-Materials in SD im Digi-Beta-Format. Damit wurde der Offline-Schnitt realisiert. Auf dessen Basis erstellte ACT dann eine 10-Minuten-Version und einen 90-Sekunden-Trailer. Neben Hauptfilm, und Trailer entstand dann auch noch eine 3-Minuten-Kurzversion
Konkret bedeutete das, 40 Originalbänder für den Online-Schnitt auf Basis der Offline-EDL zu digitalisieren und dann dem Material in hoher Auflösung ColorMatching, Compositing, Retusche und Special Effects angedeihen zu lassen. Auch die Formatwandlung für verschiedene Versionen stand an, unter anderem mit dem Transfer des Materials in 1920 x 1080 von 25p in japantaugliche 30p. Die dafür ebenfalls nötige Formatwandlung im Audiobereich übernahm Klaus Rössel von ACT am ProTools-System.
Eine echte Herausforderung stellte laut Oliver Kenneke die Vorstellung des Kunden Broadview TV vom Look des Films dar: knackig und im Hochglanz-Stil sollte Deutschland den Japanern präsentiert werden. »Die geforderte Farbgestaltung war überaus anspruchsvoll«, erzählt Oliver Kenneke, der dafür am iQ zuständig war. »Zum einen erscheinen Aufnahmen in HD oft sehr pastellig. Zugleich war das Wetter bei den Außenaufnahmen herbstlich grau-braun. Ich musste die Farben extrem rauskitzeln, oft bis an die Legalitätsgrenze des Farbraums und darüber hinausgehen.«
Insgesamt standen im September 2004 knapp sechs Tage für die Nachbearbeitung zur Verfügung. Aufgeteilt auf die einzelnen Jobs bedeutete das einen halben Tag für den Online-Schnitt, zwei Tage Farbkorrektur, zwei Tage Special Effects und Typo sowie einen Tag für die Erzeugung und Ausgabe zahlreicher Format-Varianten.
Bis an die Grenzen des technisch Erlaubten
Aufgrund der laut Oliver Kenneke »zwar angenehm menschlichen und daher pastellfarbigen« HD-Bilder war die Farbkorrektur ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Hochglanz-Darstellung. Im Einzelnen bedeutete dies, Kontraste nach zu ziehen, Farben zu sättigen, selektive Farbarbeiten mit den Shape- und Fettle-Funktionen vor zu nehmen, unterstützt vom
»Manchmal sind wir sogar in die illegalen Farbbereiche gegangen, vor allem bei den Aufnahmen der Dresdner Frauenkirche«, erläutert Kenneke das Vorgehen. Die Blau- und Rotwerte wurden also teilweise bis in den illegalen Farbbereich angehoben, um eine Bilderbuchwelt entstehen zu lassen: kein Problem bei einem Imagefilm, bei einer TV-Version müsste man die Farben dieser Passagen wieder »legalisieren« umd keine Pegelüberschreitungen im Sendebetrieb zu riskieren.
Tracking auf höchstem Niveau
Das Tracker-Modul des iQ war eines der wichtigsten Werkzeuge bei diesem Projekt: »Der Tracker ist im Vergleich zum Henry von Quantel um ein Vielfaches besser geworden«, meint Kenneke. Die Tracker-Punkte bleiben erhalten, es gibt keine Beschränkung auf einen Vier-Punkt-Tracker, für das Design von Shapes steht eine unbegrenzte Anzahl an Tracker-Punkten zur Verfügung und die Tracker-Infos sind leicht übertragbar. Die Vektor-Grafen bieten direkten Zugriff auf die numerischen Tracker-Daten sowie einen grafischen Verlauf der Punkte. Gleichgültig, auf welcher Layer-Ebene Kenneke arbeitete, er hatte immer die komplette Übersicht seiner Tracker-Daten.
Zusätzlich zu der durchgehend grauen Herbststimmung stellten die teilweise hochfrequenten Vibrationen bei den Hubschrauberaufnahmen eine weitere Schwierigkeit dar. Hier war ebenfalls der Tracker gefragt.
