Magna Tango: 75 Stunden in HD
Die Frankfurter Magna Mana produziert derzeit einen Musikfilm mit dem Titel »Con el tango en el corazón«. 75 Stunden HD-Material, das in Argentinien mit der Panasonic Varicam gedreht wurde, dient als Ausgangsmaterial für dieses ambitionierte Projekt. Der fertige Film soll im Frühjahr 2005 in die Kinos kommen. (Mehr Fotos und Infos als die Online-Version enthält die 388 kB große Vollversion, zum Download bitte am Textende auf den Datei-Namen klicken.)
Sieben Wochen Drehzeit im Jahr 2003, zahllose Stunden beim Schnitt und in der Postproduktion im Jahr 2004 – und erst jetzt ist die Fertigstellung des Films absehbar: Es hat lange gedauert bis der Musikfilm »Con el tango en el corazón« Realität wurde. Und wie der Tango selbst für seine Anhänger Herzenssache, Passion und sogar Obsession ist, so wäre es auch bei den Machern des Filmprojekts kaum möglich gewesen, ohne diese Motive die Hürden und Beschwernisse zu überwinden, die sich bei der Umsetzung stellten.
Weder die riesige Menge an Originalmaterial, noch die Finanzierung des Projekts waren aber aus Sicht von Axel Mertes, einem der drei Geschäftsführer von Magna Mana, die größten Herausforderungen: »Man glaubt es gar nicht, wie sehr man in der Praxis noch kämpfen und improvisieren muss, wenn man ein so umfangreiches Projekt komplett in HD produzieren will«, berichtet er. Sein Mitgründer Jens-Eric Vest ergänzt: »Der Dreh mit der Panasonic Varicam ließ sich noch relativ leicht realisieren, auch dank der Mithilfe von Panasonic Deutschland. Wir waren auch überrascht, wie viel HD-Knowhow wir in Argentinien vor Ort vorfanden. Schwierig wurde es dann jedoch in der Postproduktion. Da hatten wir mehrfach mit massiven Lieferschwierigkeiten der Hersteller zu kämpfen. Zunächst warteten wir auf den DVCPROHD-Recorder mit FireWire-Schnittstelle, den wir kaufen wollten. Auch die passende Software-Version des Schnittsystems, die das Zusammenspiel mit diesem Recorder erlaubte, ließ auf sich warten. Dann gab es Probleme, das Material und den Timecode zu verarbeiten wenn mit anderen Bildraten als 24P gearbeitet wurde.« So kam eins zum anderen und es entstanden massive Verzögerungen in der Postproduktion. »Mittlerweile haben wir schon den gleichzeitig zum Film entstandenen Bildband fertig«, scherzt Vest, »aber den Film selbst noch nicht.« Ein Fertigstellungstermin ist aber jetzt absehbar.
VARICAM-HD-DREH IN BUENOS AIRES
So groß die Anlaufschwierigkeiten bei der Postproduktion waren, so gut lief die HD-Produktion in Buenos Aires. »HD ist in Buenos Aires schon längst Alltag, es gibt dort eine richtige HD-Szene, zu der wir auch schnell Kontakte knüpfen konnten«, berichtet Jens-Eric Vest, einer der drei Magna-Mana-Geschäftsführer. »Ich war mehrfach vor Ort bei der Produktion dabei und koordinierte den Dreh. Dabei mussten wir auch zusätzliches Equipment ausleihen. Für die dortigen Verleiher ist das schon allein deshalb Tagesgeschäft, weil vieles dort für den US-Markt produziert wird, und der verlangt eben HD.«
Der Aspekt der internationalen Auswertung spielte für Magna Mana bei der Entscheidung für HD eine große Rolle. Wie schon bei der Produktion »Das Leben geht weiter«, strebt Magna Mana auch für den Tango-Musikfilm eine internationale Auswertung an. »Tango ist weltweit ein Riesenthema, in Europa interessanterweise ganz besonders in Skandinavien. Das sind natürlich potenzielle Märkte für uns«, sagt Jens-Eric Vest. Axel Mertes ergänzt: »Wenn man auf der TV-Programmmesse in Cannes eine Produktion verkaufen will und die Frage nach HD nicht positiv beantworten kann, dann ist das Gespräch mit den Filmeinkäufern aus Asien und den USA sehr schnell beendet. Da kann der Inhalt noch so gut sein, man kann es einfach nicht verkaufen.«
Dass man den Tangofilm in HD produzieren wollte, das stand für Magna Mana und Scopas also rasch fest. Warum die Produktion dann Panasonics DVCPROHD-Camcorder Varicam auswählte, erklärt Jens-Eric Vest so: »Wir wollten keine harten Kontraste, sondern ein Bild, das gut zu unserem Thema passt: Filmähnlich, also Vollbilder mit filmtypischer, geringer Schärfentiefe um den visuellen Fokus der Betrachter in Dialogen und Tanzszenen ganz bewusst zu lenken. Das ist ein ganz anderer Look, als er mit klassischen Videokameras erreicht wird, bei denen die Schärfentiefe aus technischen Gründen viel größer ist und wo meistens fast der gesamte Bildinhalt scharf abgebildet wird. Die Varicam bot uns natürlich auch viel mehr Detailzeichnung in den hellen und dunklen Extrembereichen der Aufnahmen, was wiederum für eine gute 35-mm-Rückbelichtung sehr wichtig ist. Vor allem kam die Varicam auch hervorragend mit Lowlight-Situationen zurecht, wie wir sie in großem Maße zu erwarten hatten.«
