Report, Top-Story: 14.10.2004

DV auf 7.439 m Höhe: Drehen am Pik Pobedy

In Bergsteigerkreisen gilt der 7.439 m hohe Pik Pobedy als einer der schwierigsten Siebentausender der Welt. Dort sollte ich einen Besteigungsversuch filmen. Höhe, Lage und Wetterunbeständigkeit machen den kirgisisch-chinesischen Grenzberg zu einer anspruchsvollen Herausforderung. Die besten Bergsteiger der ehemaligen Sowjetunion waren einst bei gutem Wetter zum Gipfelsturm gestartet. Sie liegen heute noch auf dem 3,5 km langen Grat, der den Weg zur Spitze des gewaltigen Berges so schwierig macht. Ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang stand mir bevor. (Druckfreundliche PDF-Version mit mehr Bildern steht am Textende zum Download bereit.)

Im Sommer 2004 fuhr der VW-Mitarbeiter Joachim Franz mit einem Bergsteigerteam auf dem Landweg nach Kirgistan. Der Wolfsburger Extremsportler verbindet seine sportlichen Höchstleistungen mit seiner Arbeit als Aids-Aktivist und sein aktuelles Projekt sah vor, eine mehr als 2,5 m große Aids-Schleife auf den Gipfel des Pik Pobedy zu tragen. Der engagierte Mitarbeiter des Volkswagen Gesundheitswesens wollte damit besonders auf die Aids-Epidemie in Osteuropa und Asien aufmerksam machen. In diesen Ländern ist die Zahl der Neuinfektionen mit dem HI-Virus seit einigen Jahren noch höher als in Afrika. »Ich will ein Zeichen des Lebens in die Todeszone tragen«, sagte Joachim Franz vor Beginn der Expedition. Der Pik Pobedy, zu deutsch »Gipfel des Sieges«, schien ihm für seine »Sign – Aids Awareness Expedition« die richtige Herausforderung zu sein.

Extreme Minustemperaturen, eisige Winde und Schneestürme: Welcher Camcorder würde so etwas aushalten? Wie viele Akkus braucht man, wenn man eine Woche am Berg unterwegs ist? Würden die Aufnahmebänder die Temperaturschwankungen verkraften? Tagsüber kann es im Zelt schließlich gut und gerne 50 °C heiß werden.

Als Aufnahme-Equipment kam für mich nur ein Mini-DV-Camcorder in Frage. Alles andere wäre zu groß und zu teuer gewesen. Mit dem DSR-PD150 von Sony hatte ich schon gearbeitet. Ich entschied mich aber für den AG-DVX100A (Testbericht hier) von Panasonic. Ein Grund dafür war, dass die gleiche Kamera die Expedition schon in den ersten beiden Wochen begleitete: Die HR-Videojournalistin Michaela Steuer filmte die Fahrt der drei Expeditionsfahrzeuge von Hannover über Warschau, Minsk, Kiew, Moskau und Kasachstan bis in die kirgisische Hauptstadt Bischkek mit einem DVX100A. (infos zum Thema HR-Videojournalisten finden Sie hier.)

Zwei Wochen vor Expeditionsbeginn erhielt ich die endgültige Zusage des Teamchefs, so lange hatte ich noch Zeit, das nötige Equipment zu beschaffen. Panasonic stellte mir ein Toughbook für die Expedition zur Verfügung, das Sponsoring eines DVX100A kam leider nicht zu Stande: Panasonic sah dafür keine Möglichkeit. Ich wollte also einen DVX100A kaufen, weil der AG-DVX100A aber sehr gefragt ist, gab es deutschlandweite Lieferzeiten von mehreren Wochen. Im Zusammenwirken der Panasonic-Zentrale in Wiesbaden und des Händlers Teltec gelang es aber doch noch, einen DVX100A auf zu treiben, den ich dann erwerben konnte. Außerdem bekam ich von Panasonic zu Testzwecken den AG-DVC30 (Testbericht hier) mit, den kleinen Bruder des DVX100A. Dazu einen Koffer, Snowcoat, Adapter für Stereomikrofon und Weitwinkelvorsatz.