Als besonders schwierig erwiesen sich die Luftbilder vom Rhein: Sie konnten direkt bei der Aufnahme nur teilweise stabilisiert werden, da sich der Hubschrauber in allen Achsen bewegt hatte.
Um die Bilder dennoch ruhig und gleichmäßig zu gestalten und ihre majestätisch Wirkung zur Geltung zu bringen, suchte Kenneke bestimmte Fixpunkte im Bild, beispielsweise ein Haus oder einen Baum, die dann auf jeder Achse getrackt und separat stabilisiert wurden. Das Endergebnis ist eine beeindruckende Ansicht aus der Luft einer der bekanntesten Flusslandschaften Deutschlands.
Immer im Einsatz:»Shape« in »Fettle«
Auch die Luftaufnahmen des Sony-Centers in Berlin mussten etwas aufpoliert werden. Die Farb-stimmung war grau-braun – kurzum: unpassend für Hochglanz-Bilder. Das Sony-Center sollte in einem knackigen Grün, die Bürogebäude gegenüber in einem satten Braun erstrahlen. Zunächst wurden die Häuser hierfür durch Curved-Shapes im QColor-Modul isoliert, wobei die Shapes beim iQ individuell formbar sind. Anschließend setzte Kenneke einen Tracker-Punkt auf das Sony-Center, der über alle Einzelbilder mitwanderte und übertrug dann die Bewegungsdaten auf die Shapes, damit diese den Flugbewegungen folgten. Die nachfolgende Farbanpassung war dann schnell durchgeführt.
Die Funktion »Fettle« kam vor allem bei den ebenfalls herbstlich getönten Aufnahmen der Frankfurter Skyline zum Einsatz. Einige Hochhäuser sollten eine metallische Blautönung erhalten. Über die normalen Farbwerte war diese nicht so leicht erreichbar, daher setzte Kenneke auch hier Fettle ein. Mit dem Stift suchte er im Bild einen Farbpunkt aus und erhielt vom System die exakten Angaben über den Farbkanal und in welchem Bereich dort Veränderungen möglich sind. Dieser Bereich ist dann im Fettle-Diagramm direkt lokalisiert und damit sehr genau bearbeitbar. »Mit dem Fettle-Graphen bin ich viel flexibler als bei der Verwendung der klassischen Steuerung von RGB-Kanälen«, kommentiert Kenneke.
Retusche und Painting
Bei Stadtaufnahmen sind störende Elemente wie Kräne oder Schatten auf herausragenden Gebäuden in den Originalaufnahmen unvermeidbar. Einen Kran entfernte Kenneke mit Hilfe einer Travelling-Matte aus dem diesigen Himmel.
Richtig ins Repertoire der Painting-Funktionen musste Kenneke bei den Bildern des Hamburger Container-Hafens greifen: Eine der Aufnahmen zeigt eine Totale mit den bunten Wänden der Container. Von rechts kommt ein Container ins Bild gefahren, an dem ein Schild mit japanischen Schriftzeichen befestigt ist. Container, Schild und japanische Schriftzeichen stammen aus dem Stift Kennekes.
Der Workflow im Rückblick
Der ganze Ablauf des Projekts, mit den sehr anspruchsvollen Farbwünschen von Broadview TV, verlief laut Oliver Kenneke reibungslos. Alle Leistungsanforderungen und Termine wurden eingehalten, vor allem die fristgerechte Auslieferung nach Japan und die Formatwandlung von gedrehtem HDCAM-Material und Master-Cut in eine für Japan sendefähige HD-Version.
»Gerade bei den Farbvorstellungen, die über das sonst übliche Maß hinausgingen, hat mir meine Erfahrung mit Color Grading allgemein und am iQ sehr geholfen. Und bei dem Transfer von gedrehtem 50i-Bildmaterial auf NTSC mit 60i zeigte das iQ seine wirkliche Stärke. Für derartige Projekte in dieser Auflösung und der Datenmenge bietet es einen hervorragenden Arbeitsablauf.«
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