Gedreht hat das Team in fünf Abschnitten insgesamt sieben Wochen lang und konnte dabei 20 bekannte und berühmte Tangokünstler sowie auch viele unbekannte Tango-Enthusiasten porträtieren. Regisseur Ivo Fuchs berichtet: »Bei den Dreharbeiten hat sich unheimlich viel aus der Situation heraus ergeben. Wir haben zwar die Drehorte geplant und festgelegt, aber mehr als einmal ergaben sich dann Situationen, mit denen wir nicht gerechnet hatten, die aber sensationelle Einblicke in die Tangoszene gewährten.«
Da kann es kaum verwundern, dass am Ende der Dreharbeiten insgesamt 75 Stunden Material zusammen kamen. In den meisten Fällen war Magna Mana mit einem kleinen Team unterwegs, das aus maximal fünf Leuten bestand: Regisseur, Kameramann, ein bis zwei Assis und ein Tonmann. »In der Tango-Szene in Buenos Aires gibt es etliche Größen im fortgeschrittenen Alter und auch solche, deren Umfeld nicht im Rampenlicht stehen will. Wenn man da mit einem großen Team und viel Licht anrückt, ist die Szene kaputt. Bei vielen der Schauplätze empfahl es sich ohnehin, möglichst wenig auf zu fallen, weil man sich öfter zumindest am Rand kritischer Zonen bewegt. Wir haben daher in den meisten Szenen mit dem vorhandenen Licht gedreht. Das führte zu teilweise recht schwierigen Lichtsituationen, hat sich aber bewährt und man glaubt es kaum, wie weit man in der Postproduktion mit diesem Material noch gehen kann«, so Jens-Eric Vest.
Bei den Optiken setzte der DoP Helmut Fischer in erster Linie auf HD-Zoomobjektive. »Wenn man spontan und flexibel arbeitet«, so Vest, »muss es schnell gehen, da kann man nicht mal eben die Primes wechseln und dann weiter arbeiten. Mit einem Zoomobjektiv ist man da auf jeden Fall besser bedient.«
SYSTEMFRAGEN: SCHNITT, FINISHING, COLOR GRADING
Die ursprünglichen Pläne, die Magna Mana für die Postproduction des Materials hatte, ließen sich nicht umsetzen: Lieferprobleme und etliche von Seiten der Hersteller noch ungelöste Fragen sorgten für Verzögerungen und warfen Probleme auf. Also entschlossen sich die Beteiligten, das Material zunächst auf DV down zu konvertieren und es dann mit SpeedRazor Blade auf zwei Laptops zu loggen und vor zu schneiden. An jedes der Notebooks waren Festplatten via FireWire angeschlossen, auf denen die gesamten 75 Stunden Material gespeichert waren: mit jeweils 1,5 Terabyte Kapazität.
Dann wurde das Projekt zur Endbearbeitung auf Final Cut Pro transferiert. Zu diesem Zeitpunkt standen bei Magna Mana dann die FireWire-HD-
»Nachdem Apple während der NAB 2004 angekündigt hatte, es sei möglich, mit der Varicam gedrehtes 24P-Material direkt via FireWire einspielen und dann bearbeiten zu können, schien uns das ein einfacher, sinnvoller und preisgünstiger Weg zu sein«, berichtet Axel Mertes. Dann gab es allerdings etliche Probleme zu lösen, mit denen Magna Mana eigentlich nicht gerechnet hatte: »Wir hatten mit der Varicam nicht durchgehend in 24P gedreht, sondern auch mit anderen Frame-Raten. Diese Funktionalität ist ja eine Besonderheit dieses Camcorders und die will man natürlich auch kreativ nutzen, wenn man mit der Varicam dreht. Damit kann Final Cut Pro aber leider gar nicht oder nur mit umständlichen Workarounds umgehen, die zudem enorme Rendering-Zeiten verursachen. Apple hat lediglich 24P implementiert, und unterstützt eben nicht die verschiedenen Frame-Raten der Varicam. Das ist der feine Unterschied. Apple gibt dem Anwender nur die Wahl 24P oder 60P. Mit der Varicam ist aber alles Beliebige zwischen 4P und 60P möglich.«
Der notwendige Workaround sah im Endeffekt so aus: Sechs Editoren arbeiteten rund um die Uhr daran, zunächst die 75 Stunden Material ein zu spielen und es dann zu konvertieren, so dass Final Cut Pro damit arbeiten konnte. Magna Mana setzte für diesen Job zwei G5-Rechner von Apple in maximaler Prozessorbestückung ein – also schnelle und leistungsfähige Hardware. Dennoch zog sich das Einspielen und Aufbereiten des Materials über Wochen hin: »Das war unerwartet zeitaufwändig. Die Konvertierung etwa von 36P-Material in 24P mit dem von Apple und Panasonic bereitgestellten Konverter dauert merkwürdig lang, aber es gab keine andere Möglichkeit für uns, um diese Probleme mit der variablen Frame-Rate zu lösen«, so Axel Mertes.