Das Bergsteigen in großen Höhen ist bekanntermaßen eine anstrengende Sache. Bis zum Basislager fliegen Hubschrauber, ab dann gilt es aber, alles, was man später benötigt, auf dem Rücken ins Höhenlager zu wuchten: Steigeisen, Karabiner, Seile, Zelte, Schlafsäcke, Lebensmittel – einfach alles. Je höher man kommt, desto anstrengender wird es, den Rucksack zu schleppen: Jedes Gramm scheint man zu spüren. Mehr als 3 kg wiegt der DVX100 mit Stereomikrofon und Ersatzakkus, der DVC30 schlägt mit rund 2 kg zu Buche.

Fünf Höhenlager galt es, auf dem Weg zum Gipfel einzurichten. Das höchste Lager schlugen wir in 7.000 m Höhe auf. Das ist rund 400 m unterhalb des Gipfels, knapp 3.000 Höhenmeter über dem Basislager.
Ich entschied mich, für die ersten Aufstiege in die Zwischenlager den DVX100 mit zu nehmen. Das Stereomikrofon und der integrierte ND-Filter gaben den Ausschlag. Eingepackt hatte ich die Kamera in ein spezielles »Snowcoat«, das mir Teltec ebenfalls zum Testen mitgegeben hatte. Eine raffinierte Schutztasche: Man steckt die Kamera hinein, und kann sie von außen bedienen. Sie gewährleistet guten Schutz des Camcorders vor Schnee, Regen und Kälte. Eine feine Sache – unter normalen Bedingungen: Unter den extremen Umständen unserer Expedition erwies es sich aber als problematisch, jedes Mal etliche Minuten darauf verwenden zu müssen, Kamera und Linse in die richtige Position zu bringen. Wenn es mir überhaupt gelang. Letztendlich habe ich den Camcorder zum Filmen stets aus dem Snowcoat genommen, weil es schneller und praktischer war. Als reine Schutztasche für den Transport war das Snowcoat sehr gut zu gebrauchen.

Bei den ersten Erkundungstouren auf dem Gletscher hatte ich den Camcorder noch um den Hals hängen, um ihn jederzeit griffbereit zu haben. Mit 25 kg Gepäck auf dem Rücken und dem Camcorder vor der Brust konnte ich jedoch kaum meine Steigeisen sehen, konnte nicht wirklich kontrollieren, ob sie sich fest in das Eis des Gletschers bohrten. Der Sprung über Gletscherspalten war unter diesen Umständen mitunter ziemlich riskant. So steckte ich den DVX100A letztendlich unter die Deckeltasche des Rucksacks und hoffte, das Mikrofon würde diese Tortur unbeschadet überstehen.
Immer wieder musste ich mich dann aber überwinden, den schweren Rucksack ab zu setzen, den Camcorder auszupacken und zu filmen. Unter den extremen Bedingungen fiel das im Lauf eines Tages immer schwerer, aber es gab keine Alternative, denn die Sicherheit am Berg geht vor.

Der Pik Pobedy gilt als Schlechtwetterberg, aber es gibt auch immer wieder Stunden und Tage mit strahlender Sonne. Im Basislager hatte ich die Möglichkeit, DVX100A und DVC30 in Ruhe zu vergleichen. Das Toilettenhäuschen über einer Gletscherspalte musste dokumentiert werden, ebenso das Wasch- und Küchenzelt, die Vorbereitungen der Bergsteiger. Um Überbelichtungen zu vermeiden, war beim DVX100A fast während der gesamten Expedition der 1/64-ND-Filter vorgeschaltet. Mit dem Iris-Stellrädchen ließ sich dann bequem die Lichtmenge regulieren, auch mit Fingerhandschuhen funktionierte das problemlos. Beim DVC30 konnte ich mit etwas Übung die gleiche Bildqualität produzieren, aber nicht so schnell und so bequem wie beim DVX100A. Aus diesem Grund drehte ich fast alle Szenen im Basislager auf 4.100 m Höhe mit dem größeren DVX100A.

Manche Aufstiege in die Höhenlager bleiben besonders in Erinnerung. So etwa der erste Versuch, das Lager 3 zu erreichen: ein harter Kampf. Brusthoher Schnee, schwer und nass, ließ uns von Lager 2 auf 5.000 m zu Lager 3 auf 5.800 m nur im Schneckentempo vorankommen. Die Sichtweite blieb unter 10 m. Dichter Schneesturm.

