Report, Top-Story: 23.01.2004

Bilder aus der Unterwelt

Die Postproduktionsfirma Digital Film Lab bearbeitete den Spielfilm »Underworld« im Digital-Intermediate-Prozess mit dem Discreet-System Inferno.

Der Kinofilm »Underworld« läuft Ende Januar in deutschen Kinos an und erzählt die Geschichte eines lange währenden Kampfes zwischen Vampiren und Werwölfen.

Da versteht sich von selbst, dass die Bilder aus »Underworld« nicht von dieser Welt sein sollten: Der britische Regisseur Len Wiseman wollte statt dessen angsteinflössende und gleichzeitig bedrückende Bilder. Um sie zu bekommen, entschied sich das Produktionsteam dazu, den Film im Digital-Intermediate-Prozess (DI) nach zu bearbeiten. Eine wichtige Rolle spielte hierbei das dänische Postproduktionshaus Digital Film Lab (DFL), das große Teile der Nachbearbeitung übernahm. DFL betreibt zwei technisch weit gehend identische Facilities am Stammsitz in Kopenhagen und in London (siehe auch frühere Meldung hierzu), die sich im Wesentlichen nur durch das Screening-Kino (nur in London) und das Kopierwerk (nur in Kopenhagen) unterscheiden.

DI MIT INFERNO
»James McQuaide, der Executive Producer von Underworld, hörte erstmals von Lichtbestimmern in den USA etwas über die Arbeit von DFL,« berichtet Inferno-Artist Gary Brown. »Die erzählten ihm von unseren Jobs und urteilten, dass sie wohl zu den besten DI-Arbeiten gehörten, die sie bis dahin gesehen hatten. Darauf hin testete James McQuaide unsere Fähighkeiten mit ein paar kleineren Projekten und war dabei besonders von der Farbe, den Details im Schwarz und ganz generell von der Bildschärfe beeindruckt. Als »Underworld« dann in die Postproduktion ging, traten wir in Konkurrenz zu einigen der Top-Postproduktionshäuser, die mit Digital Intermediate Postproduktion vertraut sind, aber dennoch konnten wir uns letztendlich den Job sichern.«

Ein zentraler Bereich der DFL-Nachbearbeitung war das Color Grading. Dabei galt es, das Originalmaterial extrem stark zu entsättigen, denn vor allem Blau- Schwarz- und Weißtöne sollten in dem Film dominieren. Allerdings wollte der Regisseur auch nicht ganz auf die natürlichen Hauttöne verzichten, ebenso wenig wie auf die warmen Farben der Kostüme und die Farbe des Bluts, wenn es durch die Kleidung sickert.

Eine weitere Herausforderung des »Underworld«Projekts bestand für DFLs Inferno-Artisten Gary Brown und Sam Smith darin, dass über 300 Visual-Effects-Shots eingearbeitet werden mussten, die zahlreiche Postproduktionshäuser, darunter einige aus London, Paris, L. A. und San Francisco, realisiert hatten. Ebenso galt es, 200 optische Effekte, also Blenden, Geschwindigkeitsveränderungen und Repositionierungen ein zu bauen. Die Effekte wurden mit dem Discreet-System Inferno in 12-Bit-Qualität in die Produktion integriert und per digitalem Grading an den Look angepasst.

Zudem galt es, die schiere Datenmenge des Projekts effizient zu verwalten: »Bei Underworld wurden für Slomo-Sequenzen und für Speed-Ramping-Effekte extrem viele Szenen überdreht. Dieses ganze Material musste abgetastet und fürs Conforming in Inferno importiert werden – das Verhältnis von abgetasteter und importierter Footage im Verhältnis zu dem, was letztlich in den Film geschnitten wurde, lag immerhin bei 3:1. Während unser Kollege, der Colorist Jet Omoshebi schon am Grading des Rumpffilmes arbeitete, erhielten wir DTF2-Bänder mit über 300 Effect-Shots, die wir importieren mussten. Schon bevor wir tatsächlich mit der Arbeit begannen, bereitete uns das einige Sorgen. Aber in der Praxis erwies sich diese parallele Arbeitsweise als sehr geschickt. Alle Effekte wurden in einer Datenbank geloggt, so konnten wir den Überblick behalten, was schon importiert war und was noch ausstand, ob eine Szene schon bearbeitet war, wo sich das Material in unserem System befand etcetera. All diese Faktoren darf man nicht unterschätzen, es ist wirklich extrem wichtig, ein gutes Systems fürs Datenmanagement zu haben.«