Von der Möglichkeit, das Material von den Bändern in einer niedrigeren Auflösung ein zu spielen und die verwendeten Szenen per Batch-Digitize später für den Online-Schnitt erneut in voller Qualität zu digitalisieren, hält Mertes nichts. »Bei 75 Stunden Material hat man ja jede Menge Bänder. Diese zu verwalten und später die notwendigen Passagen anhand einer Schnittliste erneut zu digitalisieren, ist ein Riesenaufwand. Außerdem hat man auch das Problem, den Überblick zu behalten. Von den Timecode-Problemen, die aus den unterschiedlichen Frame-Raten resultierten, will ich dabei gar nicht reden, geschweige denn von Timecode-Sprüngen auf den Quellbändern, was bei einem Dreh unter solchen Umständen nicht immer zu vermeiden war. Wenn der beste Take gleich in der Sekunde war, in der die Kamera anlief, dann haben wir auch gar keinen Vorlauf für das Batch-Capturing. Da bliebe nur das Umkopieren mit einer zweiten Maz und neuen streng sequenziellen Timecodes. Aber dann ist man schon in der 2. Generation, das entspricht nicht unserer Philosophie. Wir und der Regisseur wollten in der Postproduktion einfach das komplette HD-Material im direkten Zugriff haben, denn das stellen wir uns unter einer effizienten Produktion vor. Außerdem erspart man sich so viele Kopfstunden und Bandwechsel an den Bandmaschinen.«
An jedem G5, auf dem mit Final Cut Pro editiert wurde, ist bei Magna Mana ein Raid-Speichersystem mit einer Kapazität von je sechs Terabyte angeschlossen. Insgesamt wurden über 150 Quellbänder verarbeitet, jeweils rund 32 Minuten lang.
Den Schnitt der Langversion hat Magna Mana bis zum Jahresende 2004 abgeschlossen. Nun wird daraus noch eine zusätzliche kürzere Variante editiert. Zudem steht die Tonendbearbeitung an. »Die Töne gehen via OMF ins Tonstudio und werden dort weiter bearbeitet«, erläutert Axel Mertes. Die Tonbearbeitung birgt noch etlichen Aufwand, weil neben dem Original-Camcorder-Ton auch noch separat auf DAT aufgezeichnetes Material und der O-Ton diverser externer Mikrofone verwendet werden soll, der auf DV mitgeschnitten wurde.
Die Farbkorrektur und einige Bildoptimierungen des Films will Magna Mana mit dem neuen Schnitt- und Postproduktionssystem Springtime HD von Yello realisieren. Dieses Komplettsystem basiert auf Leitch-Hardware und der Software Velocity, die der Hersteller in den vergangenen Jahren weiter entwickelt hat. »Mittlerweile hat Velocity einen sehr guten Stand erreicht und bietet uns alles was wir brauchen in hoher Geschwindigkeit und mit großer Systemstabilität«, konstatiert Axel Mertes. Yello nutzt als Systemintegrator die Komponenten von Leitch, optimiert das Zusammenspiel der Hardware-Elemente und vertreibt Springtime HD als eigenes System. Magna Mana arbeitete als Beta-Testsite an der Optimierung des Systems mit und ersetzt in drei Suiten die bisher genutzten Matrox-DigiSuite-basierten Systeme durch Springtime HD.
»Wir ersetzen drei Schnittplätze mit Kundenbetrieb durch HD-fähige Springtime-Systeme. Zudem nutzen wir noch Final Cut Pro für kleinere Editing-Jobs, im Animationsbereich kommen auch andere Systeme zum Einsatz. Wir haben die FireWire-HD-Maz von Panasonic sofort bestellt, als der Hersteller diesen Recorder angekündigt hatte und haben das zweite in Deutschland ausgelieferte Gerät erhalten und seither im Betrieb. Wir setzen mehrere HD-fähige Beamer und 50-Zoll-HD-Plasmas ein, sowie HD-TFTs und HD-Röhrenmonitore. Insgesamt kommen wir nun schon auf sechs echtzeitfähige HD-Schnittsysteme und wir betreiben eine digitale HD/SD-Kreuzschiene«, umreißt Axel Mertes das vorhandene HD-Equipment.