Normalerweise schafft man den Aufstieg in drei Stunden. Nach sieben Stunden hatten wir gerade die Hälfte der Strecke hinter uns. Wir gaben auf und kehrten um. Ganze zwei Minuten Drehzeit an diesem Tage. Da das Snowcase mit dem Camcorder direkt unter der Deckeltasche des Rucksacks klemmte, bekam die Kamera nach sieben Stunden Schneetreiben auch einiges ab: Eingeschneit, vereist, aber ohne Folgen für die Funktion.

Niemand konnte vorhersagen, wie gut die Akkus bei Kälte ihre Leistung halten würden. Mein Resümee zu diesem Thema: Die Akkus hielten länger als erwartet. Mitgenommen hatte ich je einen Akku mit 1.800 und 5.600 mA von Panasonic, die mit den Camcordern geliefert wurden. Zusätzlich je zwei 2.800 und 3.500 mA No-Name-Produkte. Im Basislager war ausschließlich der große und schwere Akku von Panasonic im Einsatz. Am Berg nutzte ich die No-Name-Produkte für die Spannungsversorgung. Einen Unterschied zu den mitgelieferten Akkus konnte ich nicht feststellen, der Camcorder lief mit den No-Name-Akkus jeweils deren Kapazität entsprechend länger als mit dem kleinen und kürzer als mit dem großen der mitgelieferten Akkus.

Das Filmen in einer Schneehöhle war eine große Herausforderung. Vier Meter tief in den Schnee eingegraben, schliefen wir auf 5.800 m Höhe in Lager 3, das wir beim zweiten Versuch endlich erreicht hatten. Der Gaskocher surrte. Die Luftfeuchtigkeit war durch das Kochen und die Atmung der Bergsteiger so hoch, dass innerhalb von Sekundenbruchteilen die Linse beschlug. Sogar unter dem Filter des DVX100A setzte sich Feuchtigkeit an. Die Lösung: Warten, bis das Abendessen fertig war und alle in den Schlafsäcken lagen. Dann gelang es, dieses eindrückliche Nachtlager endlich zu filmen.

Zum Höhepunkt der Expedition konnte der DVC30 zeigen, was er drauf hat. Erschöpft von den anstrengenden Anstiegen, verließ ich mich nämlich im späteren Verlauf des Aufstiegs ausschließlich auf den kleineren Camcorder, weil er leichter und besser im Rucksack zu verstauen war. Ich habe diese Entscheidung in keiner Weise bereut. Zwischen den Bildern des DVC30 und des DVX100 lässt sich nämlich letztlich kein Unterschied feststellen. Nur der Ton, den das eingebaute Mikrofon des DVC30 einfing, ist deutlich schlechter: Alles, was sich in einer Entfernung ab 2 m vom Mikro abspielt, ist nur sehr leise und schwach zu hören. Ich hatte zwar einen Adapter für das Stereomikrofon dabei, das Anflanschen des Ton-Equipments hätte den Camcorder aber wieder schwerer und unhandlicher gemacht.

Gegen Ende der Expedition waren vom zehnköpfigen Team nur noch zwei Bergsteiger einsatzfähig. Wir mussten die Besteigung des Hauptgipfels abschreiben. Ersatzziel war der Westgipfel, den unser russischer Bergführer Dmitry Vladimirovich Pavlenko und Matthias Körner, ein Teamkollege aus Braunschweig, in Angriff nahmen.

Als die Entscheidung für das kleine Westgipfel-Team gefallen war, galt es, schnell dafür zu sorgen, dass es vom Westgipfel auch Bilder gibt. Ich musste Matthias Körner also in fünf Minuten die wichtigsten Funktionen des DVC30 erläutern. Das Ergebnis, das er nach dieser Kurzeinweisung und einem quälenden Aufstieg zum Westgipfel vom höchsten Punkt unserer Expedition mitbrachte, war besser, als ich erwartet hatte: Die Automatikfunktion der Kamera lieferte einwandfreie Bildqualität. Die Aufnahmen waren aufgrund des starken Windes und der Erschöpfung des Kameramannes zwar etwas verwackelt, die Schwenks entsprechend holprig, aber insgesamt brachten die beiden Gipfelbesteiger absolut sendefähige Bilder mit.

Downloads zum Artikel:

T_1004_Pik_Pobedy_DV.pdf

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