Im Verlauf der Nachbearbeitung galt es weitere Hürden zu überwinden. Inferno-Artist Gary Brown berichtet: »Als wir das Material in Inferno importierten, stellte sich heraus, dass die Standard-10-Bit-Cineon-Look-Up-Table (LUT) nicht verlustfrei arbeitete. Zudem hatten wir den Eindruck, dass das Histogramm für jeden Shot so unterschiedlich war, dass es nicht möglich war, eine einzige LUT für alles zu verwenden. Wir entschieden uns deshalb dafür, die Daten in 12-Bit-Partitions ohne LUT zu importieren und statt dessen die Gammakurven zu korrigieren, wie auch Schwarz und Weiß für jede Szene individuell zu setzen. Dank Infernos Farbkorrektur-Node konnten wir diesen Prozess gleich mit Primary- und Secondary-Farbkorrektur in einem einzigen Durchgang kombinieren. Das Schöne daran ist, dass die Bilder dabei nur einmal bearbeitet werden und sich so ein Oversampling des Materials verhindern lässt.«

Aus der Sicht von Gary Brown ist Teamarbeit im Verlauf des Digital-Intermediate-Prozesses besonders wichtig, um letzlich die Ergebnisse zu bekommen, die der Regisseur im Blick hat. Er berichtet: »Der Regisseur Len Wisemann hatte schon Musikvideos gedreht und kannte daher die digitalen Werkzeuge, die ihm bei Underworld zur Verfügung standen. Die Erfahrungen des Coloristen Jet Omoshebi und des DoP Tony Pearce Roberts waren dennoch sehr wertvoll, als es darum ging, Len Wisemanns Vorstellungen im Grading um zu setzen. Wir fuhren in der frühen Phase des Gradings etliche Tests, um zu sehen, wie weit wir gehen konnten. Natürlich muss man sagen, dass es für den DoP vermutlich immer ein Schock ist, in der Digital-Grading-Suite zu sehen, was mit seinem Material geschieht und wie es re-interpretiert wird. Aber letzten Endes war der DoP sehr zufrieden mit den endgültigen Prints.«

Die Postproduktion im Digital-Intermediate-Prozess und das Mastering von »Underworld« dauerten insgesamt drei Wochen, in denen Gary Brown und Sam Smith rund um die Uhr im Schichtbetrieb arbeiteten. Das Aufbereiten des Materials fürs HD-Mastering nahm etliche weitere Tage in Anspruch, während dessen wurde die 2,35:1-Version auf Film belichtet.

»Das Inferno-System hat während der DI-Postproduktion von »Underworld« bewiesen, dass es ein hervorragendes Finishing-System ist,« resümiert Gary Brown und sagt weiter: »Conforming, Grading, Painting, Tracking, Stabilizing, Graphics, sogar Last-Minute-Changes wie etwa das Entfernen von Requisiten oder Make-Up-Korrekturen, können während des DI-Mastering-Prozesses realisiert werden.«

Bei der Fertigstellung wurden schließlich zwei 2,35:1-DigitalScope-Negative produziert, eines davon als Archiv-Negativ, ein weiteres um davon etwa 1.000 erste Vorführkopien zu ziehen. Letzteres war nur daher möglich, weil die Farben und die Dichte des Negativs genau gepasst hatten und keine zusätzlichen fotochemischen Korrekturen notwendig gewesen waren.
Aus dem Material, das sich via Inferno ausgeben ließ, generierte DFL auch ein HD-D524P-Master, aus dem letztlich alle Fernseh-Auswertungen erzeugt werden sollen.

Downloads zum Artikel:

T_0401_Underworld.pdf