Derzeit laufen schon drei Springtime HD bei Magna Mana im Testbetrieb und es wurden darauf auch schon mehrere Produktionen realisiert. »Wir machen überwiegend Werbung und haben mit Springtime HD schon mehrere Spots erfolgreich bearbeitet«, erläutert Jens Vest.
»Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich mich im gesamten vergangenen Jahr intensiv mit HD beschäftigen und dabei etliche Systeme testen konnte«, erzählt Axel Mertes. »Einige der Systeme lieferten dabei exzellente Hardware, aber nur mangelhafte Software, andere konnten mit der Software überzeugen, hatten aber bei der Hardware Schwächen. Letztlich ist das ein Problem, das ganz viele Systeme haben: Sie sind nicht ausreichend integriert, es gibt immer einen Part, der unbefriedigend ist, den anderen Teilen hinterher hinkt und die Qualität des Gesamtsystems letztlich deutlich schmälert. Es ist wichtig, dass Hard- und Software aus einem Haus stammen. Das sichert langlebige Investitionen.« Bei Springtime HD ist dieses Problem aus Sicht von Magna Mana gelöst.
»Wir haben schon immer auf offene, IT-basierte Systeme gesetzt. Das hatte finanzielle, aber auch funktionale Gründe: Wir kommen aus der Animation und da braucht man schon immer höhere Auflösungen und größere Bilder als sie in PAL möglich sind. Das konnten die eher editing-orientierten Insellösungen früher einfach nicht«, erläutert Axel Mertes.
Vernetztes Arbeiten ist bei Magna Mana heute schon Realität und soll weiter ausgebaut werden: »Wir binden die Schnittsysteme mit Dual-2-Gbit-Links pro System an ein 25-Terabyte-SAN mit File-Level-Sharing an. Aber wir denken bereits über den Einsatz neuester 10- und 20-Gbit-Technologie nach. Wir peilen eine Peak-Perfomance im SAN von über 2 Gigabyte/Sekunde an. Außerdem haben wir über die Server jeden einzelnen Rechner der Firma mit Gigabit-Ethernet ebenfalls an das SAN angeschlossen. So können alle gleichzeitig mit den Originaldaten arbeiten«, streut Axel Mertes zu diesem Thema ein.
Dass Magna Mana so enge Kontakte zu Herstellern und Distributoren pflegt, sieht Axel Mertes als Riesenvorteil seiner Firma: »Wir sind oft in Beta-Tests involviert und an manchen Produkten entwickeln wir selber mit. Das ist zwar zeit- und arbeitsintensiv, versetzt uns aber auch in die Lage, einen technologischen Vorsprung zu halten, der uns bei vielen Projekten auszeichnet.« Diese Zusammenarbeit fand mit Leitch und Yello bei Springtime HD statt, aber etwa auch bei den Themen HD-Projektion und Filmbelichtung. Axel Mertes freut sich nun darauf, die neuen Systeme in Betrieb zu nehmen. Sein Motto: »HD ist nicht die Zukunft – HD ist jetzt!«
IN DER HD-WELT ANGEKOMMEN
Dass eine HD-Produktion mit so viel Originalmaterial immer noch nicht ganz einfach zu realisieren ist, musste Magna Mana bei »Con el tango en el corazón« schmerzlich erfahren. Dennoch glauben die Geschäftsführer Axel Mertes und Jens-Eric Vest, dass die Weichen für die Zukunft insgesamt und für eine internationale Vermarktung dank HD bei Magna Mana gestellt sind. Hier, da sind sich die Geschäftsführer einig, liegt noch großes Potenzial, das es aus zu schöpfen gilt.
Für die Auswertung von »Con el tango en el corazón« haben Magna Mana, Scopas und StarCrest klare Pläne: Der Film soll zunächst im Rahmen von besonderen Tango-Events und später dann in deutschen Kinos gezeigt werden. Erst dann soll die internationale Vermarktung erfolgen und es soll auch eine kürzere Version des Films geben, dessen Langfassung über zwei Stunden Spielzeit aufweist. »Wir wollen den Film aber komplett eigenvermarkten, die Kontakte dafür haben wir schon geknüpft«, lassen die Geschäftsführer wissen: »Für die Zukunft setzen wir voll auf HD, wir produzieren eigene Projekte in HD und — wann immer möglich — in englischer Sprache.«
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